19.10.2017 Ausgabe: 7/2017

Weniger Populismus, mehr Sacharbeit!

Deutschland hat vor knapp vier Wochen gewählt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Politik. Wo ist die neue Regierung mit Blick auf die private Immobilienwirtschaft gefordert? Dr. Kai H. Warnecke als Vertreter privater Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer im Interview.

Herr Warnecke, welche Wünsche haben Sie an die neue Bundesregierung?
Wohnungspolitik ist ein Thema, das viele Menschen bewegt und das häufig sehr emotional diskutiert wird. Ich würde mir wünschen, dass wir weg von populistischen Gesetzen wie der Mietpreisbremse und hin zu mehr Sacharbeit kommen. Unter anderem hat das von Bundesbauministerin Barbara Hendricks ins Leben gerufene Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen die Probleme und vor allem die Kostentreiber in der Bau- und Wohnungspolitik klar benannt. Darüber hinaus liegt der Bericht der Baukostensenkungskommission mit sehr konstruktiven Vorschlägen vor. Deren Umsetzung liegt aber auf Eis, obwohl eine spürbare Verbesserung nur zu erzielen ist, wenn diese Empfehlungen auch abgearbeitet werden. Ich möchte exemplarisch die Grunderwerbsteuer nennen. Die große Mehrheit der Bündnispartner plädiert für eine Absenkung der Grunderwerbsteuersätze auf „ein investitionsfreundliches Niveau“. Konkret passiert ist aber leider noch nichts.

Trotz historisch niedriger Zinsen können sich immer weniger Deutsche Wohneigentum leisten. Die Parteien setzen auf unterschiedliche Lösungsansätze: von der Senkung der Grunderwerbsteuer bis hin zur Einführung eines Baukindergeldes. Welche Instrumente sind sinnvoll?
Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, ein Baukindergeld oder auch Eigenkapitalzuschuss – mit all diesen Vorschlägen werden neue Fördertöpfe geöffnet, um die Steuerbelastungen der Eigentumserwerber teilweise zu kompensieren. Das ist aus meiner Sicht zu kompliziert, zu wenig zielgerichtet, zu teuer, und es verzerrt am Ende die ökonomischen Entscheidungen. Die generelle Absenkung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent ist die sinnvollste Lösung, um die Wohneigentumsbildung für Familien und als Alterssicherung zu fördern. Steuermindereinnahmen könnten zu einem erheblichen Teil durch die Besteuerung bisher steuerfreier Übertragungsvorgänge im gewerblichen Bereich, die sogenannten Share Deals, gegenfinanziert werden.

Wie stehen Sie zur Harmonisierung von WEG- und Mietrecht?
Das im BGB enthaltene Mietrecht und das WEG stehen zumeist ohne Berührungspunkte nebeneinander. Für Mieter gilt das BGB, für Wohnungseigentümer das WEG. Überschneidungen gibt es immer dann, wenn ein Eigentümer seine Wohnung vermietet. In der Vergangenheit wurde zu oft nicht darauf geachtet, ob die beiden Regelungen kompatibel sind. Im Verhältnis Eigentümer/Mieter gilt das Mietrecht, im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft muss sich der vermietende Eigentümer an das WEG und die sich aus ihm ergebende Teilungserklärung halten. Weil die gesetzlichen Grundlagen nicht aufeinander abgestimmt sind, führt dies unweigerlich zu Problemen: Der vermietende Eigentümer kann Vorgaben aus der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gegenüber seinem Mieter durchsetzen, ohne gegen mietrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Im aktuellen Rechtsrahmen lässt sich dies nicht lösen.

Was ist Ihrer Ansicht nach zu tun?
Der Anteil der vermietenden Wohnungseigentümer ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen und wird dies voraussichtlich auch weiter tun. Der Umstand, dass Miet- und WEG-Recht nebeneinanderstehen, muss aus meiner Sicht dringend angepackt werden. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen konkretisieren:

Beschließt eine Eigentümergemeinschaft eine energetische Modernisierung, ist der einzelne Eigentümer daran gebunden. Zwar müssen auch Mieter energetische Sanierungen grundsätzlich dulden, sie können sich jedoch unter Umständen auf einen Härtefall berufen oder die Maßnahme verzögern, wenn zum Beispiel die Modernisierungsankündigung nicht rechtzeitig erfolgte. In einem solchen Fall kann der vermietende Eigentümer zum einen den Mieter nicht zur Duldung der Maßnahme oder zur Zahlung verpflichten, zum anderen seine Pflicht gegenüber der Gemeinschaft nicht erfüllen.

Beispiel Nr. 2: Betriebskosten werden im Mietverhältnis häufig nach dem Anteil der Wohnfläche an der Gesamtfläche abgerechnet. Innerhalb einer Eigentümergemeinschaft berechnet sich die Umlage jedoch in der Regel nach Miteigentumsanteilen, welche nicht zwangsläufig der Wohnfläche entsprechen. Zwar kann der Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrages einen den Vorgaben der Gemeinschaft entsprechenden Verteilungsschlüssel vereinbaren, die Wohnungseigentümer können ihn aber im Nachhinein durch Beschluss ändern. Diese Änderung kann vom Vermieter nur mit dessen Zustimmung an den Mieter weitergegeben werden. Sonst muss er für den Mieter eine eigene Abrechnung erstellen, weil der Verteilungsschlüssel der Gemeinschaft nicht anwendbar ist.

Aus diesen Gründen würde ich mir wünschen, das Mietrecht mit dem WEG-Recht zu synchronisieren. Mietverhältnisse in Wohnungseigentümergemeinschaften müssen an die Flexibilität des WEG angepasst werden können, sodass wohnungseigentumsrechtliche Regelungen Vorrang bekommen. Nur so erhalten vermietende Eigentümer rechtliche Absicherung in beiden Vertragsverhältnissen und den Handlungsspielraum, Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft auch durchzusetzen.

Die letzte Reform des WEG liegt zehn Jahre zurück. Unterstützen Sie den DDIV in seiner Forderung, das Gesetz für Eigentümer, Immobilienverwalter und Gerichte zu vereinfachen?
Das WEG bedarf einer grundlegenden Überarbeitung hinsichtlich Transparenz und Anwenderfreundlichkeit. Hauptanwender ist der „normale“ Wohnungseigentümer, der nicht zwangsläufig ein ausgebildeter Jurist ist. Aus diesem Grund sollte das Gesetz klar und verständlich strukturiert und formuliert sein, auch um Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Eigentümergemeinschaft zu minimieren. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft wird nur dann gut funktionieren, wenn allen Mitgliedern die gesetzlichen Grundlagen bekannt sind. Dafür bedarf es letztendlich einer grundlegenden Strukturänderung des Gesetzes.

Dazu gehört es dann auch, die Beschlusskompetenzen und erforderlichen Mehrheiten kompakt und einfach darzustellen. Zurzeit kann der einzelne Wohnungseigentümer nur schwer erkennen, welche Beschlusskompetenzen der Gemeinschaft zustehen und mit welchen Mehrheiten einzelne Beschlüsse zu fassen sind. Gleichzeitig enthalten die Normen über die Beschlussmehrheiten viele unbestimmte und nur schwer abzugrenzende Rechtsbegriffe, zum Beispiel Instandhaltung und Instandsetzung, bauliche Maßnahmen oder modernisierende Instandsetzungen. Aus meiner Sicht entspricht das nicht den Anforderungen an ein Gesetz, das von Verbrauchern genutzt und angewendet werden kann.

In Deutschland fehlen jährlich rund 400 000 Wohnungen. Welche Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit der Wohnungsbau in Fahrt kommt?
Ich würde mir wünschen, dass wir mit der neuen Bundesregierung zu einer sachlichen Bau- und Wohnungspolitik zurückkehren. Beispielsweise sollten wir eine Energie- und Klimapolitik anstreben, die von den Menschen verstanden und akzeptiert wird. In erster Linie heißt das, dass die Ziele für jedermann einleuchtend, die Lastenverteilung fair und der Weg offen sein muss. Das schließt Zwang genauso aus wie die Festlegung auf bestimmte Technologien. Wenn große Investitionen nur noch minimale Verbesserungen bringen, muss man sie kritisch hinterfragen. Der zuletzt vorgelegte Klimaschutzplan trägt leider sehr starke planwirtschaftliche Züge, weil er das zukünftige Leben der Menschen detailliert regeln möchte. Die neue Bundesregierung muss hier dringend nachbessern.

Darüber hinaus sollten wir alles auf den Prüfstand stellen, was das Bauen und Wohnen in Deutschland verteuert. Ich denke hier neben der Energiepolitik vor allem an die Steuerpolitik. Über die schon erwähnte Grunderwerbsteuer hinaus muss die Reform der Grundsteuer neu gedacht werden. Wie die ersten Berechnungen gezeigt haben, gehen die Belastungen, die mit der aktuellen Reform verbunden wären, für Eigentümer und Mieter durch die Decke. Das ist für niemanden tragbar. Die Reform muss deshalb gestoppt und auf Neustart gedreht werden.

Foto: © Marcus_Hofmann / Shutterstock.com


VDIV Aktuell Autor - Martin Kaßler
Kaßler, Martin

Geschäftsführer 
Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V.