Arbeitsrecht

Abtauchen im Gefängnis ist noch kein Kündigungsgrund

Der Fall

A ist Informatiker bei einem IT-Unternehmen. Das Arbeitsverhältnis ist seit längerem belastet. Am 26. April bat er seinen Vorgesetzten, ihn nach seinem Urlaub ab dem 16. Mai bis Anfang August freizustellen. Der Vorgesetzte lehnte eine Freistellung ab.

Gegen A wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Erstellung falscher Lohnsteuerbescheinigungen und der unrechtmäßigen Vereinnahmung von Lohnsteuererstattungen geführt. Am 28. April wurde er während der Verhandlung im Gerichtssaal verhaftet und in Untersuchungshaft genommen und ins Gefängnis gebracht. An diesem Tag war auch eine Rechtsanwältin der Arbeitgeberin vor Ort, um das zu beobachten. A blieb bis zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung am 8. November inhaftiert.

Bei seiner Arbeitgeberin meldete er sich nicht (ab). Als A unentschuldigt nicht zur Arbeit erschien, mahnte die Arbeitgeberin ihn am 20. Mai ab. Nach Kenntnis über den Gefängnisaufenthalt kündigte sie das Arbeitsverhältnis im Juni außerordentlich fristlos.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist. Ein wichtiger Grund liegt nicht vor.

Da A im Gefängnis saß, war er objektiv gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Das kann ein personenbedingter Kündigungsgrund sein. Für eine außerordentliche Kündigung ist aber erforderlich, dass der gefängnisbedingte Arbeitsausfall es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Termin einer ordentlichen Kündigung fortzusetzen. Der Arbeitgeber kann hier auf die Rückkehr warten.

A war gehalten, dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen, dass er in Untersuchungshaft genommen wird und ihn über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis zu setzen. Aus dem berechtigten Planungsinteresse des Arbeitgebers kann sich zudem die Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, über anstehende Haftprüfungstermine Auskunft zu geben. Gegen diese vertragliche Mitteilungspflicht hat er verstoßen. Das allein hat noch kein besonderes Gewicht. Eine fristlose Kündigung kommt regelmäßig erst dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten beharrlich verletzt oder durch sein Verhalten anderweitig deutlich macht, dass er auch in Zukunft nicht bereit sein werde, ihnen nachzukommen.

A durfte davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin wegen der Anwesenheit ihrer Anwältin bei der Inhaftierung Kenntnis von seiner Verhinderung hatte. Daher ist sein „Schweigen“ nicht als beharrliche Arbeitsverweigerung zu sehen. Zudem hat er sich in der Vergangenheit nichts zu Schulden kommen lassen.

Der Tipp

Arbeitgeber sind berechtigt, jegliche Pflichtverletzung abzumahnen. Wichtig ist, bei dauerhaften oder sich wiederholenden Pflichtverletzungen auch diese weiter/ erneut abzumahnen. Erst wenn dann das Fehlverhalten andauert oder sich wiederholt, hat eine fristlose Kündigung Aussicht auf Erfolg.

(BAG, Urteil vom 26.03.2015 - 2 AZR 517/14)