26.05.2020 Ausgabe: 3/20

WEG-Verwaltung in Zeiten der Corona-Pandemie - Handlungsempfehlungen für Verwalter

Die Corona-Pandemie beeinflusst alle Lebensbereiche, auch die WEG-Verwaltung ist betroffen. Während unter normalen Umständen im ersten Halbjahr die Erstellung der Jahresabrechnungen und die Eigentümerversammlungen im Mittelpunkt der Verwaltertätigkeit stehen, stellte sich Ende Februar/Anfang März die Frage, ob letztere noch durchgeführt werden sollten, was schon ab dem letzten Drittel des März zumindest als Präsenzveranstaltung deutschlandweit nicht mehr möglich war.

Nun geht das Wohnungseigentumsgesetz davon aus, dass der Verwalter grundsätzlich nur die Beschlüsse der Eigentümer ausführt. Was aber soll er tun, wenn Eigentümerversammlungen nicht stattfinden dürfen? Wie können notwendige Beschlüsse herbeigeführt werden – und welche Alternativen zur Entscheidung haben Verwalter?

Der Umlaufbeschluss
Neben der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung sieht das Gesetz den sogenannten Umlaufbeschluss vor. Dieser außerhalb einer Eigentümerversammlung gefasste Beschluss ist gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung schriftlich erklären (§ 23 Abs. 3 WEG). Der Umlaufbeschluss ist sicherlich nicht geeignet, eine Eigentümerversammlung vollständig zu ersetzen; schließlich entwickeln sich manche Beschlussanträge erst in der Versammlung, nach der Diskussion mit den Eigentümern. Er stellt aber eine Möglichkeit dar, unaufschiebbare Beschlüsse herbeizuführen, allerdings mit sehr hoher Hürde: Nur wenn alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer schriftlich zustimmen, kommt der Beschluss zustande. Dies wird erfahrungsgemäß nur in kleinen Eigentümergemeinschaften erreicht, bei größeren ist dies unrealistisch. Erst die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes wird voraussichtlich etwas Erleichterung bringen: Statt der schriftlichen Zustimmung soll in Zukunft die Zustimmung in Textform (z. B. per E-Mail) ausreichen. An der Notwendigkeit, dass alle Eigentümer zustimmen müssen, wird sich nach dem derzeitigen Stand aber nichts ändern. Dies sollte der Gesetzgeber noch einmal überdenken: Wenn das Zustimmungserfordernis für das Zustandekommen von Umlaufbeschlüssen auf 50 Prozent gesenkt werden würde, wäre es möglich, dringend notwendige Beschlüsse auch außerhalb der Eigentümerversammlung auf diese Weise herbeizuführen.

Hilfe durch den Gesetzgeber
Weil nicht absehbar ist, wie lange die pandemiebedingten Einschränkungen gelten werden, hat der Bundestag am 25. März ein Gesetz beschlossen, das am 28. März in Kraft trat und bis zum 31. Dezember 2021 gelten soll. Zwei Regelungen beinhaltet es, die für Eigentümergemeinschaften gelten:

(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.

(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

Der Gesetzgeber ist der Auffassung, dass zwei Aspekte der WEG-Verwaltung vordringlich und übergangsweise geregelt werden müssen: Absatz 1 verdrängt den im Bestellungsbeschluss festgelegten Bestellungszeitraum des Verwalters und die Höchstfristen gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 WEG. So soll verhindert werden, dass die Verwalterbestellung endet und keine neue erfolgt, da die Eigentümerversammlung nicht stattfinden kann. Die Regelung gilt sowohl für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft. Wer am 28. März 2020 Verwalter ist, bleibt es bis zur Abberufung durch die Eigentümer, bis zur Bestellung eines neuen Verwalters oder bis zum Außerkrafttreten des Gesetzes am 31. Dezember 2021. Hat ein Verwalter übersehen, dass seine Bestellung z. B. zum 31. Dezember 2019 ausgelaufen ist, ist er seit dem 28. März 2020 automatisch wieder Verwalter dieser Gemeinschaft. Sobald Eigentümerversammlungen wieder stattfinden können, kann es zur ordnungsgemäßen Neu- oder Wiederbestellung durch die Eigentümer kommen. Leider regelt das Gesetz nicht, dass der mit dem bisherigen Verwalter geschlossene Verwaltervertrag ebenfalls fortgilt. Auch kann der Verwalter während der gesetzlich angeordneten Fortgeltung das Verwalteramt niederlegen. Er muss aber darauf achten, dass er sich nicht nach den Grundsätzen der „Amtsniederlegung zur Unzeit“ schadensersatzpflichtig macht.

Absatz 2 regelt die Fortgeltung des zuletzt beschlossenen Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen. Viele Verwalter sind nach dem Urteil des BGH vom 14. Dezember 2018 bereits dazu übergegangen, bei der Beschlussfassung über einen konkreten Wirtschaftsplan dessen unbeschränkte Fortgeltung mitzubeschließen, um die Anspruchsgrundlage für den Einzug der Hausgelder zu erhalten. Die jetzige Regelung bietet nun auch Rechtssicherheit, wenn eine solche Fortgeltung nicht beschlossen wurde und sich auch nicht aus der Gemeinschaftsordnung ergibt. So ist die Liquidität der Eigentümergemeinschaften gesichert.

Jahresabrechnungen bedürfen auch weiterhin eines Beschlusses der Eigentümer, was erst dann wieder möglich sein wird, wenn Eigentümerversammlungen wieder stattfinden können. Es empfiehlt sich, Eigentümern die Jahresabrechnungen nach und nach schon zu übersenden und zu erläutern, warum derzeit keine Eigentümerversammlung stattfinden kann. Wollen Verwaltungsbeiräte die Abrechnungsunterlagen vorab schon einmal prüfen, könnte man ihnen ggf. ausnahmsweise die Abrechnungsunterlagen im Original z. B. per Paketdienst zusenden.

Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung
Keine Sonderregelung wurde vom Gesetzgeber für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung getroffen. Gerade die (größeren) Instandsetzungsmaßnahmen sind aber typischer Gegenstand von Eigentümerversammlungen. Häufig sehen Verwalterverträge vor, dass der Verwalter Aufträge bis zu einer bestimmten Summe eigenmächtig erteilen darf. Auch wenn viele Regelungen in den Verwalterverträgen nicht ganz unproblematisch sind, werden sie in der Praxis funktionieren. Für die laufenden Maßnahmen der erforderlichen ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung am gemeinschaftlichen Eigentum gibt § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG dem Verwalter darüber hinaus bereits eine Vertretungsmacht zur Auftragserteilung. Allerdings ist diese Vorschrift aufgrund der uneindeutigen Begriffe („laufend“, „erforderlich“ und „ordnungsmäßig“) nicht einfach zu handhaben.

Die Gesetzesbegründung für die Sonderregelungen weist den Verwaltern folgenden Weg: Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, in dringenden Fällen die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen; aus § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG folgt in diesen Fällen die Vertretungsmacht zum Abschluss entsprechender Verträge. Ein solcher dringender Fall liegt vor, wenn die vorherige Beschlussfassung der Eigentümer in der Eigentümerversammlung nicht möglich ist. Da derzeit keine Eigentümerversammlungen stattfinden können, darf und muss der Verwalter bei unaufschiebbaren Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung den Reparaturauftrag erteilen.

Eine Restunsicherheit für den Verwalter bleibt aber: § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WEG berechtigt ihn grundsätzlich nur zur Veranlassung solcher Maßnahmen, die eine Notlage beseitigen, bis eine Eigentümerversammlung durchgeführt werden kann. So bleibt es den Eigentümern vorbehalten zu entscheiden, wie der Schaden dauerhaft zu beheben ist. Da nicht absehbar ist, wann Eigentümerversammlungen wieder stattfinden können, ist die Umsetzung kostenintensiver Instandsetzungsmaßnahmen derzeit eher vertretbar als unter gewöhnlichen Umständen – allerdings nur dann, wenn die Finanzierung gesichert ist. Die Erhebung einer Sonderumlage ohne Beschluss der Eigentümerversammlung ist nicht möglich.

Die Eigentümer informieren
Verwaltern ist in dieser besonderen Situation Folgendes zu empfehlen: Wie oben beschrieben, sollten die Jahresabrechnungen versandt und die Eigentümer darüber informiert werden, dass Versammlungen derzeit nicht stattfinden können. Greift in einer Eigentümergemeinschaft eine der gesetzlichen Sonderregelungen zur Fortgeltung der Verwalterbestellung oder des Wirtschaftsplans, sollte hierüber ebenfalls informiert werden. Vor der Auftragsvergabe für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung ist sorgsam abzuwägen, anstehende Maßnahmen im Vorfeld z. B. mit den Verwaltungsbeiräten abzusprechen oder sogar die gesamte Gemeinschaft darüber zu informieren, um späterer Kritik vorzubeugen. Hier ist – genau wie in „normalen“ Zeiten – Fingerspitzengefühl gefordert.

Ausblick
Auch wenn derzeit noch nicht absehbar ist, wann Eigentümerversammlungen wieder stattfinden können, sollte der Gesetzgeber im Rahmen der WEG-Reform eines noch einmal überdenken: Wenn die Einladungsfrist tatsächlich von zwei auf vier Wochen verlängert wird, wird es für Verwalter noch schwieriger, das Pensum zu erfüllen, das durch ausgefallene und insofern nachzuholende Eigentümerversammlungen enorm angewachsen ist.

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Jahns, Andre

Geschäftsführer der Hausverwaltung Harte GmbH & Co. KG, Wolfenbüttel/Gifhorn