12.04.2021 Ausgabe: 2/21

Wir stehen erst am Anfang - Bis hybride Eigentümerversammlungen zum Standard werden, wird es wohl noch eine Weile dauern.

Die digitale Zuschaltung von Teilnehmern zur Eigentümerversammlung beschäftigt derzeit viele Verwaltungen. Nicht wenige stehen dem Thema skeptisch gegenüber und fragen: Muss ich das überhaupt anbieten? Zu beantworten ist das derzeit mit einem klaren Jein.

Wir stehen bei der Umsetzung dieser neuen Möglichkeit erst am Anfang, und insbesondere in Eigentümergemeinschaften (WEG) mit gehobener Altersstruktur wird man hybride Versammlungen nicht anbieten müssen. Aber je jünger die WEG, desto wichtiger wird die Digitalisierung von Angeboten der Immobilienverwaltung. Diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken, und wenn man mir die obige Frage in ein bis zwei Jahren noch einmal stellt, werde ich sie mit einem klaren Ja beantworten. Daher ist Verwaltungen schon jetzt dazu zu raten, denn das hat viele Vorteile: Da man auch kleine Räume nutzen kann, entfallen zusätzliche Raumkosten und auch der Aufwand für Verpflegung. Der Kreis der Teilnehmer wird sich vergrößern, weil z. B. Kapitalanleger aus der Ferne dabei sein können. Auch der deutlich geringere Aufwand für Hygiene wirkt kostensenkend. Versammlungen gehen zügiger vonstatten, so lässt sich sinnvoll auch über nur wenige oder gar einen einzigen Tagesordnungspunkt abstimmen, und man könnte sie auch zu anderen Zeiten einberufen. Die Entscheidungsfindung innerhalb der WEG geht schneller, es fallen weniger Anfahrtswege an und damit geringere Reisekosten. Bei entsprechender Gestaltung des Verwaltervertrags können WEG-Verwaltungen zusätzliche Einnahmen erzielen. Zudem werden diejenigen, die eine Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen nicht anbieten, am Markt künftig das Nachsehen haben.

Was müssen geeignete Tools können?
Wichtige Kriterien sind die Schnittstelle zur Verwaltungs-Software, intuitive Workflows für Diskussionsführung und Abstimmungen, die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. der General Data Protection Regulation (GDPR) der Europäischen Union, die Dokumentation der Teilnahme und des Ein- und Ausloggens (wer ist wann anwesend?), die Steuerung von Abstimmungsprozessen, der Rednerliste bzw. von Wortmeldungen, die Protokollerstellung und die Schnittstelle zur Beschlusssammlung, die flexible Nutzbarkeit mit stationären und mobilen Endgeräten wie PC, Laptop, Tablet und natürlich Smartphone (Headset empfohlen), responsives Design mit Unterstützung führender Browser-Technologien wie Google Chrome, Microsoft Edge oder Apple Safari und ein transparentes Pay-per-Use-Bezahlmodell mit günstigen Kosten pro Teilnehmer. Besonderes Augenmerk wird auf die Schnittstelle zu legen sein, denn neben den Adressdaten der Eigentümer müssen auch die für die Abstimmung erforderlichen Daten transferiert werden: Köpfe, Einheiten oder Miteigentumsanteile. Damit lassen sich Anwesenheit und Abstimmung leicht dokumentieren – auch in der reinen Präsenzversammlung kann dies zur Vereinfachung führen. Persönlich anwesende Teilnehmer können wiederum wählen, ob sie ihre Stimme per Smartphone oder über ein Leih-Tablet selbst abgeben, oder ob stellvertretend der Verwalter Handzeichen digital erfasst. Nutzen alle Teilnehmer technische Geräte, vereinfacht das die Auszählung des Abstimmungsergebnisses deutlich. Allein wegen dieser zu beachtenden Aspekte scheiden Lösungen wie Teams, Zoom etc. aus, und man muss sich als Verwalter mit professionellen Portalen beschäftigen.

Welche technische Ausstattung wird gebraucht?
Man wird einen 84-Zoll-Flachbildschirm brauchen, alternativ einen Beamer, des Weiteren eine Konferenzkamera, z. B. Logitech ­MeetUp, sowie einen Laptop. Für die Anschaffung aller drei Komponenten sind 5.000 bis 6.000 Euro zu kalkulieren, die das Verwaltungsunternehmen zu tragen hat.

Bei Nutzung professioneller Tools gibt es grundsätzlich zwei Vergütungsvarianten, nach individuellem Aufwand/individueller Nutzung oder nach Größe des Verwaltungsbestands. Die folgenden Portale rechnen nach Nutzung ab:

• Domus Software AG: 50 Euro/Stunde, https://digitale-eigentuemerversammlung.domus-software.de

• NEOVE GmbH: ab 119 Euro/Versammlung für 90 Minuten, bei zehn Teilnehmern und einem Moderator, www.neove.de

Nach Größe des Verwaltungsbestandes rechnet Vulcavo ab (www.vulcavo.de). Hier wird die Weiterberechnung an die jeweilige WEG problematisch. Daher haben Portale mit individueller Abrechnung für Verwaltungen einen klaren Vorteil.

Für die Weiterberechnung von Kosten an die WEG stellen sich folgende Fragen: Was ist nach dem aktuell geltenden Verwaltervertrag zulässig, und wie sollte man ihn diesbezüglich künftig gestalten? Die neuen Musterverträge des VDIV Deutschland und des VDIV NRW bieten hierzu vorformulierte Texte.

Was ist als nächstes zu tun?
Wer für die anstehende Versammlungssaison digital gerüstet sein will, sollte zunächst das für die eigenen Zwecke passende Tool auswählen, es der WEG wie auch den Verwaltungsbeiräten vorstellen, über die Verarbeitung personenbezogener Daten informieren und eine Beschlussfassung über die Online-Teilnahme herbeiführen. Einen Testlauf der Online-Teilnahme sollte es geben, nicht zuletzt, um die Akzeptanz dafür zu schaffen. Am besten, man versucht sich damit zunächst an „unkritischen“ kleinen Beschlüssen und Versammlungen.


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Haase, Steffen

Chefredakteur VDIVaktuell
Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Haase & Partner GmbH; Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter Bayern e.V.; Vizepräsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V.; Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und Fachpublikationen.