03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Zum Vergleich - In Österreich steht die Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes aus dem Jahr 2002 an.

Zum 17. Juni 2021 wurde der Ministerialentwurf betreffend die Änderung des österreichischen Wohnungseigentumsgesetzes (WEG 2002) veröffentlicht. Die Begutachtungsfrist für die „WEG-Novelle 2022“ ist bereits am 31. August 2021 abgelaufen, die parlamentarische Behandlung sollte bei Redaktionsschluss noch diesen Herbst erfolgen. Ob die Novelle wie geplant am 1. Januar 2022 in Kraft treten wird und es noch in Teilbereichen zu Adaptierungen kommt, bleibt abzuwarten. Dies sind die angedachten Änderungen:


Zustimmungsfiktion bei gewissen Verfügungshandlungen
Nach geltendem Recht ist für Änderungen des einzelnen Wohnungseigentümers an seinem Nutzungsobjekt, etwa Baumaßnahmen unter Einbeziehung der Gebäudesubstanz, die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer erforderlich, sofern die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer auch nur möglich ist. Das Gesetz stellt damit weder – wie die deutsche Rechtslage – auf das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß einer solchen Beeinträchtigung ab, noch besteht die Möglichkeit, das Erfordernis der Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer durch eine „Gestattung“ der Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Rahmen einer Beschlussfassung zu ersetzen. Dass diese Rechtslage sperrig und für den einzelnen änderungswilligen Wohnungseigentümer oft mit unüberwindbaren Hürden verbunden ist, liegt auf der Hand. Der vorliegende Entwurf sieht daher eine Zustimmungsfiktion für bestimmte Maßnahmen vor. Demnach soll in diesen Fällen die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer als erteilt gelten, wenn sie von der geplanten Änderung durch Übersendung verständigt werden und ihr nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang widersprechen. In dieser Verständigung müssen die Änderungen konkret umschrieben und die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruches genannt werden. Ein solches „Schweigen als Zustimmung“ soll aber nur für die folgenden konkreten Maßnahmen eines Wohnungseigentümers infrage kommen:

■ behindertengerechte Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft

■ Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs

■ Anbringung einer Photovoltaikanlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt

■ Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung des Objekts

■ Einbau einbruchsicherer Türen

Hinsichtlich der Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge soll mittelfristig das nur durch eine gemeinsame Elektro-Ladeanlage mögliche „intelligente“ Laden sichergestellt werden: Ein Wohnungseigentümer, der in seiner Garage oder an seinem Kfz-Stellplatz eine einzelne Vorrichtung zum Laden eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs installiert hat, muss deren Nutzung nach Inbetriebnahme einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage unterlassen, wenn die Eigentümergemeinschaft dies auf Grundlage eines darüber gefassten Beschlusses von ihm verlangt und die elektrische Versorgung der Liegenschaft durch eine Beteiligung an der gemeinsamen Anlage besser genutzt werden kann als durch die weitere Nutzung der Einzelladestation. Diese Unterlassungspflicht tritt aber frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation ein.

Flankierend dazu wird die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs in den Kreis der sogenannten privilegierten Änderungen aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass die Zustimmung zu einer solchen Änderung nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass diese nicht der Verkehrssitte entspricht oder nicht einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dient. Die Einschränkung auf Vorrichtungen „zum Langsamladen“ (dem einphasigen Laden mit maximal 3.7 kW) entspricht einer vom Obersten Gerichtshof (OGH) getroffenen Entscheidung, die mit dieser Neuregelung festgeschrieben werden soll.


Auskunftspflicht über Namen und Anschriften
Wohnungseigentümern soll künftig die Initiative in wohnungseigentumsrechtlichen Belangen – sei es zur Herbeiführung von Beschlüssen oder zur Einholung der Zustimmung zu Änderungen am Objekt – erleichtert werden: Verwaltungen sollen Wohnungseigentümern, die dies zur Verständigung der anderen Wohnungseigentümer verlangen, Auskunft über die Namen und die Zustellanschriften der Miteigentümer geben. E-Mail-Adressen sollen aber nur mit Zustimmung des jeweiligen Eigentümers mitgeteilt werden dürfen. Die Weitergabe der Zustellanschrift sollen Eigentümer nur dann verweigern können, wenn sie gleichzeitig eine andere inländische Anschrift oder eine E-Mail-Adresse bekannt geben, über die sie verständigt werden können.


Änderungen hinsichtlich Mehrheitsermittlung bei Beschlüssen
Als wesentlicher Punkt der Novelle soll die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft erleichtert werden: Verbesserungsmaßnahmen, insbesondere solche zur energetischen Optimierung des Gebäudes, scheitern aktuell häufig daran, dass viele Wohnungseigentümer ihnen gleichgültig gegenüberstehen und sich an Abstimmungen nicht beteiligen. Es soll daher – neben der weiterhin bestehenden Möglichkeit der Beschlussfassung durch die (Anteils-) Mehrheit – eine zweite mögliche Variante der Willensbildung eingeführt werden: Demnach soll es auch ausreichen, wenn die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen – berechnet immer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile – zustimmt, sofern diese Mehrheit überdies zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreicht. Zur kompletten Abkehr vom Beschlussfähigkeitsquorum, wie nunmehr nach deutscher Rechtslage, wonach für eine Beschlussfassung lediglich die jeweilige Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, konnte man sich in Österreich nicht durchringen.


Mindestrücklage
Aktuell werden oftmals nur unzureichend hohe Beiträge zur Rücklage (entsprechend der deutschen „Erhaltungsrücklage“) vorgeschrieben, was mitunter die Durchführung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen gefährdet. Um diesem Problem zu begegnen, soll ein gesetzliches Mindestmaß für die monatliche Dotierung der Rücklage festgelegt werden, welches nur in Einzelfällen unterschritten werden darf: „wegen des besonderen Ausmaßes der bereits vorhandenen Rücklage oder wegen einer erst kurz zurückliegenden durchgreifenden Sanierung des Gebäudes“. Die Höhe soll mit 0,90 Euro/Quadratmeter Nutzfläche festgeschrieben werden. Die Problematik einer solchen Regelung liegt darin, dass ein Abweichen davon einerseits eine Verletzung der der Verwaltung obliegenden Pflichten begründet, andererseits aber die Ausnahmetatbestände für eine erlaubte Unterschreitung äußerst unklar und schwammig formuliert sind. Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) hat diesbezüglich Änderungsvorschläge in die Diskussion eingebracht. Ob und inwieweit diese vom Gesetzgeber noch aufgegriffen werden, bleibt abzuwarten.


Teilnahme an Eigentümer­ versammlungen im Wege elektronischer Kommunikation
Wie in Deutschland wird auch in Österreich der Eigentümerversammlung vom Gesetzgeber eine prioritäre Stellung unter den verschiedenen Möglichkeiten der Beschlussfassung eingeräumt. Es soll daher – entsprechend der deutschen Rechtslage – den Wohnungseigentümern die Möglichkeit zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen im Wege elektronischer Kommunikation eingeräumt werden, etwa durch eine Videokonferenzverbindung. Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage ist hierfür allerdings kein Beschluss erforderlich, die Einräumung dieser Möglichkeit liegt allein im pflichtgebundenen Ermessen des Verwalters.

 

Berger, Dr. Andreas

Wien