20.01.2023 Ausgabe: 1/23

WEG-Recht: Darf ein Verwalter einzelne Wohnungseigentümer vor dem Grundbuchamt vertreten?

Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit an gemeinschaftlichem Eigentum von der Vertretungsmacht des Verwalters nicht umfasst

(OLG München, Beschluss vom 5.8.2022 - Az. 34 Wx 301/22)

Das Thema

Das Oberlandesgericht (OLG) München nimmt in seinem Beschluss zu der Frage Stellung, ob die Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit an gemeinschaftlichem Eigentum von der Vertretungsmacht des Verwalters umfasst sein kann, und schafft – entgegen einer Entscheidung des OLG Nürnberg aus dem Jahr 2021, das diese Frage bejahte -  Klarheit vor dem Hintergrund der durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) eingeführten Änderungen.

Der Fall

Die beteiligten Wohnungseigentümer begehren die Grundbucheintragung einer Dienstbarkeit. Im Wohnungsgrundbuch sind die Beteiligten zu 1) – 12) als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Mit einer notariellen, von der Verwalterin im Namen der Eigentümer unterzeichneten Urkunde wurde zugunsten der Beteiligten zu 13) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an dem Grundstück bestellt; die Eintragung in das Grundbuch wurde bewilligt. Auf den im Namen der Beteiligten gestellten Antrag des Urkundsnotars auf Grundbucheintragung erließ das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung, mit der das Fehlen der Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer beanstandet wurde. Unter Verweis auf einen Beschluss des OLG Nürnberg vom 12. Juli 2021 legte der Urkundsnotar Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ein. 

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, dass der Verwalter lediglich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nicht aber die einzelnen Wohnungseigentümer als Bruchteilseigentümer des Grundstücks vertreten könne (§§ 9a, 9b WEG). Im Namen der beteiligten Wohnungseigentümer legte der Urkundsnotar gemäß § 71 Grundbuchordnung (GBO) Beschwerde gegen die Zwischenverfügung beim zuständigen OLG München ein (§§ 72, 81Abs. 1 GBO). 

Laut Beschluss des OLG München hat die zulässige Beschwerde in der Sache keinen Erfolg. Das Grundbuchamt verlangt zu Recht die Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer, weil eine Grundbucheintragung gemäß § 19 GBO nur erfolgen kann, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Für die Eintragung einer Dienstbarkeit an den Miteigentumsanteilen der Beteiligten zu 1) – 12) bedarf es deren Bewilligungen. Die Bewilligung des Verwalters reicht hierfür nicht aus. Zwar wird die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, woraus das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2021 den Schluss gezogen hatte, dass der Verwalter auch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit am gemeinschaftlichen Grundstück in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft bewilligen könne. Richtigerweise ist dies von der Vertretungsmacht des Verwalters jedoch nicht umfasst. Von der Wohnungseigentümergemeinschaft als einem im Sinne des § 9a Abs. 1 S. 1 WEG vollrechtsfähigen Verband, der eigene Rechte und Pflichten hat und – vertreten durch den Verwalter – die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte und Pflichten sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausübt, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, ist (auch nach der Neufassung des WEG) die Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer im Sinne des § 1 Abs. 5 WEG, §§ 741 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu unterscheiden. Selbst wenn Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 18 Abs. 1 WEG ist, verbleibt das Eigentum selbst im Bruchteilseigentum der einzelnen Wohnungseigentümer.

Die Vertretungsmacht des Verwalters hingegen erstreckt sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9b Abs. 1 S. 1 WEG nur auf die Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine Vertretung der Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer durch den Verwalter ist in der Neufassung des WEG nicht mehr vorgesehen; § 9b Abs. 1 S. 1 WEG n. F. konstituiert ausdrücklich eine Ausnahme von der ursprünglich unbeschränkt vorgesehenen Vertretungsmacht. Gegenstand der Belastung durch eine Grunddienstbarkeit, deren Inhalt das gemeinschaftliche Eigentum betrifft, ist aber gerade das Grundstück als Ganzes, sodass die Belastung eine Verfügung über das Grundstück im Sinne des § 747 BGB darstellt und nicht zu den Verwaltungsmaßnahmen nach § 18 Abs. 1 WEG gehört. Die diesbezügliche Bewilligungsberechtigung im Sinne des § 19 GBO kommt daher allein den Wohnungseigentümern als Bruchteilseigentümern und nicht dem Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Bei der Eintragung einer Grunddienstbarkeit liegt auch keine Ausübung sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebender Rechte bzw. solcher Rechte der Wohnungseigentümer vor, die eine ein- heitliche Rechtsverfolgung erfordern (§ 9a Abs. 2 WEG). Der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nur die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zugewiesen, nicht aber die Entscheidung über das sachenrechtliche Grundverhältnis. Gegenstand der Ausübungsbefugnis sind folglich nur die Rechte, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben, nicht aber die Verfügung über das Eigentum selbst. Damit ist der Verwalter nicht gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG befugt, die Eintragung der Grunddienstbarkeit an dem Grundstück zu bewilligen.

Verwalterstrategie

Die Entscheidung des OLG München, die ausdrücklich die Rechtslage nach den durch die Reform des WEG eingeführten Änderungen behandelt, ist sicherlich geeignet, einige Missverständnisse aus dem Weg zu räu- men. Soll der Verwalter im Namen der Wohnungs- und Bruchteilseigentümer zu Erklärungen bzw. Verfügungen berechtigt sein, die das Eigentum selbst betreffen, und ist eine entsprechende Öffnungsklausel in der Teilungserklärung nicht vorhanden, muss dafür gesorgt werden, dass die erforderliche Vollmacht durch Rechtsgeschäft erteilt wird. War eine solche nicht vorhanden, besteht auch die Möglichkeit, nachträglich eine Genehmigung sämtlicher Wohnungseigentümer einzuholen.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com