06.09.2021 Ausgabe: 5/21

Wenn Zahlungen ausbleiben: Das Rechtsinstitut Zwangsverwaltung – wie funktioniert das eigentlich?

Es ist immer misslich, wenn Hausgeld ausbleibt, und zu befürchten ist leider, dass Hausverwaltungen sich verstärkt mittels Zwangsvollstreckung um das Inkasso Corona-bedingter Zahlungsausfälle kümmern müssen.

Dazu ein einfacher, idealisierter Sachverhalt: Eigentümer E zahlt schleppend bis gar nicht. Hausgelder sind wie Miete und Hunger: Kaum ist ein Bedarf bedient, kommt mit dem Folgemonat der nächste, und alles beginnt von vorn. Das monatliche Hausgeld beträgt in unserem Fall 200 Euro. Die Wohnung ist vermietet. Ihr Wert dürfte bei 200.000 Euro liegen. Im Januar bleibt E das Hausgeld schuldig. Die Hausverwaltung mahnt. Keine Reaktion. Nochmalige Mahnung, es ist bereits März. Ende April stellt die Hausverwaltung den gerichtlichen Mahnantrag für die Raten von Januar bis April in Höhe von 800 Euro.

Aus dem vorliegenden Titel (hier Vollstreckungsbescheid), der Mitte Juni vorliegt, kann sofort die Zwangsvollstreckung erfolgen. Die Hausverwaltung hat bereits einen Grundbuchauszug eingeholt. Daraus ist eine Grundschuld für die A-Bank von 180.000 Euro ersichtlich. Grundsätzlich kommen nun die folgenden Maßnahmen in Betracht:

Mobiliarvollstreckung
Die Mobiliarvollstreckung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher bzw. durch Forderungspfändung. Der Hausverwaltung ist das Konto des E bekannt und höchstwahrscheinlich auch, an wen die Wohnung ggf. vermietet ist. Vorteil: Die Vollstreckungsmaßnahmen verursachen relativ geringe Kosten. Sind sie erfolgreich, kommt das Geld (Hausgeld für Januar bis April zzgl. Kosten) rasch. Der Titel jedoch ist damit verbraucht, aber weitere Hausgelder laufen auf – und sind gerichtlich geltend zu machen. Unterhält E ein Pfändungsschutz-Konto, und die Miete ist bereits gepfändet oder abgetreten, war der Vollstreckungsversuch insoweit vergebens.

Sicherungszwangshypothek
Handelt es sich bei dem titulierten Betrag um mehr als 750 Euro, kann er auch im Grundbuch eingetragen werden. Er sichert die Eigentümergemeinschaft an rangletzter Stelle hinter der Bank ab, wobei aber wegen der Doppelnatur der Hausgelder in der Zwangsversteigerung der Betrag gleichzeitig für eine gewisse Zeit an Rangstelle 2 steht. Geld sieht die Eigentümergemeinschaft nicht, aber bei einem Verkauf ist die Hypothek abzulösen.

Zwangsversteigerung
Der Vorteil hierbei liegt darin, dass das titulierte Hausgeld bei rechtzeitiger Antragstellung in Rangklasse 2 und bei einer erfolgreichen Versteigerung nahezu immer gesichert ist. Die weiteren Hausgelder ab April ebenso. Diese werden auf Anmeldung in der Rangklasse 2, vor der Bank, zugeteilt. Außerdem wird die Eigentümergemeinschaft so gestellt, als hätte sie an letzter Rangstelle eine Sicherungshypothek, solange sie das Verfahren selbst betreibt. Der nicht zahlende Eigentümer wird bei einem Zuschlag durch einen hoffentlich potenteren ausgetauscht.

Nachteil: Eine Zwangsversteigerung ist ein tiefer Eingriff in die Rechte des Eigentümers. Die Verfahrenskosten belaufen sich auf 2.500 bis 5.000 Euro, weshalb der Bundesgerichtshof die Auffassung vertritt, Verwaltungen bedürfen zum aktiven Betreiben einer Zwangsversteigerung der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft, so nach altem Recht. Hieran dürfte sich nichts ändern. Hausverwaltungen können zwar ohne Rücksprache nach außen auftreten, sollten sich aber zur Absicherung gewisse Geschäfte intern genehmigen lassen.

Dies war nun ein Idealfall. Immer wieder kommt es aber vor, dass das Hausgeldinkasso etwas verzögert ist. Dann fallen Hausgelder aus dem Hausgeldprivileg heraus, wenn sie mehr als fünf Prozent des Verkehrswertes der Immobilie betragen. Hier ist Mitdenken gefragt, denn ohne Zwangsversteigerung gibt es keinen Verkehrswert. Man muss somit spekulieren, wie hoch dieser sein könnte. Auch verfristete Hausgelder verlieren das Vorrecht.

Zwangsverwaltung
Der Vorteil liegt hierbei darin, dass das Gericht einen Zwangsverwalter einsetzt. Dieser ist ab sofort für die Wohnung zuständig. Er hat einen Übernahmebericht zu fertigen, in dem alle wesentlichen Punkte über die Wohnung aufgeführt sein sollten. Die Zwangsverwaltung unterbricht Abreden über Mieten, Abtretungen und Pfändungen von Dritten werden unterlaufen. Ab der Beschlagnahme sammelt der Zwangsverwalter die Mietzahlungen ein. Hausgeld ist ab dem Monat der Beschlagnahme vorab ohne Weiteres zu zahlen, auch die Abrechnungsspitze. Wird in unserem Fall die Zwangsverwaltung noch im Juli angeordnet, muss der Zwangsverwalter Hausgelder ab diesem Monat bezahlen, ohne dass diese tituliert wären. Der Titel wird nicht verbraucht.

Nachteil: Die Kosten für Gericht und Zwangsverwaltung betragen mindestens 1.000 Euro. Eine Zuteilung auf die titulierten Hausgelder für Januar bis März erfolgt regelmäßig nicht, ebenso wenig auf die Hausgelder für Mai bis Juni, die während der Titulierung und bis zur Anordnung der Zwangsverwaltung entstanden sind. Überschüsse über die laufenden Kosten der Zwangsverwaltung sind der Bank zuzuteilen, auch wenn diese das Verfahren nicht selbst betreibt.

Der weitere Verlauf
Für die Anordnung der Zwangsverwaltung ist ein Antrag notwendig. Voraussetzung ist ein Vollstreckungstitel. Das Verfahren verläuft ab der Beantragung von Amtswegen, es wird im Grundbuch eingetragen und ein Zwangsverwalter bestellt. Damit ist die Tätigkeit des Gerichts zunächst erfüllt. Alles Weitere liegt beim Zwangsverwalter. Er hat Mieter zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass sie über die Beschlagnahme in Kenntnis gesetzt werden. Denn erst dann sind Mieter bösgläubig und können Mietzahlungen nur noch schuldbefreiend an den Zwangsverwalter richten.

Das hier beschriebene Verfahren wird Ende Juli angeordnet. Den Mieter ermittelt der Zwangsverwalter Anfang September. Die von diesem rechtzeitig gezahlten Mieten für August und September sind für den Zwangsverwalter damit verloren. Ab Oktober kann er die Miete in Höhe von 450 Euro zzgl. 150 Euro Nebenkosten einziehen und wird zunächst eine Rücklage für die Gerichtskosten und seine Vergütung ansparen. Dafür wird er die Mieten für Oktober und November verwenden. Das heißt: Erst ab Dezember wird er daran denken, die Hausgelder ab Juli zu bezahlen. Wie die Rechnung zum Jahresende aussieht, zeigt die Tabelle.

Spätestens ab Januar des Folgejahres muss der Zwangsverwalter die Hausgelder ab Juli des Vorjahres bedienen. Zum März des Folgejahres dürften dann die seit der Beschlagnahme fälligen Hausgelder bedient sein. Dem Zwangsverwalter steht ein überprüfbares Ermessen über die Auszahlung zu. Erkennt er, dass sämtliche Kosten der Zwangsverwaltung sowie die Grundsteuern bezahlt wurden bzw. die Ansprüche aus der Masse gedeckt sind, hat er bei Gericht den Teilungsplan zu beantragen. Bei diesem Termin wird im Prinzip das Grundbuch abgeschrieben. Und hier kommt die Bank ins Spiel! Obwohl diese nicht betreibt, erhält sie die Zuteilungen auf die Grundschuldzinsen – praktisch automatisch. Ab April etwa wird der Zwangsverwalter das monatliche Hausgeld per Dauerüberweisung bezahlen, die Bank erhält die Überschüsse, die darüber hinaus erwirtschaftet werden. Das läuft so lange, bis entweder der Eigentümer die titulierten Ansprüche begleicht oder die Wohnung versteigert wird. Der Verfasser dieses Beitrags verwaltet eine Wohnung so bereits seit 2005!

Das hier Ausgeführte schildert ein einfaches, eher durchschnittliches Verfahren, von denen dem Autor weit mehr als 1.000 Fälle vorlagen. Ein Folgebeitrag wird sich den etwas komplexeren Aspekten und Sachlagen widmen.


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Schmidberger, Gerhard

Diplom-Rechtspfleger, Heilbronn