23.01.2019 Ausgabe: 1/19

WEG-RECHT: Rechtliche Bewertung eines von den Vorgaben der Heizkostenverordnung abweichenden Beschlusses

(BGH, Urteil vom 22.6.2018, Az. V ZR 193/17)

DAS THEMA

Die Heizkostenverordnung (HeizkostenV) wurde geschaffen, um einerseits im Bereich der Gebäudeheizung und der Warmwasserbereitung den Energieverbrauch zu reduzieren und andererseits die Abhängigkeit von Primärenergieträgern zu verringern (BR-Drs. 632/80, 1). § 3 HeizkostenV regelt daher konsequent, dass ihre Vorschriften zwingend auf Wohnungseigentum anzuwenden sind und zwar unabhängig davon, ob durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer abweichende Bestimmungen über die Verteilung der Kosten für die Versorgung mit Wärme und Warmwasser getroffen worden sind. Welche Folgen hat es aber, wenn die Eigentümerversammlung einen Beschluss entgegen § 3 HeizkostenV fasst, der somit von deren Vorschriften abweicht, und anschließend nach diesem Beschluss handelt? Mit dieser Frage beschäftigte sich der BGH in vorliegendem Fall.

DER FALL

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. § 11 der Teilungserklärung legt bezüglich der Ermittlung der Kosten für Wärme und Warmwasserbereitung fest, dass diese auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen „z. Zt. zu jeweils 30 % Grundkosten und 70 % verbrauchsabhängige Kosten“ durchgeführt wird. Auf den Kläger entfielen somit gemäß der Einzelabrechnung „Energie und Betriebskosten“ für das Jahr 2015 Kosten in Höhe von 637,75 Euro. In der nächsten Eigentümerversammlung kam es zu einer Diskussion über die Richtigkeit der Heizkostenabrechnungen, da auf zwei Wohneinheiten ein vergleichsweise hoher Anteil der Heizkosten entfiel. Die Versammlung beschloss daraufhin unter TOP 3, einen Sachverständigen für Heizungstechnik mit der Ermittlung der Ursachen zu beauftragen. Sofern sich durch ihn keine verwertbaren Erkenntnisse ergeben sollten, die sich auf die Heizkostenabrechnung auswirken, soll die Abrechnung für 2015 nur nach Wohnfläche erfolgen. Da der Sachverständige in der Folge keine entsprechenden Erkenntnisse gewann, wurde beschlussgetreu eine neue Jahresabrechnung 2015 erstellt, wonach der Kläger für den Posten „Energie und Betriebskosten“ statt 637,75 Euro einen Betrag von 1.176,45 Euro bezahlen musste, somit 539,20 Euro mehr als in der letzten Abrechnung.

Der Kläger begehrte die Feststellung der Nichtigkeit des zu TOP 3 gefassten Beschlusses. Das Amtsgericht wies die Klage ab, eine Berufung des Klägers blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision zum BGH. Der BGH jedoch bestätigte die rechtliche Nachprüfung des Berufungsgerichts und führte aus, dass ein Beschluss, der entgegen der Heizkostenverordnung genehmigt wurde, in vorliegendem Fall lediglich anfechtbar, jedoch nicht nichtig ist. § 7 Abs. 1 HeizkostenV regelt die Verteilung der Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage dahingehend, dass mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen ist. Die übrigen Kosten sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 5 HeizkostenV nach der Wohn- oder Nutzfläche oder nach dem umbauten Raum zu verteilen. Die Teilungserklärung hält sich in diesem gesetzlichen Rahmen und auch die erste Heizkostenabrechnung, wonach der Kläger lediglich 637,25 Euro schuldet, wurde auf dieser Grundlage erstellt. Eine Abweichung von § 7 HeizkostenV ist nur unter den Voraussetzungen des § 9a Abs. 1 S. 1 HeizkostenV möglich, wenn der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden kann. In vorliegendem Fall lagen die Voraussetzungen des § 9a HeizkostenV aber nicht vor. Der angefochtene Beschluss war nicht mit der Heizkostenverordnung vereinbar, da er abweichend von § 7 HeizkostenV eine pauschale Abrechnung nach Wohnfläche enthielt. In Rechtsprechung und Literatur ist es umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beschluss, der mit den Vorgaben der Heizkostenverordnung nicht in Einklang steht, nichtig oder lediglich anfechtbar ist. Der BGH hat diese Rechtsfrage auch im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden. Ein Beschluss, so der BGH, mit dem die Wohnungseigentümer jedenfalls im Einzelfall – bezogen auf eine konkrete Jahresabrechnung – von den Vorgaben der Heizkostenverordnung abweichen, ist jedenfalls nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht alleine eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Genehmigen die Wohnungseigentümer nun eine Abrechnung, die von der Heizkostenverordnung abweicht, so ist der Beschluss auf Anfechtung für unwirksam zu erklären. Eine Nichtigkeit des Beschlusses kann letztlich auch deswegen nicht bejaht werden, da die Wohnungseigentümer mit Beschlusskompetenz für die Entscheidung über die Jahresabrechnung agiert haben, die sich aus § 28 Abs. 5 WEG ergibt und eine Nichtigkeit nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm dies erfordert. Da die Wohnungseigentümer die Abweichung nur für die Jahresabrechnung 2015 und somit nur für einen Einzelfall entschieden haben, liegt ein derartiger Verstoß gegen den Schutzzweck nicht vor.

Verwalterstrategie

Die Heizkostenabrechnung gehört zum jährlichen Standardgeschäft eines jeden Verwalters. Im Falle einer Beschlussfassung über die Jahres­abrechnung ist grundsätzlich darauf zu achten, dass sich der Beschluss im Rahmen der Regelungen der Heizkostenverordnung bewegt. Weicht ein solcher Beschluss nach diesem Urteil trotz aller Vorsicht im Einzelfall dennoch von der ­Heizkostenverordnung ab, kann dieser nur durch Anfechtungsklage in den entsprechenden gesetzlichen Fristen für unwirksam erklärt werden. Unterbleibt eine Anfechtung, wird der Beschluss bestandskräftig und damit wirksam. Der BGH hat sich noch nicht abschließend zu der Frage geäußert, ob Beschlüsse, die hingegen im Regelfall von der Heizkostenverordnung ­abweichen, ebenfalls lediglich anfechtbar oder doch nichtig sind. Diese Beschlüsse bieten daher ein nicht abschätzbares Risiko, das es mit besonderer Vorsicht bei der Beschlussfassung zu vermeiden gilt.

Foto: © F.Schmidt / Shutterstock.com


Warken, Victoria E.

Dr. Susanne Schießer
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

Victoria E. Warken
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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