20.10.2022 Ausgabe: 7/22

WEG-Recht: Fehler vor und nach der Verwalterbestellung in der Aufteilungsphase

(BGH, Urteil vom 11.3.2022 – Az. V ZR 77/21)

Das Thema
Der Bundesgerichtshof (BGH) veranschaulicht anhand eines einfachen Falls einige Fehler, die in der Gründungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft unterlaufen können, und zeigt gleichzeitig auf, dass sie nicht immer Einfluss auf die mit diesen Fehlern behaftete Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung haben müssen.

Der Fall
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In § 11 der Teilungserklärung aus dem Jahr 2017 findet sich die folgende Bestimmung: „Zum ersten Verwalter wird die [Bauträgerin] bestellt. Ihr obliegt das Recht, bis zum vollständigen Bezug des Objekts für einen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 einen anderweitigen Verwalter einseitig zu bestimmen.

“ Im April 2019 – zu einem Zeitpunkt, als die Anlage noch nicht vollständig bezogen war – bestimmte die Bauträgerin die Firma L GmbH & Co. KG zur Verwalterin und schloss mit dieser einen Verwaltervertrag. Mit Schreiben vom Mai 2019 lud die Verwalterin zur ordentlichen Eigentümerversammlung für Juni 2019 ein. In der Versammlung, bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sämtliche stimmberechtigten Wohnungseigentümer anwesend waren, wurden Beschlüsse über den Wirtschaftsplan für das Jahr 2019 und über den Plan für die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage 2019 gefasst. 

Der dagegen gerichteten Beschlussmängelklage der klagenden Wohnungseigentümerin, welche im Januar 2019 in das Grundbuch eingetragen worden war, hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will die Klägerin weiterhin erreichen, dass die Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Der BGH befand die Revision als unbegründet. 

Zu Anfang stellt der BGH fest, dass die beklagten übrigen Wohnungseigentümer von dem von der Firma L beauftragten Prozessbevollmächtigten wirksam in dem Gerichtsverfahren vertreten waren. Selbst wenn unterstellt würde, dass die Verwalterbestellung unwirksam war, führte die Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der Verwaltung analog § 47 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) weder zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen, die der Verwalter namens der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber Dritten vorgenommen hat, noch zur Unwirksamkeit des Verwaltervertrags, weil der Fortbestand von Rechtsgeschäften des bestellten Verwalters bis zur rechtskräftigen Aufhebung seiner Bestellung einem Bedürfnis des Verkehrsschutzes entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2019, Az. V ZR 278/17). Selbst wenn sich das nicht ohne Weiteres auf eine einseitige Verwalterbestellung – bei der es an einem vorausgegangenen Beschluss fehlt – übertragen lässt, besteht ein Bedürfnis nach dem Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs auch im Falle einer einseitigen Bestellung. Jedenfalls für ein Beschlussmängelverfahren, in dem die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters durch den teilenden Eigentümer im Streit steht, ist der Verwalter als berechtigt anzusehen, die beklagten übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) a. F. zu vertreten und für diese Zustellungen gemäß § 45 Abs. 1 WEG a. F. entgegenzunehmen. Dies ist als Mittel zum Zweck anzusehen, damit die Wirksamkeit der Verwalterbestellung in der Sache überhaupt geklärt werden kann. Anders ist es nur dann, wenn der einseitig bestellte Verwalter ausnahmsweise wegen eines konkreten Interessenkonflikts gemäß § 45 Abs. 1 WEG a. F. als Zustellungsvertreter ausgeschlossen ist. Dass die organschaftliche Vertretungsbefugnis insoweit unterstellt wird, liegt insbesondere auch im Interesse des klagenden Wohnungseigentümers. Andernfalls wäre der Verwalter nämlich von vornherein nicht Zustellungsvertreter im Sinne von § 45 Abs. 1 WEG a. F., obwohl im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht geklärt wäre, ob seine Bestellung unwirksam ist, mit der Konsequenz, dass schon eine an ihn vorgenommene Klagezustellung unwirksam wäre. 

Den streitgegenständlichen Sachverhalt beurteilt der BGH nach dem WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung, da der maßgebliche Sachverhalt bereits abgeschlossen ist. Beschlussmängel liegen demnach nicht vor:

Zwar sei die Firma L nicht wirksam zur Verwalterin bestellt worden, sodass sie nicht gemäß § 24 Abs. 1 WEG a. F. befugt war, die Eigentümerversammlung einzuberufen. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung wie § 11 der Teilungserklärung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist unter Geltung des WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung jedenfalls insoweit gemäß § 26 Abs. 1 S. 5 WEG a. F. unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll. Auch wenn es im Grundsatz zulässig ist, dass der teilende Eigentümer sich zum ersten Verwalter bzw. bereits in der Teilungserklärung einen ersten Verwalter unter Beachtung der in § 26 Abs. 1 S. 2 bis 4 WEG a. F. enthaltenen Vorgaben bestellt (Grund: praktisches Bedürfnis angesichts der Notwendigkeit von Verwaltungsmaßnahmen bei Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft), ist eine einseitige Verwalterbestellung nicht mehr möglich, sobald die (werdende) Eigentümergemeinschaft entstanden ist. Von diesem Zeitpunkt an beschließen gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 WEG a. F. die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit über die Bestellung des Verwalters. Infolgedessen ist anerkannt, dass eine in der Teilungserklärung ohne weitere Einschränkungen eingeräumte Befugnis zur Bestellung des ersten Verwalters grundsätzlich mit der Entstehung der werdenden Eigentümergemeinschaft endet. Die Regelung in § 11 der Teilungserklärung ist angesichts dessen jedenfalls insoweit gemäß § 26 Abs. 1 S. 5 WEG a. F. in Verbindung mit § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig, als das einseitige Bestellungsrecht auch nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen soll. Die im April 2019 erfolgte Bestellung der Firma L ist unwirksam, da sich zu dieser Zeit die werdende Eigentümergemeinschaft bereits in die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne umgewandelt hatte, da jedenfalls die Klägerin im Januar 2019 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden war. Die Bestellung eines anderen Verwalters hätte demnach durch Beschluss der (werdenden) Wohnungseigentümer erfolgen müssen (§ 26 Abs. 1 S. 1 WEG a. F.).

Die Unwirksamkeit der Verwalterbestellung führt jedoch nicht dazu, dass die in der einberufenen Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären sind. Obwohl die Einberufung entgegen § 24 Abs. 1 WEG a. F. nicht durch den Verwalter erfolgt ist, handelte es sich bei der einberufenen Versammlung um eine Eigentümerversammlung, da die Firma L aufgrund der einseitigen Bestellung jedenfalls potenziell einberufungsberechtigt war. Infolgedessen kommt es auf die Frage an, ob sich die fehlende Berechtigung zur Einberufung auf die gefassten Beschlüsse ausgewirkt hat. Dies ist hier zu verneinen. Denn der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird jedenfalls dann geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen, wobei es nicht darauf ankommt, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war. 

Nachdem hier sämtliche stimmberechtigten Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung anwesend waren, ist der Mangel geheilt worden.

Verwalterstrategie
Die Entscheidung befasst sich mit den Fehlern die im Zusammenhang mit der Verwalterbestellung in der Aufteilungsphase passieren und gibt einen guten Überblick über die Mechanismen zum Ausgleich widerstreitender Interessen. Insbesondere Verwalter, die in der Aufteilungsphase bestellt wurden, können der Entscheidung praktische Hinweise entnehmen.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com