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(BGH, Beschluss vom 19.7.2024 - Az. V ZR 102/23)
Mit der vollständigen Neufassung des § 28 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch das am 1. Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungseigen-tumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) herrscht(e) oftmals – bestärkt durch die uneinheitlichen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung – Unsicherheit darüber, wie der Beschlusswortlaut zu lauten hat. Es verwundert daher nicht, dass die Gerichte über vielfältige Varianten zu entscheiden hatten. Das nachstehende Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) bringt nun Rechtssicherheit für die Praxis. Denn ein nach dem 30. November 2020 gefasster Beschluss, durch den „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ genehmigt werden, ist nicht (teil-)nichtig, sondern nächstliegend dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss über die Abrechnungsspitze fassen wollten.
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Eigentümer fassten in der Eigentümerversammlung vom 28. Juli 2021 zu TOP 3 folgenden Beschluss, gegen den sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage wendet: „Die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 werden in der Fassung mit Druckdatum vom 11.05.2021 genehmigt. Die Abrechnungsspitzen sind zum 01.09.2021 fällig.“
Erstinstanzlich hat der Kläger keinen Erfolg. Das zweitinstanzliche Gericht hingegen hat das Urteil abgeändert; der zu TOP 3 gefasste Beschluss sei insoweit nichtig, als die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen genehmigt wurden. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer beschränkt auf die Beschlusskompetenz zugelassenen Revision mit Erfolg.
Eine Nichtigkeit des zu TOP 3 gefassten Beschlusses kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf eine mangelnde Beschlusskompetenz der GdWE gestützt werden.
Mit dem Inkrafttreten des WEMoG zum 1. Dezember 2020 und der danach geltenden Fassung des § 28 Abs. 2 WEG beschließen die Wohnungseigentümer nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage beschränkt sich der Beschlussgegenstand damit auf die Abrechnungsspitzen und nicht mehr auf das der Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer zugrunde liegende Zahlenwerk, das nach dem Inkrafttreten des WEMoG ausschließlich der Beschlussvorbereitung dient.
Ein Beschluss über die „Genehmigung der Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ ist objektiv und „aus sich heraus“ auszulegen. Ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte, ist anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer im Einklang mit der Gesetzeslage und damit keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen. Die nächstliegende Auslegung nach diesen Grundsätzen ergibt, dass die Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 2 WEG lediglich über die Abrechnungsspitzen und damit über die Höhe der in den Einzelabrechnungen ausgewiesenen Nachschüsse oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen. Die Wohnungseigentümer sind zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet. Im Zweifel ist daher anzunehmen, dass sie nicht über das gesamte Zahlenwerk, sondern dem Gesetz entsprechend nur über die Abrechnungsspitzen entscheiden wollten. Der zu TOP 3 gefasste Beschluss ist in diesem Sinne auszulegen; die Beschlusskompetenz der GdWE folgt hierzu aus § 28 Abs. 2 S. 1 WEG.
VERWALTERSTRATEGIE:
Mit der vorstehenden Entscheidung setzt der BGH seine Rechtsprechung fort. Bereits mit Beschluss vom 25. Oktober 2023, Az.: V ZB 9/23, hatte er festgestellt, dass ein nach dem Inkrafttreten des WEMoG gefasster Beschluss, der die „Genehmigung des Wirtschaftsplans“ vorsah, nächstliegend dahingehend auszulegen ist, dass die Wohnungseigentümer einen Beschluss lediglich über die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) fassen und sich damit gesetzeskonform verhalten wollten. Diese Auslegungsgrundsätze wendet der BGH nun auch auf den Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG an und erleichtert damit im Sinne der Gesetzesreform die Praxis. Hätte der BGH – wie die Instanzrechtsprechung – die Beschlüsse mangels Beschlusskompetenz für (teilweise) nichtig erkannt, widerspräche dies dem Ziel, die Gerichte zu entlasten. Auch wenn bei einer Beschlussfassung über die „Genehmigung des Wirtschaftsplanes/der Jahresabrechnung“ nun in der Regel ein gerichtliches Vorgehen hiergegen keinen Erfolg haben wird, entspricht es dennoch ordnungsgemäßer Verwaltung und den Pflichten eines Verwalters, die Beschlussformulierungen an die geltende Gesetzeslage anzupassen.
Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
https://www.bubmemmingerpartner.de/