Mit Urteil vom 23.10.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 76/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit einem Fall befasst, in dem es um die Anfechtung eines Beschlusses über die Beauftragung von Rechtsanwalt C. mit der Vertretung der Beklagten in einem Anfechtungsverfahren ging, das die Bestellung eines Verwalters für das Jahr 2011 zum Gegenstand hat. Der BGH stellt wichtige Rechtsgrundsätze für die Praxis auf.
Der Fall
In der Versammlung vom 10.09.2011 wird mehrheitlich die Beauftragung von Rechtsanwalt C. zur Vertretung in einem Anfechtungsverfahren beschlossen. Der Beschluss betraf die Verwalterbestellung für den Zeitraum vom 07.05.2011 bis zum 31.12.2011. Bestellt wurde die B. GmbH. Gegen den Beschluss wurde Anfechtungsklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärten zwei Beklagte, sich nicht von Rechtsanwalt C. vertreten lassen zu wollen. Dieser stellte keinen Antrag, war also prozessrechtlich gesehen säumig. Der Beklagte zu 2. erkannte die Klage an. Das Amtsgericht erließ ein Anerkenntnisurteil. Hiergegen legten die Beklagten, die in erster Instanz mithin säumig waren, Berufung ein. Am 10.10.2014 während des Berufungsverfahrens erteilte der heute amtierende Verwalter Rechtsanwalt Dr. N. Prozessvollmacht zur Vertretung der Beklagten. Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück, da die säumigen Beklagten durch die Berufungseinlegung sich nicht mehr von dem Anerkenntnisurteil wieder lösen könnten. Der BGH sah dies anders und verwies die Sache zurück zum Berufungsgericht.
Die Entscheidung
Der BGH teilt nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, die erstinstanzlich säumigen Beklagten hätten sich nicht durch Berufungseinlegung vom Anerkenntnisurteil wieder lösen können. Eine solche Sanktion sehe das Prozessrecht nicht vor. Die beklagten Wohnungseigentümer in einem Anfechtungsverfahren seien notwendige Streitgenossen, so dass jeder von ihnen unabhängig vom anderen Rechtsmittel einlegen könne und dadurch auch erstinstanzlich erzeugte Bindungswirkungen wieder rückgängig machen dürfe. Die in erster Instanz säumigen Beklagten seien an das von einem einzigen Miteigentümer (Beklagten zu 2) abgegebene Anerkenntnis nicht mehr gebunden.
Der BGH stellt weitere wichtige Aussagen auf:
Grundsätzlich hat der Verwalter die gesetzliche Vertretungsmacht zur Mandatierung eines Rechtsanwalts für die Beklagten im Anfechtungsverfahren. Er braucht also keinen Beschluss oder eine Ermächtigung im Verwaltervertrag, um den Anwalt auswählen und beauftragen zu dürfen. Diese gesetzliche Vertretungsmacht wird nicht dadurch rückwirkend hinfällig, dass der Bestellungsbeschluss später von einem Gericht für ungültig erklärt wurde.
Die gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters zur Anwaltsbeauftragung schließt es nicht aus, dass einzelne Beklagten sich nicht von dem ausgewählten Rechtsanwalt vertreten lassen möchten, sondern sich selbst vertreten (vor dem Amtsgericht zulässig, da kein Anwaltszwang), einen eigenen anderen Rechtsanwalt beauftragen wollen oder sich gar nicht anwaltlich beteiligen möchten.
Wie schon in einer Entscheidung vom 05.07.2013 V ZR 241/12 lässt es der BGH ein weiteres Mal offen, ob die gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters auch dann bestehen kann, wenn er gemäß § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG als Zustellungsvertreter ausgeschlossen gewesen wäre, da beispielsweise aus dem Streitgegenstand des Anfechtungsverfahrens ein konkreter Interessenkonflikt droht. Denn der im Parallelprozess angefochtene Beschluss über die Bestellung der B-GMBH betraf nicht den Verwalter, der vorliegend den Beklagtenvertreter ausgesucht hatte, sondern einen anderen Verwalter.
Die Frage, ob der Verwalter die Beklagten rechtzeitig über das Anfechtungsverfahren unterrichtet habe, könne für die Vertretungsmacht offenbleiben. Eine solche mögliche Pflichtverletzung (die von Klägerseite behauptet wurde) führe weder zu einem Interessenkonflikt noch zu einem Ausschluss der Vertretungsmacht.
Am Ende der Entscheidung trifft der BGH die für die Praxis wichtige Aussage, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der beklagten Wohnungseigentümer für die Prozesskosten vom Gericht nicht angeordnet werden dürfe. Das Gesetz sieht insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung nicht vor. Gegenteiligen untergerichtlichen Rechtsmeinungen erteilt der BGH ausdrücklich eine Absage.
Fazit für den Verwalter
Der bestellte Verwalter hat kraft Gesetzes die Vertretungsmacht, um in Anfechtungsverfahren einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung der beklagten Wohnungseigentümer zu beauftragen. Es bedarf dazu keines Beschlusses und keiner Weisung. Der Verwalter sollte unverzüglich agieren und den Anwalt beauftragen sowie anschließend die Eigentümer unterrichten. Dadurch wird diesen die Möglichkeit gegeben, einen eigenen Rechtsanwalt zu beauftragen, eine Vertretung durch den vom Verwalter eingeschalteten Anwalt abzulehnen oder sich selbst (jedenfalls vor dem Amtsgericht) prozessual zu vertreten. Sofern einzelne Beklagte sich nicht von dem vom Verwalter für sie ausgesuchten Rechtsanwalt vertreten lassen möchten, muss ihnen gleichwohl bewusst sein, dass sie mit anteiligen Kosten belastet werden dürfen. Jedenfalls für die bereits entstandene Verfahrensgebühr hat dies meiner Meinung nach zu gelten. An einer Terminsgebühr dürften sie nicht mehr zu beteiligen sein, wenn die Beauftragung des Anwalts zuvor insoweit widerrufen wurde. Dies ist bei der Verteilung der Prozesskosten in einer späteren Jahresabrechnung relevant.
Weiterhin ungeklärt ist die Frage, ob die gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters dann ausscheidet, wenn aufgrund des Streitgegenstandes der Anfechtungsklage die konkrete Besorgnis besteht, dass der Verwalter die Rechtsverteidigung der Beklagten nicht ordnungsmäßig organisieren wird.
Die Beklagten sind notwendige Streitgenossen. Das Anerkenntnis eines oder einzelner Eigentümer bindet die übrigen Beklagten nicht. Es darf also kein Teil-Anerkenntnis-Urteil ergehen. In dem sehr seltenen hier aber gegebenen Ausnahmefall, dass die übrigen Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung säumig sind (also entweder gar nicht anwesend und vertreten oder zwar anwesend, aber ohne Antragstellung), kann allerdings ein Anerkenntnisurteil erlassen werden, wenn nur ein einziger Beklagter das Anerkenntnis abgibt. Hier darf also das Gericht kein Teil-Anerkenntnis- und Teil-Versäumnisurteil erlassen. Es ergeht einheitlich ein Anerkenntnisurteil. Trotzdem können die erstinstanzlich säumigen Beklagten durch Berufungseinlegung die Wirkungen des Urteils wieder beseitigen und sich zweitinstanzlich gegen die Klage verteidigen.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte
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