02.12.2022 Ausgabe: 8/22

WEG-Recht: Beschränkungen der Vertretungsmacht des Verwalters im Innenverhältnis bei einer von ihm im Namen der Eigentümergemeinschaft erhobenen Klage gegen einzelne Miteigentümer

(BGH, Urteil vom 16.9.2022 – Az. V ZR 180/21)

Das Thema 
Der Bundesgerichtshof (BHG) hat sich in seiner verschachtelten Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine von einem Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhobene Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer trotz Beschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters im Innenverhältnis zulässig ist. Der BGH bejaht diese Frage ersmals im Kontext des neuen Rechts.

Der Fall
Die Klägerin ist eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Den früheren Klägern zu 1) und 2), die über eine knappe Mehrheit der Stimmen in der Gemeinschaft verfügen, gehören gemeinsam zwei Einheiten. Der Beklagte war bis April 2021 Eigentümer der beiden anderen Einheiten. In der Eigentümerversammlung vom 19. November 2019 wurde mit den Stimmen der früheren Kläger zu 1) und 2) zu TOP 1 die Sanierung des Daches und zu TOP 2 die Erhebung einer Sonderumlage von 100.000 Euro mit Fälligkeit zum 31. Dezember 2019 beschlossen. 

Auf Grundlage des Beschlusses zu TOP 2 klagten die früheren Kläger zu 1) und zu 2) gegen den Beklagten auf Zahlung der Sonderumlage an die GdWE. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben die früheren Kläger zu 1) und 2) Berufung eingelegt. Mit einem nachfolgenden Schriftsatz haben sie die Klage im Wege des Parteiwechsels dahingehend geändert, dass nunmehr die GdWE Klägerin ist. Danach veräußerte der Beklagte seine beiden Einheiten; die Umschreibung im Grundbuch ist am 28. April 2021 erfolgt. Das Landgericht hat der geänderten Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin(GdWE) beantragt. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg. 

Bei der Beurteilung der Begründetheit der Revision der verwalterlosen Gemeinschaft zieht der BGH im Rahmen der Frage, ob der Zulässigkeit der Klage der Umstand entgegensteht, dass ein Beschluss der GdWE über die Erhebung der Zahlungsklage nicht gefasst worden ist, eine Parallele zur Situation bei einer von einem Verwalter administrierten Gemeinschaft: 

Darauf, dass ein Beschluss der GdWE über die Erhebung der Zahlungsklage offenkundig nicht gefasst worden ist, komme es für die Zulässigkeit der Klage im Ergebnis nicht
an, weil die Vertretungsmacht der Wohnungseigentümer der verwalterlosen Gemeinschaft der Vertretungsmacht des Verwalters gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 Wohnungseigentumsrecht (WEG) entspreche. Erhebt aber der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Klage gegen einzelne Miteigentümer, sind Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis, die die Befugnis zur Klageerhebung betreffen, jedenfalls im Grundsatz nicht zu überprüfen. Die Entscheidung der im Rahmen des neuen Rechts bisher höchstrichterlich
nicht geklärten Rechtsfrage begründet der BGH insbesondere mit dem Argument, dass die Klageerhebung als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht ebenso wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die im Außenverhältnis unbeschränkte Vertretungsmacht des Verwalters gedeckt wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Teilnahme der GdWE am Rechtsverkehr insgesamt effizienter gestaltet (vgl. BT-Drucks. 19/18791,S. 2) und insbesondere ein effektives Hausgeldinkasso gewährleistet werden. Der gewünschte Effizienzgewinn träte aber nicht ein, wenn beklagte Wohnungseigentümer einer Klage der GdWE wie bislang unter Verweis auf die fehlende Ermächtigung im Innenverhältnis entgegentreten könnten. Zudem wäre auch die Ausübungsbefugnis der GdWE bezogen auf Klagen gemäß § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums entwertet, wenn weiterhin auch die auf die Klageerhebung bezogene interne Willensbildung überprüft werden müsste (vgl. auch – allerdings noch zum Übergangsrecht – BGH, Urteil vom 7.5.2021, Az. V ZR 299/19, besprochen in VDIVAKTUELL 5/22.) 

Schließlich ist die Klage auch in der Sache begründet, weil der zu TOP 2 gefasste Beschluss die Zahlungspflicht des Beklagten begründet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte nach Veräußerung seiner Einheiten nicht mehr Mitglied der Gemeinschaft ist. Der Wohnungseigentümer hat nämlich die Beitragsvorschüsse zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig werden (sog. „Fälligkeitstheorie“)

VERWALTERSTRATEGIE
Aufgrund der neuen Entscheidung ist vor dem Hintergrund des neuen Rechts der Weg für Klagen von Verwaltern geebnet, die diese im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erheben, ohne dass im Innenverhältnis eine entsprechende Vertretungsmacht besteht.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com