10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Wege aus dem Dilemma - Wie man Eigentümerversammlungen online oder hybrid durchführt, ohne die Rechte der Eigentümer zu verletzen. Ein Praxisbericht.

Verwalterinnen und Verwalter stecken oftmals im Dilemma: Es muss eine Entscheidung getroffen werden, je nach Coronalage sind aber keine Eigentümerversammlungen möglich. Die Eigentümer drängen auf Entscheidungsfindung. Was ist zu tun? Rechtlich wird diese Frage in verschiedenen Beiträgen in diesem Heft beantwortet. Fragt man Kollegen, ergibt sich, dass manche von ihnen gar keine Versammlungen durchgeführt haben, andere bis zu 90 Prozent. Was dies für den Verwaltungsbestand bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen. Nach aktueller Lage sind die Vorschriften bezüglich der Fortgeltung des Wirtschaftsplans und der Verwalterbestellung bis 31. August 2022 verlängert worden, und dieser Zeitpunkt rückt immer näher. Es muss sich also versammelt werden!

Um diesem Dilemma zu entgehen, haben wir von Anfang an auf digitale Eigentümerversammlungen gesetzt. Dabei kommt es bei allen Eigentümergemeinschaften darauf an, keinesfalls den Kernbereich der Rechte der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer zu verletzen. Wird es ihnen z. B. lediglich ermöglicht, ihr Stimmrecht durch die Erteilung einer Vollmacht mit Anweisungen auszuüben, könnten die Auseinandersetzung über die zu beschließenden Änderungen und eine Diskussion darüber nicht stattfinden. Sie sind aber im Rahmen der Willensbildung wesentliche Bestandteile der Eigentümerversammlung.


Not macht erfinderisch
In den Zeiten strikter Kontaktbeschränkungen, zu Beginn der Pandemie, haben wir immer zwei „Versammlungen“ durchgeführt, um zu einem Beschluss zu kommen. Die erste Versammlung war ein Eigentümertreff online, bei dem wir die „richtige“ Versammlung durchgespielt haben, und die Eigentümer konnten diskutieren, sich beraten und auf den Beschlussantrag Einfluss nehmen. Abgestimmt wurde nicht. Danach hatten die Eigentümer Zeit, eine Vollmacht an die Verwaltung zu senden. Die Entscheidung wurde dann auf einer Vollmachtsversammlung getroffen, die einige Tage später stattfand. Auf diesem Weg wollte ich die Verletzung des Kernbereiches der Eigentümerrechte umgehen, und es wurde in meinem Verwaltungsbestand kein Beschluss angefochten. Zur Sicherheit wurden die Beschlüsse dennoch in den Präsenzversammlungen 2021 formal wiederholt bzw. bestätigt.


Die Hybrid-Versammlung
Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) setzten wir auf Hybrid-Versammlungen und haben, weil es keine andere sinnvolle Möglichkeit gab, als ersten TOP jeder Versammlung die Ermöglichung der Hybridform nach dem Beschlussvorschlag des VDIV Deutschland gefasst. Er wurde bei allen so durchgeführten Versammlungen angenommen, und es gab auch hier keine Anfechtung. Damit haben wir unter dem Risiko der Anfechtung einen Kundenwunsch erfüllt. Ob man das auf sich nimmt, muss jede Verwaltung für sich abwägen. Die Eigentümer sind in der Regel froh, sich endlich wieder versammeln zu können.

Wegen der erforderlichen technischen Ausstattung finden in unserem Unternehmen Eigentümerversammlungen derzeit bei uns im Hause statt. Die dafür vorhandenen Räumlichkeiten begrenzen aber auch die Größe der hybrid zu versammelnden Gemeinschaften. Bei uns finden bis zu 20 Personen Platz, sodass viele Versammlungen tatsächlich stattfinden können. Erfahrungen mit Großwohnanlagen haben wir bislang nicht gemacht.


Zusatzkosten für Mehraufwand
Eine Hybridversammlung bedeutet in jedem Fall Mehraufwand, was auch eine Beschlussfassung über entstehende Zusatzkosten erforderlich macht. Zusätzlichen Aufwand bereiten beispielsweise die Klärung technischer Fragen im Vorfeld, bei externen Räumen der Technik-Check, die Kosten der Technik, die Moderation und zusätzliche Mitarbeiter, etwa der technische Moderator, sowie die Kosten für das Kommunikationsportal.

Drei Tage vor jeder Eigentümerversammlung erhalten die Eigentümer per E-Mail einen Zugangscode bzw. -link. Hilfreich ist es, auch ein Informationsmerkblatt mit Tipps und Tricks zur Online-Versammlung mitzusenden.

Fazit
Digital unterstützte und Hybrid-Versammlungen sind für die meisten Eigentümergemeinschaften derzeit noch Neuland. Sie werden sich aber als Standard etablieren, und immer mehr Gemeinschaften werden die Vorteile erkennen und diese Form der Versammlung wünschen. Verwaltungen ist daher dazu zu raten, sich mit dem Thema zu befassen und Erfahrungen zu sammeln.
 

Haase, Steffen

Chefredakteur VDIVaktuell
Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Haase & Partner GmbH; Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter Bayern e.V.; Vizepräsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V.; Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und Fachpublikationen.