22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Wie geht man’s an? Beschlussfassungen zu Erhaltungs-und Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum

Erhaltungsmaßnahmen und Sanierungen am gemeinschaft­lichen Eigentum vorzubereiten und in die Wege zu leiten, beschäftigt Wohnimmobilienverwaltungen rela­tiv häufig. Dazu müssen zunächst die Begrifflichkeiten geklärt wer­den: Auf der einen Seite stehen die Maßnahmen der Instandhal­tung und Instandsetzung, für die das neue Wohnungseigentumsgesetz (WEG) den Oberbegriff „Erhal­tung“ (§ 13 Abs. 2 WEG) eingeführt hat. Auf der anderen Seite stehen die baulichen Veränderungen, bei denen es sich um Maßnahmen handelt, die über die ordnungsmä­ßige Erhaltung des gemeinschaftli­chen Eigentums hinausgehen (§ 20 Abs. 1 WEG). Die „modernisieren­den Erhaltungen“ (früher „moder­nisierende Instandsetzungen“) stehen dazwischen: Manche Wohnungseigentumsrechtler verstehen die modernisierenden Erhaltungen als Erhaltungsmaßnahmen, wäh­rend die meisten Juristen diese eher als bauliche Veränderung einord­nen. Damit gibt es streng genom­men keine „Sanierungsmaßnahmen“, sondern nur Erhaltungsmaßnah­men oder bauliche Veränderun­gen. Mit „Sanierungsmaßnahmen“ sind i. d. R. Erhaltungsmaßnahmen oder modernisierende Erhaltun­gen größeren Umfangs gemeint. Im Folgenden soll es nur um die Erhal­tungsmaßnahmen gehen. Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:


Die kaputte Scheibe
Beispiel 1: Die Scheibe der Hauseingangstür wurde von Unbekann­ten zerstört. Die Kosten für die Reparatur belaufen sich auf rund 200 Euro. Muss der Verwalter eine außerordentliche Eigentümerver­sammlung einberufen, um einen Beschluss über die Instandsetzung der Scheibe herbeizuführen?

In diesem Fall handelt es sich ein­deutig um eine Erhaltungsmaß­nahme. Nach dem neuen WEG müssen Verwalter bei jeder Maß­nahme prüfen, ob ihnen die Ent­scheidungskompetenz nach § 27 WEG zugewiesen ist, selbst wenn es sich nicht um einen Eilfall nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG handelt: Bei Maß­nahmen ordnungsmäßiger Verwal­tung, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen, ist der Ver­walter nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, sie in die Wege zu leiten (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Je nach Beschlusslage können sich Einschränkungen und Erweiterungen dieser Rechte und Pflichten aus anderen Beschlüssen ergeben (§ 27 Abs. 2 WEG). Bei einer kleineren Reparatur wie in diesem Beispiel liegt die Entscheidungs­kompetenz, für die Instandsetzung zu sorgen, daher regelmäßig bei der Verwaltung.


Wenn es mehr kostet
Wenn kein Fall des § 27 WEG vor­liegt, weil es sich beispielsweise um eine kostenträchtigere Erhal­tungsmaßnahme handelt, muss der Verwalter einen Beschluss der Eigentümerversammlung vorberei­ten. Dabei muss er alle Regelungen einhalten, die für die Durchführung einer Eigentümerversammlung und die Fassung von Beschlüssen gel­ten: Er muss die formellen Rege­lungen für die Einberufung einer Eigentümerversammlung beach­ten wie z. B. die Ladungsfrist (§ 24 Abs. 4 S. 2 WEG) und die Einberu­fung mindestens in Textform (§ 24 Abs. 4 S. 1 WEG). Der Beschluss­gegenstand muss in der Einladung genannt werden (§ 23 Abs. 2 WEG). Die Eigentümer müssen alle Infor­mationen erhalten, damit diese in der Eigentümerversammlung eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Der Beschluss muss eindeu­tig und präzise sein, damit er nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig ist.


Die feuchte Außenwand
Beispiel 2: Die Kelleraußenwände sind feucht. Als Ursache wird eine nicht mehr funktionstüchtige Keller­abdichtung vermutet.

Bei größeren Erhaltungsmaßnah­men („Sanierungen“) wird i. d. R. eine Eigentümerversammlung nicht aus­reichen, um diese in die Wege leiten zu können. Damit jeweils eindeutige Beschlüsse gefasst werden können, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: In einer ersten Eigentümerversamm­lung wird der Beschluss gefasst, mit-hilfe z. B. eines Sachverständigen zu klären, was die Schadensursache ist, ob ein Erhaltungsbedarf besteht, wel­che Sanierungsmöglichkeiten es gibt und mit welchen Kosten überschlä­gig zu rechnen ist. In der zweiten Ver­sammlung werden diese Ergebnisse den Eigentümern präsentiert, sodass das weitere Vorgehen beschlossen werden kann: Auswahl einer der Sanierungsvarianten, Beauftragung eines Architekten oder Bauingenieurs mit der Erstellung von Leistungsver­zeichnissen und Ausschreibung der notwendigen Arbeiten. In der drit­ten Eigentümerversammlung kann dann über die konkrete Vergabe und die Finanzierung der Erhaltungsmaß­nahme beschlossen werden.
 

Grenzen setzen
Bei der Vorbereitung größerer Erhal­tungsmaßnahmen sei Verwaltern immer empfohlen, den Eigentümern deutlich zu erklären, welche Leistun­gen er erbringen kann: Er ist weder Architekt noch Bauingenieur, sodass die Eigentümer die Ausführung dieser planerischen und bauleitenden Tätig­keiten (vielleicht sogar kostenfrei) nicht verlangen können. Schon aus Haftungsgründen sollte sich darauf auch kein Verwalter einlassen.

Jahns, Andre

Geschäftsführer der Hausverwaltung Harte GmbH & Co. KG, Wolfenbüttel/Gifhorn