22.07.2021 Ausgabe: 4/21

Wer modernisiert, spart Reparaturen - Der BGH setzt Mieterhöhungen infolge von Modernisierungen neue Grenzen.

Im Laufe des Jahres 2018 wurde viel und kontrovers über das Vorhaben der Regierung berichtet, die Möglichkeiten zur Mieterhöhung nach durchgeführten Modernisierungen zu beschränken. Tatsächlich senkte der Gesetzgeber mit dem „Modernisierungsanpassungsgesetz vom 18.12.2018“ den Umlagesatz von elf auf acht Prozent der für eine Wohnung aufgewendeten Modernisierungskosten.

Eher still und im Verborgenen vollzog sich dagegen im Oktober 2020 eine noch viel weitergehende Beschränkung. In seinem Urteil vom 15. Oktober 2020 (Az. VIII ZR 81/19) entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass bei der Berechnung der umlagefähigen Modernisierungskosten auch der sogenannte fiktive Instandsetzungsaufwand abzuziehen sei, und warf damit jahrzehntelange vermeintliche Gewissheit über den Haufen – mit gravierenden Folgen für Vermieter und Mieter.

Der fiktive­ ­Instandsetzungsabzug
Tauscht ein Vermieter im Zuge der Modernisierung einer Wohnung oder eines Hauses irgendein Bauteil aus, muss er es jedenfalls nicht mehr reparieren. Er spart also den Reparatur- oder Instandsetzungsaufwand – und darf ihn bei der Berechnung der Mieterhöhung infolge der Modernisierung nicht berücksichtigen. Andernfalls würde der Mieter nicht nur die Wertverbesserung, also die echte Modernisierung, sondern auch noch die eingesparte Reparatur zahlen. Das wäre unzulässig. Reparaturkosten hat der Vermieter nach § 535 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausnahmslos zu tragen.

Jahrzehntelang galt, dass Vermieter nur den tatsächlichen Reparaturaufwand abziehen müssen, der zum Zeitpunkt des Austauschs des jeweiligen Bauteils fällig gewesen wäre. Die Frage lautete also immer: Hatte das Bauteil beim Austausch einen Mangel, der hätte repariert werden müssen, und was hätte das gekostet? Wie alt das Bauteil war, spielte keine Rolle, wenn es nur zu diesem Zeitpunkt ohne Mangel funktionierte. Dazu ein Beispiel: Der Vermieter will die 30 Jahre alten doppelglasigen Fenster durch dreifach isolierverglaste ersetzen. Die alten Fenster haben einen U-Wert von ca. 3,0, die neuen von ca. 1,0 über das ganze Bauteil. Das ist klar eine Modernisierung, denn die Arbeiten bewirken eine nachhaltige Einsparung von Energie. Wenn die ausgetauschten Fenster aktuell ohne Mangel waren, hatte der Vermieter Glück und musste nichts für ersparte Reparaturen abziehen. Er konnte acht Prozent der vollen Kosten der neuen Fenster auf die Miete umlegen.

Davon bleibt nun nicht mehr viel übrig. Nach Auffassung des BGH muss der Vermieter nicht nur den tatsächlichen, sondern schon einen fiktiven Reparaturaufwand herausrechnen. Denn es müsse eine Rolle spielen, ob das ausgetauschte Bauteil noch relativ neu oder schon alt und abgenutzt war. Sonst habe es der Vermieter in der Hand, eine Modernisierung möglichst spät durchzuführen, um einerseits die alten Bauteile nicht mehr reparieren zu müssen und andererseits die vollen Kosten der neuen umlegen zu können. Der fiktive Instandsetzungsabzug könne, so der BGH weiter, anhand der „üblichen Nutzungsdauer“ des jeweiligen Bauteiles zumindest überschlägig errechnet werden. Was in der Theorie noch nachvollziehbar und einfach klingen mag, hat ganz erhebliche Auswirkungen und wird in der Praxis Probleme machen.

Nur das Alter zählt.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen, in denen Vermieter durch die Modernisierung etwas ganz Neues schaffen – dazu gleich mehr – ,  werden sie wohl bei den meisten Gewerken erhebliche Abzüge wegen solcher fiktiven Reparaturkosten vornehmen müssen. Immer dann, wenn Vermieter ein vorhandenes Bauteil austauschen, müssen sie jetzt den fiktiv ersparten Reparaturaufwand abziehen. Der errechnet sich, so ist das Urteil wohl zu verstehen, allein nach dessen Alter; auf den Zustand kommt es nicht mehr an. Ob ein Bauteil also schon recht abgenutzt oder im Gegenteil in besonders gepflegtem Zustand ist, wird keine Rolle mehr spielen, denn der BGH stellt auf die durchschnittliche Lebensdauer ab. Das Problem ist nur: Die legt niemand verbindlich fest. Zahllose Listen führen durchschnittliche Lebensdauern einer ganzen Reihe unterschiedlichster Bauteile auf. Das sind aber alles nur mehr oder weniger fundierte Schätzungen. Verbindlich ist keine davon.

Hier wird’s skurril.
Kunststofffenster sind üblicherweise nach 40 Jahren „um“ und wären auszutauschen. Da Vermieter keine Modernisierung schulden  – sie machen das, abgesehen von gesetzlichen Nachrüstverpflichtungen, immer freiwillig –, könnten auch neue Kunststofffenster mit alten Dämmwerten eingebaut werden. Das wäre schon deshalb Unsinn, weil es solche Fenster auf dem Markt nicht mehr gibt. Es zeigt aber, welche Kosten Vermieter bei der Berechnung der Mieterhöhung abziehen müssen – in unserem Fall drei Viertel der Kosten neuer zweiglasiger Fenster.

Tauscht ein Vermieter die 40 Jahre alte Heizzentrale im Keller aus, gilt das Gleiche. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Lebensdauer der Heizung von 40 Jahren müsste er die Kosten des Einbaus einer neuen Heizung (streng genommen mit alten energetischen Werten) voll abziehen. Solche alten Heizungen gibt es am Markt nicht mehr. Und ob die neue Heizung aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung heute im Vergleich wesentlich teurer ist als die alte damals, ist fraglich. Kurzum: Für eine Mieterhöhung wird nichts oder nicht mehr viel übrig bleiben.

Hier wird’s knifflig.
In seiner Entscheidung stellt der BGH außerdem fest, dass Vermieter nachweisen müssen, wie hoch die ersparten fiktiven Reparaturaufwendungen (maximal) waren. Zwar hilft ihm das Gesetz mit der Möglichkeit einer Schätzung (§ 559 Abs. 2, 2. Alternative BGB). Die Schätzgrundlagen jedoch (dazu gehört auch das Alter des ausgetauschten Bauteiles) muss er darlegen, und zwar schon in der Mieterhöhung, sonst ist die formal unwirksam.

Nur wenn ein Vermieter etwas Neues schafft, muss er nichts abziehen. Dämmt er z. B. erstmalig die Kellerdecke, wird er die vollen Kosten umlegen können. Schwieriger wird es bei der (auch erstmaligen) Dämmung der Fassade. Denn die erspart die Reparatur üblicher Abnutzung, etwa von Rissen in Farbe und Putz, abblätterndem Anstrich etc.

Ausblick
Die Entscheidung des BGH führt zu einer erheblichen Beschränkung der Möglichkeiten für Mieterhöhungen nach durchgeführten Modernisierungen, die im Ergebnis viel weiter geht als die Absenkung des Umlagesatzes um drei Prozent. Es wird sich zeigen, inwieweit dies die Bereitschaft von Vermietern beeinträchtigt, überhaupt noch zu modernisieren. Verwunderlich wäre es nicht, wenn (vor allem institutionelle Groß-) Vermieter nun vermehrt nur noch solche Modernisierungen vornehmen, die zu möglichst wenig Abzügen führen. Wie sinnvoll es dann ist, die Gebäudehülle zu dämmen, alte Heizungen und Fenster aber nicht auszutauschen, steht auf einem anderen Blatt. So oder so müssen Vermieter in Mieterhöhungsverlangen deutlich mehr Sorgfalt in die Berechnung und Erläuterung von Instandsetzungsabzügen legen.

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Löfflad, Stefan

Der Rechtsanwalt ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei W.I.R Jennißen und Partner und Verfasser des Mietvertrags für Eigentumswohnungen, den der Verband der nordrhein-westfälischen Immobilienverwalter (VNWI e.V.) herausgibt.