07.09.2022 Ausgabe: 6/22

WEG-Recht: Ersatzanspruch des Verwalters bei Hinwegsetzung über einen WEG-Beschluss

(BGH, Urteil vom 10.12.2021 – Az. V ZR 32/21

Das Thema

Ein interessanter Fall, in dem sich der Bundesgerichts­hof (BGH) mit der Frage nach den Ersatzansprüchen eines Verwalters beschäftigt, der sich über einen Beschluss der Wohnungseigentümer hinweggesetzt hat, zur Durchführung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftsei­gentum eine bestimmte Firma zu beauftragen. Der BGH trifft eine sehr ausgewogene Entscheidung und klärt dabei die – sowohl für das alte als auch das neue Recht relevante – in Rechtsprechung und Literatur bisher umstrittene Frage nach der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts auf Ersatzan­sprüche des Verwalters im Zusammenhang mit Maß­nahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.

Der Fall

Die Beklagte war bis zum 31. Dezem­ber 2015 Verwalterin der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentü­mer. Im Jahr 2014 beschlossen diese, für ein Gesamtvolumen von rund 40.000 Euro brutto die Firma K mit der Erneuerung von Eingangstüren und Briefkastenanlagen zu beauftra­gen. Die Beklagte hingegen beauftragte eine andere Firma, die ein günstige­res Angebot abgegeben hatte und die Arbeiten für 36.300,83 Euro ausführte. Sie beglich die Rechnungen aus Mitteln der Klägerin, die jedoch die Genehmigung des Vertrages verweigerte. Die von der Beklagten beauftragte Firma B wurde im August 2017 im Han­delsregister gelöscht, nachdem das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet worden war. 

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der an die Firma B geleisteten Zahlungen. Die Beklagte hat gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit nach ihrer Darstellung in gleicher Höhe bestehenden Gegen­ansprüchen erklärt, die Klägerin sei nach Durchführung der Sanierungsmaßnahme in dieser Höhe bereichert. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht bejaht einen Zahlungs­anspruch der Klägerin in Höhe von 36.300,83 Euro nach §§ 675, 667 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Zahlung an die Firma B sei eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Geldern der Klägerin, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, dieses Unternehmen ent­gegen dem von den Wohnungseigentümern gefassten Beschluss zu beauftragen. Der Beklagten hingegen stehe kein Gegenanspruch zu, weil es dem Verwalter ohne Wei­teres zumutbar sei, das gesetzlich vorgesehene Verfahren gemäß § 21 Abs. 4 des alten Wohnungseigentumsgeset-zes (WEG a. F.), entspricht § 18 Abs. 2 WEG neu, der auch einem Verwalter gegenüber gelte, unter Wahrung der Beschlusshoheit der Wohnungseigentümer zu beachten, um diese davor zu schützen, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Die Revision der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt, hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die streitgegenständlichen Ansprüche beurteilt der BGH nach der bis zum 30. November 2020 geltenden Fas­sung des WEG, da der maßgebliche Sachverhalt bereits abgeschlossen ist. Zwar stehe der Klägerin gemäß §§ 675 Abs. 1, 667 Alt. 1 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der dieser zur Erfüllung ihrer Aufgaben überlassenen und durch die an die Firma B geleisteten Zahlungen nicht bestimmungsgemäß verbrauchten Gel­der der Gemeinschaft in Höhe von 36.300,83 Euro zu. Im Ergebnis bestehe jedoch auch ein Gegenanspruch der Beklagten auf Ersatz der ihr bei der Geschäftsführung für die Gemeinschaft entstandenen Aufwendungen. Der Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus § 670 BGB. Zwar ist der Verwaltervertrag ein auf Geschäftsbesor­gung gerichteter Dienstvertrag, sodass die Kosten aus der Ausführung der Geschäftsbesorgung nicht vom Beauf­tragten, sondern vom Auftraggeber zu tragen sind, in dessen Interesse die Geschäftsbesorgung erfolgt. Der Verwalter muss allerdings als ein im fremden Interesse handelnder Geschäftsbesorger die Beschlüsse der Woh­nungseigentümer gemäß dem ihm bekannten Willen und dem Interesse der Wohnungseigentümer durch­führen, sodass – nachdem die Beklagte von dieser Ver­pflichtung abgewichen ist – ein Anspruch unmittelbar aus § 670 BGB nicht gegeben ist.

Ob dem Verwalter ein Erstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft aus den allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts zuste­hen kann, wenn er eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhal­tungsarbeiten am Gemeinschafts­eigentum durchführen lässt, die weder durch einen Beschluss der Gemeinschaft noch von seiner Not-geschäftsführungskompetenz nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG a. F. (nunmehr § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG) gedeckt sind, ist umstritten.

Der BGH entschied die streitige Frage nun dahingehend, dass die allgemeinen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts Anwendung finden. Dies gilt sowohl für das alte als auch für das neue, nach Inkraft­treten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgeset-zes am 1. Dezember 2020 geltende Recht. Der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts wäre nur dann ausgeschlossen, wenn gesetzliche Sonderregelungen bestünden, die dem Verwalter vorrangig die Möglichkeit geben würden, den Erfolg selbst herbeizuführen. Zwar enthält § 21 Abs. 4 WEG a. F. (entspricht § 18 Abs. 2 WEG) für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums eine solche Sonderrege­lung. Damit ist es dem einzelnen Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht gestattet, Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen, da ihm in Bezug auf das Gemeinschafts­eigentum die Einwirkungskompetenz fehlt. Eine Sonder­regelung, die dem Verwalter die Kompetenz abspricht, Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen, enthält das Wohnungseigentumsgesetz dagegen gerade nicht. Die Regelung in § 21 Abs. 4 WEG a. F. (entspricht § 18 Abs. 2 WEG) gilt nicht für Verwalter, weil diesen bereits nach dem gesetzlichen Leitbild des WEG auf­grund ihrer Organstellung eine Handlungs- und Ent­scheidungskompetenz für Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zukommt (vgl. § 27 Abs. 1 WEG in der seit 1. Dezember 2020 geltenden Fassung zu den nunmehr erweiterten Befugnissen des Verwalters). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Pflichtenstellung und Kompetenzen von Wohnungsei­gentümern und Verwalter steht die Sonderregelung des § 21 Abs. 4 WEG a. F. (entspricht § 18 Abs. 2 WEG) der Anwendbarkeit von bereicherungsrechtlichen Ersatz­ansprüchen oder solchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Verhältnis Gemeinschaft – Verwalter nicht entgegen. Eigenmächtige pflichtwidrige Maßnahmen des Verwalters im Zusammenhang mit der Instandset­zung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums im Einzelfall ändern nichts daran, dass der Verwalter im Grundsatz – anders als der einzelne Wohnungseigen­tümer – zu einer Einwirkung auf das Gemeinschaftsei­gentum berechtigt ist. Deswegen kann dem Verwalter, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhal­tungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, gegenüber der Gemeinschaft ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungs­recht zustehen. Die Interessen der Wohnungseigentü­mer werden dadurch nicht verletzt, weil dem Verwalter, der sich über einen Beschluss der Wohnungseigen­tümer und damit über ihren erklärten Willen hinweg­gesetzt hat, nicht der Anspruch aus einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB zusteht, sondern der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 684 BGB auf die Vorschriften über die unge­rechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) beschränkt ist. Damit ist sichergestellt, dass die Wohnungseigentü­mer keinen Ersatz für Maßnahmen leisten müssen, die für sie ohne Wert sind.

In der Folge ist der Ersatzanspruch des Verwalters in diesen Fällen grundsätzlich auf Ausgleich der Werter­höhung der Anlage gerichtet, die die von ihm veranlass­ten Maßnahmen bewirkt haben. Jedenfalls dann, wenn die Maßnahmen der Planung der Wohnungseigentümer entsprachen, sind dagegen ihre ersparten Aufwendun­gen maßgeblich. Zur Ermittlung der Höhe eines Erstat­tungsanspruchs der Beklagten ist der objektive Wert der erbrachten Leistung festzustellen unter Berücksichti­gung der konkreten tatsächlichen Umstände im Einzel­fall (etwaige Unvollständigkeiten und Mängel im Gewerk oder, wie hier, die wirtschaftlichen Nachteile, die damit verbunden sind, dass die Verwalterin statt des von den Wohnungseigentümern gewünschten ortsansässigen Traditionsunternehmens mit persönlich haftender Inhaberin ein erst 2014 gegründetes unbekanntes Unternehmen in der Rechtsform einer haftungsbeschränkten UG beauf­tragt hat). Zudem kann eine Verringerung des Ersatzan­spruchs gerechtfertigt sein, wenn die Eigenmächtigkeit, wie hier, darin liegt, dass der Verwalter sich über die Ent­scheidung der Wohnungseigentümer hinweggesetzt hat, eine bestimmte Firma zu beauftragen. Das kommt ins­besondere in Betracht, wenn die künftige Durchsetzung etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen die vom Ver­walter beauftragte Firma weniger Erfolg versprechend erscheint, oder wenn es den Wohnungseigentümern dar­auf ankam, die bestehende Geschäftsbeziehung zu der von ihnen gewählten Firma zu festigen, um sich dadurch in Zukunft die schnellere Ausführung von Arbeiten, die Durchführung von Kleinreparaturen und Wartungen oder ähnliche Vorteile zu sichern. Die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Nachteile aus der Beauftragung eines anderen Unternehmens lassen sich durch einen Abschlag vom Erstattungsanspruch des Verwalters berücksichtigen, der – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – bis zu 20 Prozent betragen kann.


Verwalterstrategie

Die Entscheidung ist für Verwalter insoweit interessant, als sie zu einen die Funktion des Verwalters innerhalb der Gemeinschaft unterstreicht und zum anderen lehrreich ist für den Fall, dass sich der Verwalter über den erklärten Willen der Gemeinschaft hinwegsetzen möchte.

 

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com