16.09.2024 Ausgabe: 7/21

WEG-Recht: Ein konkretes Datum für die Fälligkeit der Jahresabrechnung lässt sich dem Sinn und Zweck des Gesetzeswortlautes nicht entnehmen.

(LG Koblenz, Urteil vom 5.2.2024 – Az. 2 S 34/23 WEG)

Das Thema

Die nachstehende Entscheidung setzt sich mit einem der häufigsten Streit- und Diskussionspunkte innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) auseinander, der Erstellung der Jahresabrechnung. Spätestens seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungs-gesetzes (WEMoG) und der damit einhergehenden Stärkung des Verbandes steht fest, dass grundsätzlich jeder Eigentümer gegenüber der GdWE die Erstellung der Jahresabrechnung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung nach §§ 18, 28 Abs. 2 Wohnungseigentums-gesetz (WEG) verlangen kann. Zwar regelt das Gesetz in § 28 Abs. 2 S. 2 die Organzuständigkeit des Verwalters, die Jahresabrechnung zu erstellen, lässt jedoch – wie schon vor Inkrafttreten des WEMoG – die Frage offen, wann diese Pflicht fällig und damit durchsetzbar wird. Ob die zum alten Recht vereinzelt in Literatur und Rechtsprechung vertretene Ansicht, die forderte, dass die Jahresabrechnung bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zu erstellen sei, auch nach der Neufassung des § 28 WEG Anwendung findet, hat das Landgericht (LG) Koblenz in nachfolgender Entscheidung beantwortet und mit überzeugenden Argumenten verneint.

Der Fall

Der Kläger ist Mitglied der beklagten GdWE. Mit seinem an deren Verwalterin gerichteten Schreiben vom 1. August 2022 fordert der Kläger die Erteilung der Gesamtabrechnung und der Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 an jeden Eigentümer. Die Verwalterin informierte daraufhin den Kläger, dass die „Abrechnung bereits in Arbeit sei“; eine Übersendung innerhalb der gesetzten Frist erfolgte nicht, was den Kläger veranlasste, am 29. August 2022 Klage einzureichen.

Am 19. September 2022 wurden die Gesamt- und die Einzelabrechnungen den Wohnungseigentümern übersandt. Der Kläger erklärte sodann den Rechtsstreit für erledigt, die Beklagte widersprach.

Das Amtsgericht hat erstinstanzlich festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Der Anspruch des Klägers sei ursprünglich zulässig und begründet ge­wesen, u. a. sei die Jahresabrechnung spätestens bis zum 30. Juni 2022 zu erstellen gewesen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil und verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren mit Erfolg weiter. Eine (teilweise) Erledigung des Rechtsstreits ist entgegen den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht eingetreten.

Der mit Inkrafttreten des WEMoG neu gefasste und im hiesigen Fall anwendbare § 28 bestimmt in Abs. 2 zwar, dass die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nach­schüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse nach dem Ablauf eines jeden Kalenderjahres beschließen und der Verwalter zu diesem Zweck eine Abrechnung aufzustellen hat. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist jedoch, wann die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung fällig wird und damit einen durchsetzbaren und einklagbaren Anspruch zugunsten des Klägers darstellt. Rechtsfehlerfrei hat das erstinstanzliche Gericht insoweit festgestellt, dass das Gesetz keine Frist für die Erstellung der Jahresabrechnung vorsieht und auch kein Fall der sofortigen Fälligkeit im Sinne von § 271 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegeben ist. Rechts­fehlerhaft hat das Amtsgericht hingegen die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung auch auf das neue Recht über­tragen und eine Fälligkeit der Erstellung der Jahresabrechnung zum 30. Juni 2022 angenommen. Nach § 28 Abs. 2 WEG hat die GdWE bis zum Ablauf des Folgejahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse Beschluss zu fassen. Die Abrechnung als Grundlage dieses Beschlusses muss demnach den Eigentümern so rechtzeitig vorliegen und vom Verwalter erstellt sein, dass sie unter Beachtung der dreiwöchigen Ladungsfrist nach § 24 Abs. 4 S. 2 WEG auf der mindestens einmal im Jahr durchzuführenden Eigentümerversammlung einen Beschluss zum TOP „Einfordern von Nachschüssen und Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“ fassen können. Ein konkretes Datum für die Fälligkeit, insbesondere vor Ablauf des dritten Quartals, lässt sich hingegen dem Sinn und Zweck des Gesetzeswortlautes nicht entnehmen. Auch sind weitergehende schützenswerte Belange des Klägers nicht ersichtlich, die die Fälligkeit des Anspruchs auf Erstellung der Jahresabrechnung zum 30. Juni 2022 begründen könnten. Insbesondere kann der Kläger sein allgemeines Informations­bedürfnis durch das ihm jederzeit zustehende Recht zur Einsicht in die Verwaltungsunterlagen befriedigen.


VERWALTERSTRATEGIE

Die Entscheidung des LG Koblenz wird den Bedürfnissen der Praxis gerecht. Der noch vor dem Inkrafttreten des WEMoG geforderten Erstellung der Jahresabrechnung jeweils bis einschließlich zum 30. Juni eines jeden Jahres konnte in den meisten Fällen aus tatsächlichen Gründen – oftmals liegen die Ergebnisse der Messdienstleister nicht rechtzeitig vor – nicht gerecht werden. Hinzu kommt, dass sich Anhaltspunkte für die Annahme einer Fälligkeit zum 30. Juni eines jeden Jahres weder im ausdrücklichen Gesetzeswortlaut finden noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift erschließen. Eine höchstrichterliche Entscheidung, nach der sich die Praxis zu richten hat, bleibt abzuwarten. Bislang ist der Praxis zu raten, die Abrechnung jedenfalls so rechtzeitig zu erstellen und vorzulegen, dass den einzelnen Wohnungseigentümern unter Einhaltung der ordentlichen Ladungsfrist eine Befassung mit der Abrechnung und Prüfung dieser möglich ist.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Kanzlei Bub Memminger & Partner, München