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Die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 2020 hat mit dem neuen § 23I, 2 WEG den gesetzlichen Rahmen dafür geschaffen, durch Beschlussfassung die virtuelle Teilnahme an Eigentümerversammlungen zu ermöglichen. Auch wenn seit Inkrafttreten der Regelung bereits mehr als ein Jahr vergangen ist, wird von ihr in der Praxis bislang nur zurückhaltend Gebrauch gemacht, obwohl das Andauern der Pandemie mit den Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen hierzu allen Anlass geben würde. Einer der Gründe hierfür ist die bislang ungeklärte Frage, wie mit technischen Schwierigkeiten in solchen hybriden Versammlungen umzugehen ist, damit Teilnehmerrechte nicht verletzt werden und es zu keiner Gefährdung der in der Versammlung gefassten Beschlüsse kommt.
Verantwortlich ist die Versammlungsleitung
Die Verantwortlichkeit für den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung trifft den Versammlungsleiter, im Regelfall also die Verwalterin oder den Verwalter. Die Gefahr für die Versammlungsleitung und damit ein eventuelles Haftungsrisiko besteht bei hybriden Versammlungen im Wesentlichen in einer Verletzung der Teilnehmerrechte aufgrund von technischen Störungen, beispielsweise Verbindungsabbrüchen und Bild- oder Tonstörungen, die dazu führen, dass Online-Teilnehmer ganz oder zeitweise von der Versammlung ausgeschlossen werden und infolgedessen nicht zuhören, mitdiskutieren oder gar abstimmen können. Dies kann zur Anfechtbarkeit der unter solchen Umständen dennoch gefassten Beschlüsse, in gravierenden Fällen, insbesondere bei einem vorsätzlichen Ausschluss, sogar zu deren Nichtigkeit führen. Eine solche Situation sollte die Versammlungsleitung verhindern.
Anders als das Aktienrecht sieht das WEG keinen gesetzlichen Anfechtungsausschluss bei einer Verletzung von Teilnehmerrechten wegen technischer Störungen vor. Grundsätzlich können daher bereits fahrlässig verursachte Beeinträchtigungen ausreichen, um eine Beschlussanfechtung zu rechtfertigen, sofern sich die Störung auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Entstehen aufgrund einer erfolgreichen Beschlussanfechtung Verfahrenskosten oder sonstige Schäden, weil der Beschluss nicht wie erwartet durchgeführt werden kann, steht hier eine Haftung der Versammlungsleitung, d. h. der Verwaltung, im Raum, wenn diese die fehlerhafte Beschlussfassung zu verantworten hat. Wie also verhält man sich, wenn es während einer hybriden Versammlung zu technischen Problemen kommt, damit Beschlussmängel und somit eine mögliche Haftung der Verwaltung vermieden werden?
Verantwortlichkeit nach Risikosphären
Für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang technische Störungen zum Handlungsbedarf durch die Versammlungsleitung führen, ist zunächst maßgeblich, aus welcher Sphäre diese stammen. Hat jemand von den teilnehmenden Eigentümerinnen oder Eigentümern Probleme mit der Internetverbindung, dem Computer oder mit der Bedienung der Software, kann hiermit
anders umgegangen werden als mit einer Störung der Technik im Versammlungsraum oder einer Fehlbedienung der Software durch die Versammlungsleitung. Generell gilt, dass jeder für die Störungen in seinem Risikobereich verantwortlich ist. Betrifft dies also die Technik im Versammlungsraum, was zu einer relevanten Beeinträchtigung der virtuell Teilnehmenden führt, weil diese ihre Rechte nicht mehr ordnungsgemäß ausüben können, ist eher an eine Unterbrechung oder schlimmstenfalls eine vorzeitige Beendigung der Versammlung zu denken, als wenn ein einzelner Eigentümer mit Computer- oder Internetproblemen kämpft.
Ermessen der Versammlungsleitung und Geschäftsordnungsbeschlüsse
Das der Versammlungsleitung zustehende Ermessen erlaubt es, unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls, auf die auftretenden Probleme angemessen zu reagieren. In Betracht kommen hier insbesondere kurzzeitige Unterbrechungen der Versammlung, die Verschiebung oder Vertagung von Tagesordnungspunkten und Beschlussfassungen bis hin zur vorzeitigen Beendigung der Versammlung.
Daneben besteht die Möglichkeit, die verbliebenen Eigentümer mittels Geschäftsordnungsbeschluss über die weitere Vorgehensweise entscheiden zu lassen. Beschließen diese, trotz der technischen Probleme mit der Versammlung fortzufahren, verhindert dies zwar keine Beschlussmängel, kann aber eine eventuelle Haftung der Versammlungsleitung ausschließen oder zumindest verringern.
Regelung durch Beschlussfassung?
Um derartige Entscheidungen entbehrlich zu machen und entsprechende Haftungsrisiken zu vermeiden, schlagen verschiedene Musterbeschlüsse (u. a. des VDIV Deutschland), mit denen Versammlungen für eine virtuelle Teilnahme nach § 23I, 2 WEG geöffnet werden, vor, folgende Regelung mit aufzunehmen: „Jeglicher Übertragungsfehler – gleich auf wessen Verantwortungsbereich dieser beruht – hindert den Fortgang der Eigentümerversammlung nicht. Der Online-Teilnehmer ist für einen solchen Fall darauf verwiesen, sich von einer anwesenden Person vertreten zu lassen.“
Ob eine derartige Regelung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wurde bislang noch nicht gerichtlich geklärt. Ebenso wenig, ob ein auf Grundlage einer solchen Regelung in einer Versammlung trotz technischer Schwierigkeiten gefasster Beschluss anfechtungsfest ist. Als verbindliche, von der Versammlungsleitung zu beachtende Weisung schränkt sie deren Handlungsfreiheit insoweit ein, als eine Unterbrechung oder vorzeitige Beendigung der Versammlung dann nicht mehr zulässig ist; auch nicht, wenn die technische Störung von der Versammlungsleitung selbst verschuldet wurde. Eine potenzielle Haftung lässt sich hiermit nicht verhindern, sodass eine derartige Regelung nach Meinung des Autors nicht empfehlenswert ist. Eine Ermessensentscheidung oder ggf. ein Geschäftsordnungsbeschluss im Einzelfall scheinen für eine Haftungsreduzierung daher besser geeignet.
Fazit
Die Verantwortlichkeit für einen ordnungsgemäßen Ablauf der hybriden Versammlung trägt die Versammlungsleitung, im Regelfall also die Verwalterin oder der Verwalter. Auf technische Störungen sollte anlassbezogen, unter Berücksichtigung des Einzelfalls, reagiert werden. Der Versammlungsleitung steht hier ein weites Ermessen zu, die Versammlung zu unterbrechen oder notfalls vorzeitig zu beenden sowie Tagesordnungspunkte und Beschlüsse zu vertagen. Dies kann auch durch Geschäftsordnungsbeschluss geregelt werden. Neben technischen Störungen können Haftungsrisiken auch aus der Nichteinhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften und der Verletzung wohnungseigentumsrechtlicher Grundsätze, z. B. der Nichtöffentlichkeit der Versammlung, resultieren. Auch hierauf sollte die Versammlungsleitung achten. Zur Minimierung entsprechender Risiken empfiehlt sich der Einsatz spezieller, für hybride Eigentümerversammlungen entwickelter Software. AGB-rechtlich wirksame Haftungsbeschränkungen im Verwaltervertrag können zumindest bei einfacher Fahrlässigkeit schützen.