WEG-Recht

§ 16 Abs. 3 WEG: Kopfprinzip gilt nicht zwingend!

Mit Urteil vom 10. Juli 2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 198/14 hat der BGH entschieden, dass das im Wohnungseigentumsgesetz grundsätzlich festgelegte Kopfstimmprinzip (jeder Eigentümer hat nur eine Stimme, auch wenn ihm mehrere Wohnungen gehören) auch im Regelungsbereich von § 16 Abs. 3 WEG durch die Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) abdingbar ist.


Der Fall
Die WEG besteht aus 3 Wohnungen, die zwei Parteien gehören. Der Kläger hat seine Wohnung im 2. OG. Sie ist verbunden mit einem Miteigentumsanteil (MEA) von 223/1000. Den Beklagten – mutmaßlich Eheleute – gehören die anderen Wohnungen mit zusammen 777/1000 MEA. Abgestimmt wird laut Teilungserklärung (TE) nach dem Objektprinzip, d. h. jede Wohnung gewährt eine Stimme. Ferner ist in der TE vereinbart, dass Kosten nach MEA aufgeteilt werden. In der Versammlung stimmten die Beklagten mit 2:1 gegen die Stimme des Klägers dafür, dass die Betriebskosten für Treppenhausreinigung, Müllabfuhr und „Wasser allgemein" nunmehr nach Wohneinheiten verteilt werden und nicht mehr nach MEA. Für den Kläger hatte dies zur Folge, dass seine anteilige Belastung von 22,3% auf 33,33% stieg. Er erhob Anfechtungsklage und begründete diese ausschließlich damit, dass der Verwalter zu Unrecht die Annahme des Beschlussantrages verkündet habe, da im Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3 WEG zwingend das Kopfprinzip zu beachten sei, so dass bei richtiger Zählweise die Stimmabgabe 1:1 lautete, so dass der Stimmenpatt zur Ablehnung des Antrages habe führen müssen. Weitere Anfechtungsgründe schob er erst nach Ablauf der zweimonatigen Klagebegründungsfrist nach.


Die Entscheidung
Die Klage scheiterte in allen drei Instanzen. Der BGH bestätigt, dass im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 WEG entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung nicht zwingend das Kopfprinzip zu gelten habe, also auch in denjenigen Fällen, in denen laut TE entweder nach dem Objektprinzip oder dem Anteilsprinzip (auch Wertprinzip genannt) abzustimmen sei. Eine solche Lesart könne man dem Gesetz nicht entnehmen. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Kopfprinzip sei nur in den Regelungen des § 16 Abs. 4 und des § 22 Abs. 2 WEG ohne weiteres verankert; bei § 16 Abs. 3 WEG fehle eine solche Regelung. Da der Kläger es versäumt habe, innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist (ab Versammlungstag) andere Anfechtungsgründe vorzutragen (z. B. die Bestimmtheit des Beschlusses, die Frage der Rückwirkung, die Gerechtigkeit des neuen Verteilerschlüssels), müsse das Gericht hierüber auch nicht entscheiden. Mit diesen nachgeschobenen Anfechtungsgründen sei der Kläger ausgeschlossen (Hinweis auf die Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 WEG).


Fazit für den Verwalter
Bei Beschlüssen über die Änderung von Kostenverteilungsschlüsseln für Betriebskosten oder Verwaltungskosten hat der Verwalter das Mehrheitsprinzip (Stimmenkraft) anzuwenden, welches in der TE vereinbart ist, also Kopf-, Objekt- oder Anteils-/Wertprinzip. Ist das Objekt- oder Anteils-/Wertprinzip vereinbart, muss er also nicht nach Köpfen abstimmen lassen. Es verhält sich also im Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3 WEG anders als bei Abstimmungen nach § 16 Abs. 4 WEG und § 22 Abs. 2 WEG. Dort ist zwingend nach Kopfprinzip abzustimmen, selbst wenn an sich in der TE ein anderes Stimmprinzip vereinbart sein sollte.


Laut BGH-Sachverhalt ließen sich die Beklagten in der Versammlung vom Verwalter vertreten. Es ist nicht ersichtlich, ob der Verwalter insoweit eine Stimmrechtsweisung hatte (für den Beschlussantrag zu stimmen) oder nicht. Falls der Verwalter eine Blankovollmacht für die Einheiten der Beklagten besessen haben sollte, ist in der Rechtsprechung streitig, ob der Verwalter für den streitigen Beschlussantrag hätte stimmen oder sich wegen seiner Neutralitätspflicht enthalten müssen. Hierzu ist aber – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht weiter Stellung bezogen worden. Bis auf weiteres wird man als Verwalter meiner Meinung nach in einer der vorliegenden Fallkonstellationen nach freiem Ermessen die Vollmacht ausüben dürfen. Der sicherere Weg ist freilich die Stimmenthaltung. Dann wäre im vorliegenden Fall der Antrag mit der Stimme des Klägers (1:0) abgelehnt worden.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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