Mietrecht

Anwendbarkeit der Vorschriften des Wohnraummietrechts vom Zweck der Anmietung abhängig

Hinsichtlich der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, ist auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt. Werden die Räume weitervermietet oder Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlassen, sind die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar.

Der Fall

Für ein Grundstück in Berlin ist im Jahr 2011 ein Zwangsverwalter bestellt worden. Die Zwangsverwaltungsschuldnerin, eine GmbH & Co. KG, hatte mit einem Mietvertrag aus September 2009 acht Wohnungen in dem Anwesen an eine andere Personenhandelsgesellschaft vermietet. Der Mietvertrag mit der Überschrift „Mietvertrag über Wohnraum" enthielt unter anderem die Vereinbarungen, dass dem Mieter die näher bezeichneten Wohnungen zu Wohnzwecken vermietet werden sowie das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit läuft und unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Ferner wurde vereinbart, dass der Mieter zu einer Untervermietung und zur Stellung eines Nachmieters oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt ist und das Halten von Haustieren der Erlaubnis des Vermieters bedarf. Mit Schreiben aus August 2011 kündigte der Zwangsverwalter für die Vermieterin ohne Angabe von Gründen das Mietverhältnis mit Wirkung zum 30. November 2011. Noch im September 2011 vermietete die Mieterin eine der acht Wohnungen an einen Untermieter. Im Juni 2016 kündigte der Zwangsverwalter das Mietverhältnis mit dem Untermieter wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß und forderte ihn zur Räumung und Herausgabe der Wohnung auf.

Das Amtsgericht hatte der Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete bzw. Nutzungsentschädigung stattgegeben. Das Berufungsgericht hingegen wies die Klage ab und vertrat die Ansicht, die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Zwangsverwalter nicht zu, weil er nicht durch die im Jahr 2011 ausgesprochene Kündigung gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in das zwischen der Mieterin und dem Untermieter bestehende Mietverhältnis eingetreten sei. Mangels Angabe eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB sei die erklärte Kündigung aus dem Jahr 2011 nicht wirksam gewesen. Die im Wohnraummietrecht zu beachtende Begründungspflicht gelte nach Ansicht des Berufungsgerichts auch für die Kündigung des Mietverhältnisses zwischen der Vermieterin als Zwangsverwaltungsschuldnerin und der Personengesellschaft als Mieterin, da dies dem Willen der Mietvertragsparteien entsprechend der Mietvertragsurkunde entspreche. Die Vermieterin und die Mieterin hätten ausdrücklich auf die Anwendung wohnraummietrechtlicher Vorschriften abgestellt, indem sie im Vertrag auf § 573c BGB Bezug nahmen. Diese Vorschrift gelte – ohne entsprechende Vereinbarung – für Gewerberaummietverhältnisse aber gerade nicht (§ 580a Abs. 2 BGB).

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) folgt der Auffassung des Berufungsgerichts nicht und führt aus, dass der eingesetzte Zwangsverwalter nicht gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen der Mieterin und dem Untermieter eingetreten sei, weil das Mietverhältnis mit der Mieterin nicht durch die im August 2011 ohne Angabe von Gründen erklärte Kündigung beendet werden konnte. Laut BGH fehle es hier bereits an einem Mietverhältnis über Wohnraum, so dass das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB nicht zu beachten sei. Gemessen an dem maßgeblichen vertraglichen Nutzungszweck habe ein Mietverhältnis über andere Räume nach § 578 Abs. 2 BGB bestanden.

Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass bei der Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliege, auf den Nutzungszweck abzustellen sei, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolge. Gehe der Zweck des Vertrags dahin, dass der Mieter die Räume weitervermietet oder sonst Dritten – auch zu Wohnzwecken – überlässt, seien die Vorschriften des Wohnraummietrechts auf das (Haupt-)Mietverhältnis nicht anwendbar. Es müsse bei einer solchen Beurteilung immer durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt werden, ob der Mieter die Räume nach dem Vertrag zu eigenen Wohnzwecken anmietet oder die Vermietung zu Zwecken im Vordergrund stehe, die keinen Wohnraumcharakter haben. Entscheidend seien die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien darüber, wie das Mietobjekt genutzt werden solle. Im vorliegenden Fall habe die Mieterin die Räume ersichtlich nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet, weil sie als Personenhandelsgesellschaft eigenen Wohnbedarf nicht haben könne. Selbst bei einer natürlichen Person spräche die gleichzeitige Anmietung von acht Wohnungen gegen eine Nutzung zu (eigenen) Wohnzwecken. Auch die im Mietvertrag enthaltene Vereinbarung zu einer Untervermietung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung an Dritte verdeutliche den Vertragszweck einer gewerblichen Weitervermietung, so der BGH. Schließlich dürfe man sich auch nicht durch sonstige Vereinbarungen im Mietvertrag leiten lassen, die zu einer Annahme einer konkludent vereinbarten „Unterwerfung unter das soziale Mietrecht“ führen. Denn solche Vertragsbestimmungen seien lediglich vor dem Hintergrund des Vertragszwecks der Weitervermietung an Dritte zu sehen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2021, Az. VIII ZR 66/19

Vorinstanzen:
LG Berlin, Urteil vom 21. Februar 2019, Az. 67 S 341/17
AG Berlin-Mitte, Urteil vom 8. November 2017, Az. 9 C 69/17