In den letzten Jahren herrschte Unsicherheit, ob Fortgeltungsklauseln nichtig sind, wenn sie nicht auf die nächstjährige Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan beschränkt waren. Jetzt sorgt ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) für klare und praxisfreundliche Verhältnisse.
Mit Urteil vom 14.12.2018 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 2/18 entschied der BGH, dass Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz besitzen, festzulegen, dass der vorgelegte Wirtschaftsplan für ein konkretes Jahr bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fort gilt. Hingegen sei ein allgemeiner Beschluss, wonach ab sofort jeder künftige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen fortgelten soll, mangels Beschlusskompetenz nichtig.
Der Fall
Mit seiner Beschlussanfechtungsklage wehrt sich der Kläger gegen den folgenden Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12.08.2014:
Der Verwalter stellt den Antrag, den Gesamtwirtschaftsplan 2015 zu genehmigen, der solange Gültigkeit hat, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen wird.
Der Kläger will die Feststellung, dass dieser Beschluss nichtig ist, hilfsweise, dass er jedenfalls insoweit nichtig ist, als er solange Gültigkeit haben soll, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen ist. Er bemängelt, dass im Beschluss die Befristung auf die Aufstellung des nächsten Wirtschaftsplanes im kommenden Kalenderjahr fehle. Seiner Ansicht nach sei dem Verwalter ein Freibrief erteilt, künftig bzw. im kommenden Kalenderjahr keinen Wirtschaftsplan aufstellen zu müssen, was sowohl gegen die gesetzliche Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG verstoße als auch gegen § 16 der hier geltenden Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung (TE/GO). Laut § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen. § 16 TE/GO bestimmt, dass der Wirtschaftsplan jeweils für ein Geschäftsjahr im Voraus vom Verwalter von Jahresbeginn an aufgestellt werden muss.
Der Kläger ging in allen drei Instanzen (Amtsgericht und Landgericht Hamburg, BGH) baden.
Die Entscheidung
Der Kläger hatte die Anfechtungsfrist verschlafen, so dass die Gerichte nur Nichtigkeitsgründe prüften. In Betracht kamen eine fehlende Beschlusskompetenz und eine Unbestimmtheit im Sinne einer Undurchführbarkeit des Beschlusses. Beide Nichtigkeitsgründe verneint der BGH.
Die Beschlusskompetenz folgt aus § 28 Abs. 5 WEG. Danach beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit über den Wirtschaftsplan, den der Verwalter gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG jeweils für ein Kalenderjahr aufzustellen hat. § 28 Abs. 5 WEG erlaubt es, dass ein konkreter Wirtschaftsplan hier war es der Wirtschaftsplan für das Jahr 2015 bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll. Ein solcher konkreter Fortgeltungsbeschluss lasse die gesetzliche und hier in § 16 TE/GO explizit - vereinbarte Pflicht des Verwalters, auch für das Folgejahr im Voraus einen Wirtschaftsplan aufzustellen, unberührt. Jeder Eigentümer könne trotz des Beschlusses vom Verwalter die Aufstellung eines nächstjährigen Wirtschaftsplanes verlangen. Im Weigerungsfall stünde jedem Eigentümer gegen den Verwalter sogar ein individuelles Klagerecht zu (Rn. der Urteilsgründe).
Mangels Beschlusskompetenz nichtig wäre nur eine abstrakt-generelle Anordnung der Fortgeltung künftiger Wirtschaftspläne. Die Kompetenz für einen solchen Beschluss lasse sich insbesondere auch nicht § 21 Abs. 7 WEG entnehmen, denn dieser regele die Fälligkeit, nicht aber die Geltungsdauer eines Wirtschaftsplanes. Für eine derartige generelle Neuregelung sei eine Vereinbarung über die Änderung der TE/GO erforderlich.
Der BGH hält die Formulierung des Beschlusses auch für hinreichend bestimmt genug, so dass dahinstehen könne, ob die Unbestimmtheit überhaupt zur Nichtigkeit hätte führen können oder nur zu seiner Anfechtbarkeit (Rn. 20).
Fazit für den Verwalter
Erste Umfragen auf Seminarveranstaltungen ergaben, dass viele Verwalter die Problematik, um die es im vorliegenden Rechtstreit ging, offenbar gar nicht kannten. Nachdem das Landgericht Itzehoe mit Urteil vom 17.09.2013 11 S 93/12 (vom BGH zitiert in Rn. 12) in Schleswig Holstein und Norddeutschland für Aufruhr gesorgt hatte, steht nunmehr fest, dass ein konkreter Fortgeltungsbeschluss nicht mit dem Zusatz ( ) bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan im kommenden Jahr. versehen werden muss, um der drohenden Nichtigkeit zu entgehen. Im Norden waren viele Beschlussmuster in den letzten Jahren angepasst worden. Das muss jetzt nicht mehr sein.
Milde zeigte sich der BGH im vorliegenden Fall hinsichtlich der Beschlussformulierung. Diese war mies! Im Beschlusstext (siehe oben) ist vom Gesamtwirtschaftsplan 2015 die Rede, so dass sich der geneigte Leser fragt, ob die Einzelwirtschaftspläne 2015 nicht genehmigt wurden. Dann hätte kein Eigentümer für 2015 Hausgeldvorauszahlungen geschuldet! Der BGH geht hierauf nicht ein, woraus man ableiten darf, dass für einen unbefangenen Betrachter klar ist, dass nach Wortlaut und Sinn Gesamtwirtschaftsplan und Einzelwirtschaftspläne 2015 beschlossen wurden. Andererseits musste und durfte der BGH die Unbestimmtheit des Beschlusses als Anfechtungsgrund nicht prüfen, da die Frist verpasst war. Verwalter sollten immer auf eine saubere Formulierung achten. Eine Orientierungshilfe kann das folgende Beschlussmuster sein:
Beschlussantrag: Der Wirtschaftsplan für das Jahr ■■ (Gesamtwirtschaftsplan und Einzelwirtschaftspläne) mit Druckdatum vom ■■ und Gesamtausgaben von ■■ EUR wird genehmigt. Der Wirtschaftsplan gilt fort bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan. Bei Hausgeldrückständen auf diesen Wirtschaftsplan ist der Verwalter zur außergerichtlichen und notfalls gerichtlichen Geltendmachung unter Einschaltung eines Rechtsanwalts ermächtigt.
Abstimmungsergebnis: Ja/Nein/Enthaltungen
Beschlussergebnis: Beschlussantrag angenommen/abgelehnt
Gilt ein Wirtschaftsplan nicht fort, enden er und somit die Zahlungspflicht mit Ablauf des Jahres. Zur Vermeidung von Finanzierungslücken dürfte eine Fortgeltung daher ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Der nächste Wirtschaftsplan muss nicht zwingend andere Zahlen enthalten. War ein Wirtschaftsplan auskömmlich, kann es durchaus ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, die Ansätze im Folgejahr beizubehalten.
Viele Verwalter verwenden im Beschluss über den Wirtschaftsplan neben einer Fortgeltungs- auch noch eine Verfallklausel. Danach verfällt das Recht zur Zahlung des zu Jahresbeginn vollständig fällig gestellten Hausgeldes in zwölf gleichen Monatsraten (Stundung), wenn der Eigentümer mit zwei Monatsraten in Verzug gerät. Die Kombination beider Wirkungen kann nicht dazu führen, dass der Verfall des Stundungsvorteils im laufenden Jahr zugleich das Jahreshausgeld des Folgejahres fällig stellt. Denn dieses wurde zu diesem Zeitpunkt nicht geschuldet. Erst mit Verzug für die Monate Januar und Februar des Folgejahres kommt auch insoweit Gesamtfälligkeit infrage. Darauf sollten Verwalter und Rechtsanwälte beim Hausgeldinkasso achten.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de