23.01.2019 Ausgabe: 1/19

Wir wollen mehr!

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU zur  Reform des ­Wohnungseigentumsgesetzes

Die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist eingeleitet. Nachdem der Koalitionsvertrag erste Aussagen zu einer WEG-Reform enthält, liegen seit Kurzem zwei Diskussionsentwürfe auf dem Tisch: einer aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und einer aus dem Bayerischen Staatsministerium der ­Justiz. Zudem hat sich eine offene Bund-­Länder-Arbeitsgruppe gegründet, die den darüber hinausgehenden Reformbedarf ermittelt. Schon seit 2013 artikuliert der DDIV als einziger Verband Reformbestrebungen, flankiert von zahlreichen politischen Aktivitäten. Zusätzlich zu seiner umfassenden Stellungnahme liegen auch zwei vom DDIV beauftragte Gutachten vor, die das Erfordernis einer umfassenden Novellierung unterstreichen. Die vor einigen Jahren ebenfalls zum Thema ins Leben gerufene DDIV-DenkWERKSTATT fand vielfach Beachtung. Auch die CDU/CSU-Fraktion stützt die Reformbestrebungen des DDIV. Dies machte die rechtspolitische Sprecherin der Union noch einmal in einem Gespräch mit DDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler deutlich.

Frau Winkelmeier-Becker, in den Diskussionsentwürfen zur WEG-Reform aus Berlin und Bayern wird großer Wert auf die Förderung von Barrierefreiheit und Elektromobilität gelegt. Aus unserer Sicht besteht jedoch bei mindestens einem Drittel aller Gesetzesparagrafen Änderungsbedarf. Wie schätzt Ihre Fraktion dies ein?

In dieser Frage stimmt die CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion mit dem DDIV überein: Im WEG besteht in weiten Teilen großer Reformbedarf. Dessen besondere Relevanz ergibt sich ja aus der Tatsache, dass sich circa jede fünfte Wohnung in Deutschland in einem Gebäude mit Eigentumswohnungen befindet. Sowohl für Selbstnutzer als auch für private Vermieterinnen und Vermieter sind diese oft ein bedeutsames Element der Altersvorsorge. Gerade deswegen wurde auf Initiative von CDU und CSU im Koalitionsvertrag eine Reform des Wohnungseigentumsrechts vereinbart.

Stichwort Vermieter: Inwieweit muss hier auch das Mietrecht mit einbezogen werden?

Neben einer grundsätzlichen Reform bedarf es insbesondere auch einer Harmonisierung mit dem Mietrecht. Bestehende Interessenkonflikte in Wohnungseigentümergemeinschaften bleiben durch die fehlende Verzahnung von WEG und Mietrecht oft ungelöst. In Bezug auf Gebrauchsregelungen, Instandsetzungen und Modernisierungen, Jahresabrechnung oder auch beim Kostenverteilungs- oder Umlageschlüssel brauchen wir zwingend eine Harmonisierung. Vermieter müssen in der Lage sein, WEG-rechtliche Verpflichtungen auch an ihre Mieter weitergeben zu können. Wir stehen vor großen Herausforderungen bei der Modernisierung des Gebäudebestandes. Daher muss die Vorbereitung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer – insbesondere bei der Barrierefreiheit, der energetischen Sanierung, der Förderung von Elektromobilität und beim Einbruchschutz – erleichtert werden. Gerade der bayerische  Diskussionsentwurf will neben den von Ihnen genannten Stichworten Barrierefreiheit und Elektromobilität noch viele weitere Aspekte des WEG verändern. Hierzu zählt die Flexibilisierung und zeitgemäße Anpassung der Regelungen zur Kostentragung bei baulichen Veränderungen und Aufwendungen am Gemeinschaftseigentum – insbesondere vor dem Hintergrund von Modernisierungen. Auch sieht der Entwurf die Beseitigung schwerfälliger formaler Anforderungen an die Beschlussfähigkeit von Eigentümerversammlungen vor. Das sehen wir als sehr positiv an.

Die Bundesregierung fördert mit Bürgschaftsprogrammen, Wohnungsbauprämie und Baukindergeld den Erwerb von Wohneigentum. Teilen Sie die Ansicht des DDIV, dass eine solche Förderung nur dann sinnvoll ist, wenn zugleich auch der Verbraucherschutz und die Rechtssicherheit für Eigentümer und Mieter verbessert werden?

Dies sind wichtige Maßnahmen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Der Neubau von Wohnraum ist das wichtigste Element auf angespannten Wohnungsmärkten. Daneben sind die allermeisten Erwerberinnen und Erwerber von Wohneigentum Verbraucher. Für sie ist der Erwerb von Wohneigentum die wichtigste oder eine der wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen im Leben. Von daher sehen wir ein klares und eindeutiges WEG als einen sehr wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz. Dem kommt das derzeit geltende Gesetz nicht nach. Selbst Juristen können wohneigentumsrechtliche Fragen heute häufig nicht mit einem Blick in den Gesetzestext beantworten, sondern müssen sich dies anhand der Rechtsprechung und Kommentarliteratur erarbeiten. Deswegen brauchen wir ein besseres WEG, das es Eigentümern und Verwaltern erlaubt, sich schnell über die Rechtslage zu erkundigen. Ein Beispiel hierfür ist die „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“. Dazu gibt es bisher nur Rechtsprechung. Der Bayerische Entwurf sieht hier eine Kodifizierung vor.

Bund und Länder haben ausdrücklich dazu aufgerufen, den über die Diskussionsentwürfe hinausgehenden Reformbedarf aufzuzeigen. Dem ist der DDIV nachgekommen. Wie ist aktuell der Diskussionsstand in der CDU/CSU-Fraktion zur WEG-Reform?

Die beiden Diskussionsentwürfe haben wir mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Nun sind wir sehr gespannt auf das Ergebnis der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, das wir im Laufe des Jahres erwarten. Die Mindestanforderungen an eine WEG-Reform haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir wollen jedoch mehr!

Ist die offene Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Signal dafür, dass das hoffnungslos veraltete WEG ideologiefrei reformiert und zukunftssicher ausgerichtet werden soll?

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist ein sehr gutes Signal. Auch die Tatsache, dass sich die weit überwiegende Anzahl der Länder an dem Vorhaben beteiligt, lässt mich auf ein gutes Ergebnis hoffen. Allerdings lässt sich über Begriffe wie „ideologiefrei“ und „zukunftssicher“ sicherlich trefflich streiten.

Immobilienverwalter managen treuhänderisch die private Altersvorsorge von Millionen Bürgern und müssen dabei über 60 Gesetze und Verordnungen umsetzen. Halten Sie es für vertretbar, dass sie weiterhin ohne tatsächlichen Nachweis ihrer Qualifikation handeln dürfen?

Immobilienverwalter tragen eine sehr große Verantwortung für das Vermögen der Wohnungseigentümer. Diese Tätigkeit verlangt viele Kenntnisse, Fertigkeiten und Sorgfalt. Von daher spricht tatsächlich viel für einen Sachkundenachweis in der Fremdverwaltung. Das in der letzten Wahlperiode verabschiedete Gesetz zur Einführung einer Berufszulassungsregelung für Verwalter reicht hierfür aus meiner Sicht nicht aus, da es sich dabei hauptsächlich um den Nachweis von Weiterbildungen bei Beginn der Tätigkeit als Immobilienverwalter handelt. Hier sind weitergehende Regelungen notwendig, die im Gleichklang mit effektiveren Kontrollmöglichkeiten des Eigentümers über die Arbeit des Verwalters erfolgen müssen. Eines muss jedoch immer möglich sein: Eigentümer aus der eigenen Wohnungseigentümergemeinschaft müssen diese ­voraussetzungslos selbst verwalten können.

Wird sich die CDU/CSU-Fraktion im Rahmen der WEG-Reform für die Einführung des Sachkundenachweises einsetzen?

Wie gesagt kann ich mir gewisse Qualifikationserfordernisse für Immobilienverwalter vorstellen, will aber nicht verschweigen, dass es hierzu in meiner Fraktion auch andere Auffassungen gibt. Hier bedarf es sicherlich noch einiger Diskussionen.

Wo sehen Sie persönlich den dringendsten Reformbedarf im WEG?

Wie schon erwähnt, halte ich den bayerischen Entwurf für eine gute Diskussionsgrundlage. Neben den oben genannten Punkten sind andere wichtige Fragen, die aus unserer Sicht noch geregelt werden müssen, die Verwaltung von Fremdgeldkonten, die Gestaltung der Jahresabrechnung und eine Stärkung der Beiräte. Auch sollte die Verwaltung von Mehrhausanlagen gesetzlich normiert werden. Ein reformiertes WEG sollte sich mit Fragen der Digitalisierung beschäftigen. Ich denke dabei zum Beispiel an digitale Verfahren für Beschlüsse von Eigentümerversammlungen oder an die Digitalisierung der aufzubewahrenden Unterlagen. Die Einführung eines zentralen Verwalterregisters kann zur Transparenz und zur Vermeidung von Interessenkonflikten beitragen. Auch sollte der Vertretungsnachweis daraus ersichtlich sein.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland