03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Wer suchet, der findet? - Die Auswahl der richtigen Verwaltungssoftware will gezielt und professionell angegangen werden.

Es gibt verschiedene Methoden, wie man sein Unter­nehmen am besten in den Ruin führen kann: Im Spielcasino, das geht am schnellsten, mit einer teuren Liebschaft, das ist am schönsten, oder mit der falschen Software, das ist das Sicherste.

Ungeachtet dessen zeigen sich in der Praxis Vorgehensweisen zur Auswahl neuer Softwaresysteme, die überwiegend die eigentlich gebotene Professionalität vermis­sen lassen: Entweder fragt man Mitbewerber, die man beispiels­weise aus der Verbandsarbeit kennt, oder man besucht Informa­tionsveranstaltungen, oder man wendet sich an die „üblichen Ver­dächtigen“, lässt sich Programme vorstellen und hat sicherlich auch einige Erwartungen an die Funktionalität der Verwaltungssoftware zuvor schriftlich fixiert. Irgend­wann fällt eine Entscheidung, für die häufig der Anschaffungs­preis das wesentliche Kriterium ist. Erst später, meist zu spät, reift die Erkenntnis, dass es vermutlich eine Fehlentscheidung war, die bil­ligste, aber nicht die preiswerteste Lösung gekauft zu haben.
 

Gestiegene Anforderungen, mehr Möglichkeiten
Gerade der aktuelle Aufbruch in die digitale Welt macht deutlich, dass viele der gängigen Verwal­tungsprogramme den gestiegenen Anforderungen und Möglich­keiten, etwa elektronische Vor­gangsverwaltung, Web-Portale, Kundenkommunikation und mobile Anwendungen, weit hin­terherhinken. Die ursprünglichen kaufmännischen Kernaufgaben der Immobilienverwaltung (Buchen, Abrechnen, Mahnen), die von den klassischen (ERP-)Systemen unter­stützt werden, sollten nicht mehr als maximal 20 Prozent der verfüg­baren Arbeitszeit beanspruchen. Damit ist es naheliegend, dass sich Optimierungsmaßnahmen auf die technisch-infrastrukturellen Bereiche der Verwaltungsaufga­ben und der Kundenkommunika­tion konzentrieren sollten, die im Wesentlichen durch die Vorgangs­verwaltung in (CRM-)Systemen bedient werden. Das funktioniert jedoch nur, wenn der Unterbau, also das ERP-System, gut ist. Bei­des gleichzeitig zu wechseln, führt erfahrungsgemäß zur Überforde­rung des Personals.

Die Auswahl des am besten geeigneten Systems oder der am besten zusammenpassenden Sys­teme wird immer schwieriger. Die Hinzuziehung von Prozess­und Digitalisierungsberatern mit Branchenkenntnis wird immer wichtiger, um sich im Dschun­gel der am Markt verfügbaren Produkte zu orientieren. Wer es selbst versuchen möchte, dem sei dringend geraten, viel Zeit ein­zuplanen und sehr systematisch vorzugehen.
 

Die aktuelle Situation analysieren
Grundlage ist zunächst eine genaue Analyse der aktuellen Situation. Unter Einbeziehung der Key-User, also der eigenen Belegschaft, ist festzustellen, wie gut (oder schlecht) die aktuell verwendete Software die Verwaltungsarbeit unterstützt. Hilfreich kann dabei eine tabellarisch angelegte Über­sicht sein, die darstellt, wie wichtig eine Aufgabe ist, wie gut sie der­zeit erfüllt wird, und was man sich eigentlich erwarten würde – drei Spalten also, in denen man nach dem Schulnotenprinzip die folgen­den Funktionen bewertet:

  • Mitarbeiter-/Rechte-/Rollenverwaltung
  • Stammdatenverwaltung
  • Hotline/Support
  • komfortable Buchhaltung
  • automatische Verbuchung/ BK01
  • bilanzierende Abrechnung
  • GOB-/GODB-Konformität
  • elektronische Rechnungsbearbeitung
  • elektronische Vorgangsverwaltung
  • integriertes Dokumentenmanagement
  • integrierte Kommunikation (E-Mail)
  • integrierte Terminverwaltung
  • Kundenportal
  • Kundenkommunikation
  • Schnittstellen/Daten-austausch mit externen Partnern (für Heizkosten, Wartungen etc.)
  • mobile Anwendungen
  • Workflow-Engine

Grundsätzlich zu klären ist auch, ob künftig mit einer klassischen (On-Premises-)Lösung gearbei­tet werden soll, also mit einem Server in den eigenen Räumlich­keiten, oder per VPN-Verbindung zu einem Rechenzentrum oder in der Cloud mit einer vollstän­digen Web-Applikation. Unse­res Erachtens liegt die Zukunft in letzterem, und die meisten verfügbaren Anwendungen sind modern, ansprechend und nut­zerfreundlich gestaltet. Die Aus­wahl ist derzeit aber noch sehr überschaubar.

Zur Prüfung der vorhandenen Lösung gehört neben der Funkti­onsbewertung auch die Beurtei­lung ihrer Zukunftsfähigkeit. Dabei geht es um die folgenden Fragen: Wie innovationsfreudig war der Hersteller in den letzten Jahren? Wie schnell bzw. gut wurde auf notwendige gesetzliche Änderun­gen reagiert? Gibt es eine Entwick­lungsplanung für die kommenden Jahre? Gibt es Schnittstellen zu ergänzenden Systemen? Wie groß bzw. finanzstark ist der Hersteller? Ist die Unternehmensnachfolge gesichert?

Die Antworten darauf sollten letzt­lich zu dem Schluss führen, ob die aktuelle Software allein weiterbe-trieben werden soll, durch Module ergänzt werden kann (Portal, Vor­gangsbearbeitung o. Ä.), oder ob eine vollständig neue Lösung zu finden ist – als Universallösung oder aus Modulen unterschiedlich spezialisierter Systeme.

Das richtige Vorgehen
1. Die Prozesslandschaft skizzieren: Dazu werden allein der Verwaltung erforderlichen Prozesse gelistet,z. B. neues Verwaltungsobjekt integrieren, Handwerkerauftrag vergeben, Versicherungsfall bearbeiten, Objektbegehung durchführen, Mieterkündigung bearbeiten.

2. Alle Prozesse werden wie folgt definiert (Mindestanforderung):

  • Wie wird der Prozess ausgelöst?
  • Welches Ergebnis soll der Prozess erzielen?
  • Welche einzelnen Prozessschritte sind zu bearbeiten?
  • Wer soll die jeweiligen Prozessschritte bearbeiten?
  • Welche Hilfsmittel stehen den Bearbeitenden zur Verfügung?

3. Ermittlung der Prozessschritte, die digitalisiert und/oder automatisiert werden können

Grundlagen für die Auswahl schaffen
Um eine fundierte Auswahl tref­fen zu können, hat sich "Das richtige Vor­gehen" in der Praxis bewährt. Am Anfang steht die Betrachtung und Bewertung der eigenen Verwal­tungsprozesse: Sind sie wirksam, transparent und nachvollziehbar definiert, für die aktuelle Situa­tion optimiert und werden sie von allen Mitarbeitern gleich umge­setzt? Wenn dies durchgängig mit Ja beantwortet werden kann, sollte man sich unter Einbezie­hung des jeweiligen Personals ans Werk machen. Denn nur wenn Prozesse genau definiert werden, lassen sich die daraus resultie­renden Anforderungen an eine Software ermitteln und bewer­ten. Schlecht oder nicht defi­nierte analoge Prozesse werden zu schlecht oder nicht definierten digitalen Prozessen, Anforderun­gen an Softwareprodukte zwangs­läufig unscharf, und Chancen der Digitalisierungsmaßnahmen können nur bedingt genutzt wer­den. Sind Verwaltungsprozesse erst einmal definiert, vereinfacht und beschleunigt das die Einfüh­rung einer neuen Software deut­lich. Notwendige Anpassungen an die Anforderungen des jeweili­gen Unternehmens können gezielt und damit effizienter vorgenom­men werden.

So erhält man eine individuelle „Wunschliste“, die erfahrungsge­mäß schnell mehrere hundert Einzelwünsche umfassen kann. Das zeigt auch dieses Beispiel aus einem konkreten Auswahlprojekt, in dem es um den Prozess der Auf­tragsvergabe an Handwerker geht:

  • Beim Anlegen eines Repara­turauftrags zeigt das System, ob und in welcher Höhe der Auftrag ohne Beschluss/Freigabe vergeben werden darf.
  • Im System ist hinterlegt, inwieweit die Erlaubnis zur Weitergabe der Kontaktda­ten der betroffenen Parteien gegeben ist.
  • Bei der Vergabe von Auf­trägen werden Handwer­ker vorgeschlagen, die dem Objekt zugeordnet sind bzw. die eine Gewährleis­tungspflicht im betroffenen Objekt haben.
  • Das System überprüft, ob im betroffenen Gewerk/ Objekt eine Gewährleis­tung besteht, und warnt den jeweiligen Bearbeiter.
  • et cetera

 

Zur Klassifizierung durch ein Punktesystem

KRITERIUM ERLÄUTERUNG PUNKTE
Kill unverzichtbare/essenzielle Forderung  5
Soll wichtige Forderung, ein Verzicht würde
Ineffzienzen schaffen
3
Kann sinnvolle Funktion, die aber nicht dringend
benötigt wird
1


 

Eine Bewertungsmatrix aufstellen
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass zurzeit kaum ein System auf dem Markt alle Forderungen vollständig erfüllt. Zudem erfor­dert eine solch umfangreiche Liste eine Methodik, um den Überblick zu bewahren und Wichtiges von Unwichtigerem zu unterscheiden. Dazu empfiehlt sich die Klassifizie­rung durch ein Punktesystem.

Ein noch genaueres Bild ergibt sich durch die Bewertung, wie häufig eine Funktion benötigt wird. Es macht einen erheblichen Unter­schied, ob dies permanent oder nur gelegentlich der Fall ist. Auch hierfür ist eine Punktematrix geeignet, mit der sich die Wich­tigkeit der Funktionen gemäß der Häufigkeit ihrer Nutzung ermitteln lässt. Aus der Summe der erreich­ten Punkte ergibt sich so eine Rangfolge.

Mithilfe der erstellten Matrix lassen sich ausgewählte Produkte bewer­ten. Das sollte man nicht dem Vertriebsmitarbeiter des Herstel­lers überlassen, sondern stattdes­sen die Produktpräsentation selbst durch den Anforderungskatalog lenken, um eventuelle Schwächen und Lücken vorgestellter Produkte zu entdecken. Inwieweit jedes Pro­dukt die Kriterien der Wunschliste erfüllt, lässt sich am Ende in einem Balkendiagramm darstellen, das die jeweils insgesamt erreichte Punkt­zahl eines Produkts ersichtlich macht und auch, welchen Anteil die als wichtig klassifizierten Funk­tionen haben.

Die vollständige Bewertung
Die Bewertung vorliegender Ange­bote sollte in jedem Fall auf Basis der Betrachtung eines längeren Zeitraums erfolgen und diese Kri­terien umfassen:

  • Anschaffungspreis/Lizenzkosten oder alternativ
  • Preis pro Verwaltungs-/Abrechnungseinheit
  • Einführungs- und Schulungskosten
  • Wartungsgebühren
  • Kosten für ggfs. erforderliche Anpassungs­arbeiten
  • Hardware-/Rechenzentrumskosten

 

Vergleichende vollständige Kostenberechnung über sechs Jahre

PRODUKT ANSCHAFFUNG KOSTEN MONATLICH SUMME KOSTEN 6 JAHRE KOSTEN/MONAT 6 JAHRE
P1 142.299,00 €  32.084,00 €  2.452.347,00 €  34.060,38 €
P2 389.490,00 €  13.686,67 €  1.374.930,24 €  19.096,25 €
P3 197.669,00 €  10.789,00 €  974.477,00 €  13.534,40 €
P4 390.075,00 €  5.551,00 €  789.747,00 €  10.968,71 €

 

Die Tabelle oben zeigt am Beispiel einer größeren Hausverwaltung, dass eine vollständige Kostenbe­rechnung durchaus mehr als ein­mal scheinbar günstige Angebote letztlich als wesentlich teurer ent­larvt.

Nach unserer Erfahrung wurden bei systematischer Auswahl und Analyse regelmäßig Produkte mit einem höheren Abdeckungsgrad ausgewählt, auch wenn sie teurer waren als Vergleichsprodukte. In der Regel erwiesen sie sich als die wirtschaftlichere Lösung, da der höhere Preis innerhalb weniger Monate durch Effizienzgewinne mehr als kompensiert wurde.

Fazit
Auch die hier in Grundzügen vor­gestellte Methode kann nicht gewährleisten, dass alle Anforde­rungen an eine Software erfüllt werden. Man geht damit aber sicher, die Software ausgewählt zu haben, die am besten zum Unter­nehmen passt, und eine Fehlent­scheidung vermieden zu haben. Natürlich ist das Vorgehen auf­wendig – verbunden mit den entsprechenden Kosten. Fehlin­vestitionen allerdings sind weit teurer, und sie begleiten einen nachhaltig.

Umsichtiges und systematisches Vorgehen ist also angebracht. Nicht ohne Grund werden diese vorbereitenden Arbeiten mit staat­lichen Digitalisierungszuschüssen von bis zu 11.000 Euro pro Unter­nehmen gefördert.

Zum Nachlesen
Detaillierte Anleitungen und Hilfestellung bei der metho­dischen Auswahl geeigneter Verwaltungssoftware enthält der 2018 im Haufe Verlag erschienene Band von Jörg Wirtz „Prozessop­timierung für Immobilienverwal­tungen“, ISBN: 978-3-648-10777-5. In diesem Jahr neu erschienen ist „Digitale Immobilienverwaltung leicht gemacht“, mit Checklisten, Arbeits- und Prozessplänen, ISBN: 978-3-648-11229-8.

Wirtz, Jörg

Der geschäftsführende Gesellschafter der TQMT Managementsysteme GmbH, München, ist Verfasser des Haufe-Bands Prozessoptimierung für Immobilienverwaltungen.

MAIK WINKELMANN
Für die Berliner facilioo GmbH im Bereich Marketing tätig.