14.10.2021 Ausgabe: 6/21

Wer nimmt was ab? Werkvertragliche Mängelrechte bei Wohnungseigentum: die Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum

Anschließend an den Beitrag zu Gewährleistungs- und Mängelrechten in vdivaktuell 5/21 soll es in diesem und noch einem dritten Beitrag im nächsten Heft um die in diesem Zusammenhang relevanten Aspekte bei Wohnungseigentum gehen. Mit rechtlichen Problemen behaftet ist hierbei immer wieder insbesondere der Kauf von Wohnungen vom Bauträger. Um diese Konstellation soll es hier gehen.

Abnahme von Wohnungseigentum
Besonderheiten ergeben sich zunächst bei der Abnahme von Wohnungseigentum. Hier ist zwischen der Abnahme des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums zu unterscheiden. Im üblichen Bauträgervertrag gilt, dass die Werkleistung in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum und auch in Bezug auf das Sondereigentum gem. § 640 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tatsächlich und rechtlich abzunehmen ist, soweit der Zustand der Abnahmereife eingetreten ist.

Zwar sind Unternehmer gegenüber Bestellern/Erwerbern grundsätzlich verpflichtet, das Werk als Ganzes zu erstellen (also sowohl das Sonder- als auch das Gemeinschaftseigentum), jedoch liegt es regelmäßig sowohl im Interesse der Besteller/Erwerber als auch der Unternehmer, das Sondereigentum auch schon vor Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums abzunehmen und zu übergeben. Insofern hat sich in der Praxis eine Teilabnahme etabliert, getrennt für Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Hierfür bedarf es jedoch einer dahin gehenden Vereinbarung. Besteht eine solche – aus welchen Gründen auch immer – nicht, hat der Unternehmer keinen Anspruch auf Abnahme nur des Sondereigentums vor Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums.

Abnahme des Sondereigentums
Die Abnahme des Sondereigentums ist relativ unspektakulär und dem jeweiligen Wohnungseigentümer vorbehalten. Allerdings kann es auch hier zu rechtlichen Problemen kommen, insbesondere dann, wenn zwar eine Übergabe des Objekts mit Zahlung des vollständigen Kaufpreises erfolgt, die Eigentümer die Abnahme aber wegen begründeter wesentlicher Mängel und/oder einer Vielzahl von Mängeln verweigern. Wohnungseigentümer, die in diese Situation geraten, sollten sich in Bezug auf das weitere Vorgehen gegen den Verkäufer/Bauträger unbedingt anwaltlichen Rat einholen. Dies weiter auszuführen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Abnahme des ­Gemeinschaftseigentums
Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums stellt sich hingegen komplizierter dar und ist auch mit dem neuen Wohnungseigentumsgesetz (WEG) nicht einfacher geworden. Grundsätzlich muss jeder Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum persönlich abnehmen. Diese Abnahme ist keine Angelegenheit der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern des einzelnen Wohnungseigentümers bzw. der Vertragspartner des Bauträgers. Der Eigentümerversammlung fehlt damit grundsätzlich die Kompetenz, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu beschließen, sodass ein dahin gehender Beschluss nichtig ist. Es besteht weder eine gesetzliche Beschlusskompetenz aus § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG noch aus § 9a Abs. 2 WEG. Sie kann auch nicht über § 10 Abs. 1 WEG in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung festgelegt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Urteile v. 25.2.2016, Az. VII ZR 49/15; 12.5.2016, Az. VII ZR 171/15).

Allerdings handelt es sich bei der Abnahme nicht um eine höchstpersönliche Pflicht des Erwerbers, sodass jeder einzelne Erwerber Vollmachten erteilen und einen bevollmächtigten Dritten an seiner Stelle sowohl das Sondereigentum als auch das Gemeinschaftseigentum abnehmen lassen kann. In Bezug auf das Gemeinschaftseigentum wird dies zumeist der Verwalter oder ein Sachverständiger sein, der von allen Eigentümern dazu beauftragt wird. Der Verwalter kann jedoch nicht gezwungen werden, die Vollmacht und den damit verbundenen Auftrag der Abnahme anzunehmen. Es gehört nicht zu den Verwalterpflichten, das gemeinschaftliche Eigentum abzunehmen.

In diesem Zusammenhang finden sich in Bauträgerverträgen viele Klauseln, die einen Erwerber unbillig benachteiligen und deshalb gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sind. Das Landgericht (LG) Hamburg hatte eine Klausel für unwirksam erachtet, in der vereinbart war, dass das gemeinschaftliche Eigentum für die Vertragsparteien vom Verwalter der Wohnanlage (welcher vom Bauträger bestimmt wurde) abgenommen wird, frühestens aber wenn mehr als 50 Prozent aller Wohnungen verkauft worden sind (LG Hamburg, Urteil v. 11.3.2010, Az. 328 O 179/09). Die Abnahme und damit verbundene Kontrolle der ordnungsgemäßen Herstellung des Werkes ist ein wesentliches Recht des Bestellers und kann diesem nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen von vornherein entzogen werden. Klauseln, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter ermöglichen, sind gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil der Verdacht zumindest nahe liegt, dass ein vom Bauträger bestimmter Verwalter die Abnahme zu dessen Gunsten vornimmt. Gleiches gilt auch, wenn im Vertrag mit dem Bauträger bestimmt ist, dass ein Sachverständiger vom Verwalter bevollmächtigt werden soll (vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil v. 6.12.2016, Az. 28 U 2388/16; BGH, Beschluss v. 12.9.2013, Az. VII ZR 308/12). Aufgrund der Vielzahl denkbarer Vertragsgestaltungen sollte hier jedoch in jedem Einzelfall rechtlicher Rat eingeholt werden, da die Beurteilung der Unwirksamkeit einer umfassenden rechtlichen Würdigung bedarf.

Abnahme des Gemeinschafts­eigentums durch Nachzügler
Die Problematik der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Nachzügler, die eine Eigentumswohnung kaufen, bei der die übrigen Eigentümer bereits das Gemeinschaftseigentum abgenommen haben, ist auch durch das neue WEG nicht geklärt.

Wie oben ausgeführt, ist jeder einzelne Erwerber von Wohnungseigentum auch in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum Besteller im Sinne von § 640 Abs. 1 S. 1 BGB und entsprechend verpflichtet, auch das Gemeinschaftseigentum einzeln abzunehmen. Erfolgt hingegen keine (wirksame) Abnahme durch jeden Einzelnen, beginnt auch die im vorherigen Beitrag erwähnte Verjährungsfrist für diesen Eigentümer nicht zu laufen. Dies führt zu einer Verlängerung der Gewährleistungsfrist, wenn es dem Bauträger nicht gelingt, sämtliche Wohnungen innerhalb der Planungs- und Errichtungsphase zu veräußern. Insofern bleibt der Bauträger verpflichtet, die mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums vorzunehmen, solange dies auch nur ein Erwerber verlangen kann (vgl. BGH NJW 1985, 1551, 1552).

Der Bauträger ist daher nach wie vor gezwungen, jeden einzelnen Käufer sowohl das jeweilige Sondereigentum als auch das Gemeinschaftseigentum abnehmen zu lassen. Dies ist Bauträgern jedenfalls zu raten, um die Nachzüglerproblematik zukünftig zu umgehen.

Selbst wenn sämtliche Beteiligten davon ausgehen, dass die Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums erfolgt ist, lohnt es sich immer, prüfen zu lassen, ob dies wirklich der Fall ist. So lässt sich feststellen, ob Ansprüche, die man möglicherweise noch geltend machen möchte, tatsächlich verjährt sind. Auch hier sollte unbedingt anwaltlicher Rat eingeholt werden.

In der nächsten vdivaktuell, die im Oktober erscheint, wird es an dieser Stelle um die Geltendmachung der Mängelrechte bei Wohnungseigentum gehen.

Foto: © PIXEL to the PEOPLE / Shutterstock.com


Mattern, Wolfgang

Wolfgang Mattern ist Rechts­anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Immobilienrecht sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist Mitbegründer und seit über 20 Jahren geschäftsführender Vorstand des VDIV Schleswig-Holstein, ­Hamburg, Mecklenburg-­Vorpommern, mit Kanzleien in Kiel und Hamburg.