WEG-Recht

§ 49 Abs. 2 WEG: Zuckerbrot und Peitsche aus Karlsruhe

Wahrscheinlich hat jeder Berufsverwalter schon von § 49 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gehört. Die Vorschrift erlaubt es Gerichten, ihm die Prozesskosten einer Anfechtungsklage aufzuerlegen, wenn diese durch grob schuldhafte Pflichtverletzungen des Verwalters provoziert wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Juli 2016 zu dieser Vorschrift und den Rechtsschutzmöglichkeiten des Verwalters gegen eine Kostenauferlegung geäußert.

Mit Beschluss vom 07.07.2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZB 15/14 hat der BGH eine Kostenentscheidung des LG Dresden bestätigt, in der dieses einem professionellen WEG-Verwalter die Kosten einer Anfechtungsklage teilweise „aufgebrummt” hatte. Das Amtsgericht Görlitz hatte die Kosten in erster Instanz noch unter den Parteien (Kläger und Beklagte) verteilt, das Landgericht hingegen hat diese Kostenentscheidung in der Berufungsinstanz abgeändert und den Großteil dem Verwalter auferlegt. Fairerweise hatte das Landgericht aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, damit der Verwalter sich gegen diese erstmalig in der Berufungsinstanz erfolgte Kostenbelastung zur Wehr setzen konnte.

Der Fall

In einer WEG, in der die Klägerin Mehrheitseigentümerin ist, sieht § 10 Nr. 4 der Teilungserklärung (TE) vor, dass die Versammlung einem Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Hausgeld länger als einen Monat in Verzug ist, das Stimmrecht entziehen kann. Zu Beginn einer Versammlung vom 01.11.2010 verlas der Geschäftsführer der Verwalterin § 10 Nr. 4 TE und wies darauf hin, dass die Klägerin – was zutraf – mit EUR 6.290,00 Hausgeldzahlungen in Rückstand sei. Die Klägerin nahm aufgrund dessen an, sie dürfe an den Abstimmungen nicht teilnehmen. Der Verwalter widersprach dem nicht und ließ insbesondere die Versammlung nicht über einen möglichen Stimmrechtsausschluss der Klägerin abstimmen.

Die Klägerin erhob gegen mehrere Beschlüsse Anfechtungsklage und darüber hinaus eine Protokollberichtigungsklage, da der Verwalter unterschiedliche Fassungen des Versammlungsprotokolls im Hinblick auf die erfolgte Verlesung von § 10 Nr. 4 TE in Umlauf brachte. Der Anfechtungsklage wurde stattgegeben, die Protokollberichtigungsklage wurde abgewiesen. Das Landgericht Dresden entschied, dass die Prozesskosten der ersten Instanz ganz überwiegend und die des Berufungsverfahrens zur Hälfte dem Verwalter auferlegt werden. Hiergegen wendet sich der Verwalter mit der Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung

Der BGH bestätigt die Kostenentscheidung. Der Verwalter habe aufgrund seines Verhaltens die Klägerin faktisch von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen. Dabei komme es gar nicht darauf an, dass die Regelung in § 10 Nr. 4 TE nichtig sei, da auch bei Hausgeldrückständen das Mitgliedschaftsrecht nicht zum erlöschen komme. Denn bereits dem Wortlaut der Bestimmung nach hätte es sich dem Verwalter aufdrängen müssen, dass die Versammlung per Beschluss (Geschäftsordnungsbeschluss) darüber hätte abstimmen müssen, ob die Hausgeldschuldnerin vom Stimmrecht ausgeschlossen werden solle oder nicht. Da der Versammlungsleiter für eine ordnungsmäßige Durchführung der Eigentümerversammlung zu sorgen habe, hätte der Verwalter die Versammlungsteilnehmer bei pflichtgemäßen Verhalten auf das Erfordernis einer Beschlussfassung über den Stimmrechtsausschluss hinweisen müssen. Dies sei spätestens dann veranlasst gewesen, als die Klägerin ausdrücklich – wenn auch rechtsirrig – erklärt hatte, sie könne nicht mit abstimmen, weil sie ausgeschlossen sei.

Diese Pflichtverletzung des Verwalters sei auch als grob schuldhaft im Sinne von § 49 Abs. 2 WEG anzusehen. Da bereits die bloße Lektüre von § 10 Nr. 4 TE ausreichte, um das Abstimmungserfordernis zu erkennen, habe der Verwalter die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten und sich aufdrängen müssen. Jedenfalls von einem erfahrenen Berufsverwalter könne diese Umsichtigkeit bei der Versammlungsleitung erwartet werden.

Fazit für den Verwalter

Der BGH gibt dem Verwalter Zuckerbrot, wenn er feststellt, dass ein Rechtsschutz gegen § 49 Abs. 2 WEG auch in Betracht kommt, wenn erstmals im Berufungsrechtszug die Kostenentscheidung den Verwalter (ganz oder teilweise) trifft. Voraussetzung ist freilich, dass das zweitinstanzliche Gericht die Rechtsbeschwerde zulässt. Hierauf sollten Verwalter bzw. deren Prozessbevollmächtigte in der zweiten Instanz drängen.

Die Peitsche knallte für den hiesigen Beschwerdeführer trotzdem, da der BGH eine grob schuldhafte Verletzung von Pflichten bei der Durchführung der Eigentümerversammlung feststellte. Ein Profiverwalter sollte sich also hinter die Ohren schreiben, die Regelungen der Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) stets gründlich zu studieren und in der Eigentümerversammlung gegebenenfalls Hinweise zu erteilen. Eine Klage auf Protokollberichtigung ist nicht gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, sondern gegen den Verwalter. Dies hatte die Klägerin vorliegend offenbar verkannt, so dass sie erstinstanzlich mit der Berichtigungsklage baden ging und die Prozesskosten insoweit selbst tragen musste.

Obwohl nicht die Wohnungseigentümer, sondern der rechtsfähige Verband Vertragspartei des Verwalters sind, können sich auch einzelne geschädigte Wohnungseigentümer mit ihren Schadensersatzansprüchen auf den Verwaltervertrag stützen. Dieser hat insoweit Schutzwirkung zugunsten Dritter (der Wohnungseigentümer).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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