03.03.2015 Ausgabe: 2/2015

Zur Einsicht berechtigt?

Die aktuelle Rechtslage: Wie steht es um das Einsichtsrecht des WEG-Verwalters ins Datenbankgrundbuch, und warum es sinnvoll ist, es zu nutzen.

Wohnungseigentum stellt nach ganz überwiegender Auffassung echtes Immobiliareigentum dar, das neben den sachenrechtlichen Regelungen (insbesondere des WEG und des BGB) auch verfahrensrechtlich den Bestimmungen über die Grundbuchführung unterliegt (insbesondere der GBO). Zu letzteren gehören auch die gesetzlichen Vorgaben zur Einsichtnahme in das Grundbuch und die Grundakten mit dem zugehörigen Urkunden- und Schriftverkehr.

Anders als bei einigen europäischen Nachbarn (z. B. Österreich und Schweden) hat der deutsche Gesetzgeber das Grundbuch und die Grundakten seit jeher nicht einer allgemeinen Einsicht für jedermann geöffnet. Vielmehr hat ein Interessent dem Grundbuchgericht sein „berechtigtes Interesse“ für eine Einsichtnahme „darzulegen“. Dies gilt grundsätzlich auch für Grundbücher, die bereits in elektronischer Form geführt werden. Angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe hat sich in diesem Bereich eine reichhaltige Rechtsprechung entwickelt.

Die Stellung des Verwalters

Insbesondere nach dem Inkrafttreten der WEG-Novelle im Jahre 2007 mit der gesetzlichen Adaption des rechtsfähigen Verbandes und der damit einhergehenden Aufgabenerweiterung stellt sich zunehmend auch für den WEG-Verwalter die Frage nach einem Einsichtsrecht in das Grundbuch. Die Neuregelungen lassen den WEG-Verwalter nämlich nicht mehr allein als Vertreter der einzelnen Wohnungseigentümer erscheinen. Vielmehr ordnet der Gesetzgeber ihm jetzt eine – für die jeweilige Gemeinschaft durchaus rechtsgeschäftlich erweiterbare – Vertretungsmacht zu, die jedenfalls kraft Gesetzes die Passivvertretung des rechtsfähigen Verbandes umfasst.

Derzeit noch kein Anspruch auf Teilnahme am automatisierten Abruf

Die geänderte Rechtsstellung des WEG-Verwalters hat jedoch bisher in der einschlägigen Rechtsprechung zu keiner Änderung beim Einsichtsrecht geführt. So wird mitunter unverändert lediglich eine selektive – auf bestimmte Merkmale beschränkte – Einsicht in das Grundbuch und die zugehörigen Unterlagen gewährt. Auch eine nach dem derzeitigen Stand technisch durchaus denkbare Einbindung in das sog. eingeschränkte Abrufverfahren scheitert an den bisher gesetzlich eng gezogenen Teilnahmemöglichkeiten. Die unternehmerische Tätigkeit als Wohnungseigentumsverwalter allein begründet jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage noch keinen Anspruch auf Genehmigung zur Teilnahme am eingeschränkten automatisierten Grundbuchabrufverfahren.

Die Notwendigkeit der Grundbucheinsicht

Dabei ist die Einsichtnahme in das Grundbuch für einen verantwortungsvoll handelnden und an den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung orientierten WEG-Verwalter unerlässlich. Nur durch eine Grundbucheinsicht lassen sich nämlich rechtlich gesicherte Erkenntnisse erlangen. Ein Rückgriff auf die Datenbestände anderer Behörden (etwa der Katasterämter) kann allenfalls rechtlich unverbindliche Informationen verschaffen, die ihrerseits wiederum – unter Berücksichtigung von Übertragungsfehlern und zeitlichen Verzögerungen – aus den allein maßgeblichen Grundbucheintragungen abgeleitet worden sind.
Der durch eine Grundbucheinsicht erzielbare Informationsgewinn ist vielschichtig und beschränkt sich nicht auf die folgenden exemplarischen Punkte (in Anlehnung an ZWE 2014, 349):

  • Die Grundbuchblattnummern spiegeln den Umfang der Gesamtanlage wider. Neben der Anzahl der zu verwaltenden Einheiten kann die Angabe der Buchungsstellen ein mögliches – und sicheres – Kriterium zur Beschreibung der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsverkehr darstellen.
  • Die Lagebeschreibungen der Wohnungen lassen i. d. R. erkennen, ob es sich ggf. um eine Mehrhausanlage oder um mehrere selbstständig zu verwaltende Anlagen in unmittelbarer Nachbarschaft handelt. Hieraus lassen sich Rückschlüsse sowohl über den Umfang der Verwaltungstätigkeit, aber auch über das eventuelle Vorhandensein von Untergemeinschaften ziehen, was ggf. anhand der in den Grundakten befindlichen Gemeinschaftsordnung zu überprüfen wäre. So ist z. B. die Bestellung eines WEG-Verwalters für eine Untergemeinschaft nichtig. Oftmals existieren für solche Untergemeinschaften neben separierten Beschlusskompetenzen und Kostentragungsregelungen auch Sonderregelungen über gemeinschaftliche Sondernutzungsrechte mit entsprechender Kostentragungsverpflichtung für die jeweiligen Eigentümer einzelner Wohnhäuser (sog. Gruppensondernutzungsrechte).
  • ■ Die Eintragungen lassen eine evtl. rechtliche Verbindung zusammengelegter Einheiten erkennen. Dies kann wiederum Auswirkungen beim gesetzlichen Stimmrecht haben (Kopfprinzip).
  • Die Aufteilung und auch eine evtl. spätere Verschiebung der Miteigentumsanteile ergibt sich für jede Einheit aus dem Bestandsverzeichnis. Solche nachträglichen Verschiebungen finden insbesondere bei der Bildung von Mehrhausanlagen mit überdimensionierten Miteigentumsanteilen statt. Die Kenntnis der aktuellen Anteile ist weiterhin relevant für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung und ggf. für das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung bei einem vereinbarten Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen (Wertprinzip).
  • Aus dem Bestandsverzeichnis sind die für die Anlage allein verbindlichen Rechtsgrundlagen ermittelbar. Dazu gehört zum einen die zutreffende Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung, aber auch die dort wiederum in Bezug genommenen allein verbindlichen Aufteilungspläne. Die z. B. einem notariellen Wohnungskaufvertrag als Anlage beigefügte Fassung der Teilungserklärung ist ohne Bedeutung; dies gilt auch für dort enthaltene Nutzungsangaben.
  • Etwaige Veräußerungsbeschränkungen gem. § 12 WEG sind hier verlautbart. Dies gilt insbesondere auch für die in der Praxis üblicherweise vereinbarten Ausnahmetatbestände von einem Zustimmungserfordernis und eine evtl. bereits in einzelnen Grundbüchern durchgeführte Löschung.
  • Die Zuordnung von Sondernutzungsrechten mit ggf. abweichender Kostentragungspflicht ergibt sich aus dem Bestandsverzeichnis.
  • Aus der I. Abteilung eines Wohnungsgrundbuchs lassen sich die notwendigen Angaben zur Eigentümerstellung gewinnen. Diese Informationen werden zwingend für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Eigentümerliste benötigt. Auch eine Obliegenheit der Wohnungseigentümer zur Mitteilung eines etwaigen Eigentumswechsels an den WEG-Verwalter ändert an dieser Verpflichtung nichts.
  • Die Kenntnis des richtigen Eigentümers (und bei Personenmehrheiten sämtlicher Eigentümer!) ist unerlässlich, wenn es um die ordnungsgemäße Ladung zur Eigentümerversammlung, die Feststellung der Teilnahmeberechtigung an der Eigentümerversammlung und an einer Abstimmung geht.
  • Auch für die zutreffende Ermittlung der Lasten- und Kostentragung anlässlich eines Eigentümerwechsels – insbesondere im Versteigerungsfall – werden diese Angaben benötigt.
  • Verfügungsbeschränkungen, die sich auf das Eigentum beziehen, sind aus der II. Abteilung des Grundbuchs erkennbar. Dies können z. B. angeordnete Insolvenz- oder Zwangsverwaltungsverfahren, aber auch Testamentsvollstreckungen oder Nachlassverwaltungen sein. In den genannten Fällen sind dann – mit Besonderheiten für Zwangsverwaltungen – die allein verwaltungsbefugten Personen zur Eigentümerversammlung zu laden. Entsprechende Konsequenzen ergeben sich für das Stimmrecht.
  • Im Anlaufstadium einer Wohnungseigentümergemeinschaft lassen die in der II. Abteilung eingetragenen Erwerbsvormerkungen erkennen, ob ggf. anstelle des teilenden Eigentümers ein sog Ersterwerber zur Wohnungseigentümerversammlung zu laden ist.
  • Eingetragene Dienstbarkeiten verlautbaren z. B. Berechtigungen Dritter an dem zu verwaltenden, in Wohnungseigentumsrechte aufgeteilten Grundstück.
  • Eingetragene Reallasten können z. B. die Verpflichtung des aufgeteilten Grundstücks zur Lieferung von Heizenergie zugunsten eines Nachbargrundstücks absichern.
  • Sofern Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in ein Wohnungseigentum zur Diskussion stehen, ermöglicht die Kenntnis der Belastungssituation eine Beurteilung der Erfolgsaussichten.
  • Die Kündigung eines Feuerversicherungsvertrages oder eines verbundenen Gebäudeversicherungsvertrages inkl. Feuerversicherung bedarf unter bestimmten Voraussetzungen ggf. der Zustimmung der Grundpfandrechts­gläubiger, die ihre Ansprüche bei der Versicherung angemeldet haben.
Die Einführung des Datenbankgrundbuchs

Nach der Konzeption des Gesetzgebers sollen Grundbuchinhalte zukünftig strukturiert und logisch verknüpft werden, so dass sie in einer Datenbank gespeichert werden können. Durch eine solche strukturierte Datenhaltung soll eine wesentlich effizientere Einbindung des Grundbuchs in den elektronischen Rechtsverkehr ermöglicht werden.

Das entsprechende Gesetz vom 1.10.2013 hat an dem vorstehend beschriebenen Dilemma der WEG-Verwalter jedoch zunächst einmal nichts geändert. Der WEG-Verwalter könnte sich die angestrebten Vorteile der neuen Grundbuchführung nur dann zunutze machen, wenn er auch zur Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren berechtigt ist. Die hierzu notwendigen Rechtsänderungen können nach Auffassung des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag allerdings erst greifen, wenn der Abruf durch technische Vorkehrungen zum einen auf bestimmte Inhalte eines Grundbuchblatts und zum anderen auf einzelne Grundbuchblätter beschränkt werden kann. Außerdem muss die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Abrufe durch die aufsichtsführende Stelle gewährleistet sein.

Hoffnungsfroh stimmt nun allerdings, dass sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, „bei der Einführung des Datenbankgrundbuches (…) die Einsichtnahme des Verwalters am elektronischen Verfahren (zu) regeln“.

Anmerkung der Redaktion

Der DDIV konnte in der letzten Legislaturperiode erreichen, dass beim Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des Datenbankgrundbuches sowohl der Bundesrat als auch der Deutsche Bundestag je einen Prüfauftrag an die Bundesregierung stellten. Diese sahen vor, zu untersuchen, ob eine automatisierte Einsichtnahme des Verwalters am Datenbankgrundbuch möglich wäre. Im Gesetzgebungsverfahren selbst räumten die Bundesländer ein, dass eine technische Umsetzung gegeben ist. Danach ist es auch möglich, nur einzelne Abteilungen des automatisierten Grund­buches freizuschalten und dies auch dergestalt zu begrenzen, dass eine Einsichtnahme nur dort für den Verwalter möglich ist, wo eine Bestellung vorliegt.
Der DDIV hatte sich dann bei den Koalitionsverhandlungen 2013 dafür stark gemacht, dass ein Umsetzung angestrebt wird (siehe auch DDIVaktuell 5/13).

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Schneider, Prof. Wolfgang

Der Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht mit dem Schwerpunkt Liegenschaftsrecht lehrt im Fachbereich Rechtspflege der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin.