Streitigkeiten unter Wohnungseigentümern landen grundsätzlich nicht vor dem allgemeinen Zivilgericht, sondern dem Wohnungseigentumsgericht. So regelt es § 43 WEG. Ab dem 1.12.2020 werden auch Streitigkeiten über die sachenrechtlichen Grundlagen zu diesen Streitigkeiten zählen. Streitigkeiten aus Kauf- oder sonstigen Erwerbsverträgen über Wohnungseigentum fallen hingegen nicht unter diese Sondervorschriften. Rechtsanwälte erleben immer wieder Bauchlandungen, so auch jetzt in einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall aus dem Schwarzwald.
Mit Beschluss vom 24. September 2020 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZB 90/19 bekräftigt der BGH einmal mehr die einhellige Ansicht, dass Ansprüche aus Erwerbsverträgen über Wohnungseigentum keine Wohnungseigentumssachen sind, und zwar auch dann nicht, wenn Kläger und Beklagte die einzigen Sondereigentümer sind und das klägerische Begehren sich auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung richtet, der Streit aber nicht im Gemeinschaftsverhältnis wurzelt, sondern in einer kaufvertraglichen Rechtsbeziehung. Wichtig ist dies für den Rechtsmittelweg. In WEG-Sachen landen Rechtsmittel bei dem im jeweiligen OLG-Bezirk allein zuständigen zentralen Berufungs- und Beschwerdegericht. In allgemeinen Zivilsachen gilt der normale Rechtsweg in die höhere Instanz.
Der Fall
Die Kläger und die Beklagte sind die einzigen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft im nördlichen Schwarzwald. Das Grundstück war von einer Bank (Verkäuferin) in zwei Sondereigentumseinheiten (Gebäudeeinheit Nr. 1 und Gebäudeeinheit Nr. 2) aufgeteilt und zeitversetzt an die Parteien verkauft worden. Den Kaufvertrag mit der Beklagten schloss die Bank vor der geplanten Aufteilung in Wohnungseigentum. Der Kaufvertrag sah die Verpflichtung des Käufers (Beklagte) vor, gegen Bauvorhaben des jeweiligen Eigentümers der anderen Sondereigentumseinheit keine Einwendungen zu erheben, sofern diese baurechtlich zulässig sind. Die anschließend errichtete Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung hingegen enthält in diesem Punkt folgende Regelung: Soweit rechtlich möglich, hat jeder Sondereigentümer das Recht, ohne die Zustimmung der anderen Umbaumaßnahmen an seinem Gebäude auf seine Kosten vorzunehmen. Im Jahr 2014 erwarben die Kläger von der Bank das Sondereigentum Nr. 1.
Gestützt auf die von der Bank an sie abgetretenen kaufvertraglichen Ansprüche verlangen die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zu einer Änderung der Teilungserklärung dahingehend, dass die in dem Kaufvertrag zwischen Bank und Beklagter enthaltene Regelung vereinbart ist. Das Amtsgericht Calw gab der Klage statt und nannte in der Rechtsmittelbelehrung das in allgemeinen Zivilsachen zuständige Landgericht Tübingen als zuständiges Berufungsgericht. Die Beklagte legte ihre Berufung jedoch bei dem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Landgericht Stuttgart ein, das das Rechtsmittel als unzulässig verwarf. Dagegen richtet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie beim BGH scheiterte.
Die Entscheidung
Der BGH bestätigt die Vorinstanz. Das Landgericht Stuttgart war unzuständig, weil es sich nicht um eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 1 WEG gehandelt habe. Zwar sei richtig, dass die Parteien des Rechtsstreits die einzigen Sondereigentümer der Gemeinschaft seien. Ferner wäre § 43 Nr. 1 WEG auch im Verhältnis ausgeschiedener Sondereigentümer anwendbar, sodass es unschädlich gewesen wäre, dass der eingeklagte abgetretene Anspruch der früheren Sondereigentümern (Bank/Verkäuferin) zugestanden habe. Darauf komme es aber nicht an. Der BGH betont einmal mehr, dass ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts nicht die Rechtsgrundlage sei, aus der die Klägerseite ihre Ansprüche herleite, sondern allein der Umstand, ob das von einem klagenden Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit stehe, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachse. Ein solcher innerer Zusammenhang liege bei kaufvertraglichen Übereignungs-, Zahlungs- oder Gewährleistungsansprüchen nicht vor. Der notwendige innere Zusammenhang mit einer Angelegenheit, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachse, fehle aber auch dann, wenn ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung aus einem Kaufvertrag oder wie hier aus allgemeinen schuldrechtlichen Rechtsgrundlagen wie dem Bereicherungsrecht abgeleitet werde. Hier werde der Beklagte nicht als Sondereigentümer, sondern als Vertragspartei des Kaufvertrages bzw. als Bereicherungsschuldner in Anspruch genommen.
Bitter für die Klägerseite war, dass der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist ebenfalls scheiterte. Denn er war fälschlicherweise beim BGH gestellt worden und nicht bei dem zuständigen Berufungsgericht in Stuttgart. Dieser Schnitzer ließ sich prozessual nicht mehr heilen.
Fazit für den Verwalter
Die Bedeutung der Entscheidung für die Verwalterpraxis hält sich in Grenzen. Geläufig sein sollte der Unterschied zwischen allgemeiner Zivilgerichtsbarkeit und wohnungseigentumsrechtlicher Zentralgerichtsbarkeit. Wissenswert, wenngleich nicht neu ist, dass ganze Gebäude zu Sondereigentum erklärt werden können. Vorliegend ging es um eine Zweiergemeinschaft. Diese haben häufig keinen Verwalter. Anderes kann gelten, wenn es sich z.B. um ein Einkaufszentrum oder Ärztehaus und einen Wohnturm handelt, was sich den mitgeteilten Entscheidungsgründen nicht entnehmen lässt.
Wäre die Klage auf das Gemeinschaftsverhältnis gestützt worden, also beispielsweise einen Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG, wäre die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte gegeben gewesen, beispielsweise auch in der Variante einer Vereinbarungsersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG, die nach gegenwärtiger Rechtslage in solchen Situationen statthaft ist. Zuständiges Berufungsgericht wäre dann das Landgericht Stuttgart gewesen.
Die aufteilende Bank hat es versäumt, die kaufvertragliche Regelung mit der Beklagten wortlautgetreu in die Gemeinschaftsordnung zu übernehmen. Dann wäre § 22 Abs. 1 WEG im Verhältnis der Wohnungseigentümer (Teileigentümer) dahingehend abbedungen gewesen, dass jede baurechtlich (öffentlich-rechtlich) zulässige Baumaßnahme und Nutzung des Sondereigentums Nr. 1 auch wohnungseigentumsrechtlich gestattet und von der Beklagten zu dulden gewesen wäre. Die stattdessen gewählte Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung war bei objektiv-normativer Auslegung enger gefasst und wurde den Klägern zum Verhängnis. Möglicherweise empfiehlt sich für die Kläger ein neuer Anlauf auf Basis des neuen Wohnungseigentumsgesetzes (WEMoG) ab 1.12.2020 in Gestalt eines Beschlussantrags auf Gestattung der baulichen Veränderung auf eigene Kosten unter Beachtung der Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG-E. Eine Änderung der Zweckbestimmung ließe sich auf diesem Wege freilich nicht erreichen.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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