22.07.2022 Ausgabe: 5/22

WEG-Recht: Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses; Erstellung von Jahresabrechnungen

(BGH, Urteil vom 25.9.2020 – Az. V ZR 80/19)

DAS THEMA
Es handelt sich um eine äußerst prak­tisch orientierte Entscheidung des Bun­desgerichtshofes (BGH), die einige wichtige Hinweise für die Erstellung von Jahresabrechnungen an die Hand gibt. Daneben behandelt der BGH die Anforderungen an die Wahrung der Kla­gefrist der Beschlussanfechtungsklage und stellt den Grundsatz auf, dass das Vorliegen der Anforderungen an die bestimmte Bezeichnung des angefochte­nen Beschlusses aus Empfängerhorizont, also nach dem Verständnis der Eigentü­mer, zu beurteilen ist.


DER FALL
Die Parteien des Rechtsstreits bilden eine große Wohnungseigentümergemeinschaft. In einer Eigentümerversammlung im Jahr 2017 wurde ein Beschluss über die Jahresabrechnung 2016 gefasst, gegen den ein Miteigentümer in einem gesonderten Verfahren Anfechtungsklage erhob. Aus diesem Grund erfolgte in der Eigentümer­versammlung 2018 erneut eine Beschluss­fassung über die Jahresabrechnung 2016. Diese ist so gestaltet, dass sie Anfangs- und Endstand der Gemeinschaftskonten sowie die nach Kostenarten aufgegliederten Ein­nahmen und Ausgaben erfasst, wobei der Anfangsstand der Gemeinschaftskonten zuzüglich Einnahmen abzüglich Ausgaben zum Endstand der Gemeinschaftskonten führt. Es folgt sodann die Einzelabrechnung, in der unter 1. die Einnahmen und Ausga­ben aufgeführt und verteilt werden; 2. zeigt die Entwicklung der Instandhaltungsrück­lage auf, unter 3. werden die Rücklagen­rückstände, unter 4. die Vorauszahlungen des Klägers und unter 5. die Entwicklung der Geldkonten ausgewiesen.

Der Kläger wendet sich gegen die Beschlussfassung über die Jahresab­rechnung 2016. Das Amtsgericht hat die Klage wegen des Versäumnisses der Kla­gefrist abgewiesen, weil die Klageschrift das Datum der Eigentümerversammlung nicht nennt. Auf Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revi­sion wollen die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Mit Erfolg.

Zwar gehe das Berufungsgericht im Aus­gangspunkt zutreffend davon aus, dass die Klagefrist gemäß § 45 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gewahrt worden ist. Nach Rechtsprechung des Senats muss der Kläger dazu mitteilen, gegen welchen Beschluss aus welcher Eigentümerver­sammlung er sich wendet. Lässt sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung der Klageschrift nicht eindeutig ermitteln, gehen verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten. Infolge­dessen kommt es darauf an, ob die Klage­frist auch dann gewahrt sein kann, wenn sich das Datum der Eigentümerversamm­lung – wie hier – weder der Klageschrift noch Anlagen entnehmen lässt. Ob sich aus der Klageschrift in für die Fristwahrung nach § 45 WEG hinreichender Deutlichkeit ergibt, welcher Beschluss angefochten wer­den soll, bestimmt sich aber nicht aus Sicht des Gerichts, sondern nach dem objekti­vierten Empfängerhorizont der beklagten Wohnungseigentümer, d. h. deren Ausle­gung und Verständnis. Insoweit kommt es nicht auf die Bestimmtheit der Klage im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) an. Denn die Klagefrist stellt keine besondere Sachurteilsvoraussetzung der Anfechtungsklage, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar. Die Fristen aus § 45 WEG dienen in erster Linie der Information der übrigen Wohnungseigentümer, die möglichst rasch Klarheit darüber erlangen sollen, welcher Beschluss aus welchen Gründen angefoch­ten werden soll und welche Beschlüsse in Bestandskraft erwachsen sind. Infol­gedessen ist der Empfängerhorizont der Beklagten entscheidend. Abzuwägen sind die Umstände des Einzelfalls, etwa wie genau der Beschluss bezeichnet wird, und ob z. B. mehrere Eigentümerversammlun­gen stattgefunden haben. Unklarheiten können u. U. dann entstehen, wenn der angefochtene Beschluss in der Klageschrift nur stichwortartig bezeichnet wird, obwohl kurz nacheinander mehrere Eigentümer­versammlungen mit denselben Tagesord­nungspunkten stattgefunden haben.

Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsge­richt aber davon aus, dass die streitge­genständliche Jahresabrechnung keinen schlüssigen Kostenabgleich erlaube. Die Jahresabrechnung gemäß § 28 Abs. 2 WEG ist – so der BGH – eine reine Ein­nahmen-Ausgaben-Rechnung. Sie muss auch den Anfangs- und Endstand der Gemeinschaftskonten ausweisen. Die Art der Darstellung steht im Ermes­sen des Verwalters, soweit er sich an die von der Rechtsprechung entwickel­ten Grundsätze hält. Die im entschie­denen Fall gewählte kontenbezogene Gesamtabrechnung hat zur Folge, dass auch Kontenüberträge dargestellt wer­den müssen; eine solche Darstellung in der Gesamtabrechnung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Richtig ist aller­dings, dass die Einnahmen und Ausga­ben in der Gesamtabrechnung nicht zwingend – wie es hier geschehen ist – kontenbezogen dargestellt werden müs­sen; die komprimierte Darstellung ist zulässig. Denn für eine schlüssige Jahresgesamtabrechnung reichen Anfangs-und Endstand der Gemeinschaftskonten sowie die nach Kostenart gegliederten Einnahmen und Ausgaben. Entspricht der Anfangsstand der Gemeinschafts­konten zuzüglich Einnahmen abzüglich Ausgaben dem Endstand der Gemein­schaftskonten, ist die Abrechnung im Grundsatz plausibel. Dabei müssen Ein­nahmen und Ausgaben vollständig auf­geführt werden, also einschließlich nicht verteilungsrelevanter Zahlungszu- bzw. -abflüsse.

Im Ermessen des Verwalters liegt es aber auch, wenn die Gesamtabrechnung bei mehreren Gemeinschaftskonten (hier: Giro- und Tagesgeldkonto) ausführli­cher ausgestaltet wird, indem die Ein­nahmen und Ausgaben bezogen auf die unterhaltenen Konten wiedergegeben werden. Bei einer solchen Darstellung müssen auch Kontenüberträge mitge­teilt und als nicht abrechnungsrelevant gekennzeichnet werden. Zwar handelt es sich bei Überträgen um vermögens­neutrale interne Umbuchungen, sie müssen aber trotzdem berücksichtigt werden, weil andernfalls die Endstände der Gemeinschaftskonten nicht plau­sibel sind. Unklarheiten können nicht entstehen, wenn die Kontenüberträge entweder ausdrücklich als nicht abrech­nungsrelevant bezeichnet oder jedenfalls nicht in der Spalte der zu verteilenden Kosten aufgeführt werden.


VERWALTERSTRATEGIE
Mit wenigen prägnanten Sätzen gibt der BGH einige praktische Hinweise zur Erstellung von Jahresabrechnungen, deren Art der Darstellung zwar im Ermessen des Verwalters steht, soweit er sich – so der BGH in derselben Entscheidung – an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hält.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com