WEG-Recht

Aussichtslose Prozesse muss man nicht führen

Regelmäßig stimmen Eigentümerversammlungen darüber ab, ob bestimmte Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Bei tatsächlich oder rechtlich zweifelhaften Ansprüchen muss nicht geklagt werden, berichtet der WEG-Rechtsexperte Dr. Jan-Hendrik Schmidt und bezieht sich auf ein Urteil des LG Itzehoe (Urteil vom 05.08.2014; Aktenzeichen 11 S 45/13). Das für Schleswig-Holstein zentral zuständige Berufungsgericht für alle WEG-Verfahren entschied sich zu Eckpunkten, unter denen Wohnungseigentümer davon absehen dürfen, streitige Ansprüche gegenüber Miteigentümern oder Dritten zu verfolgen.

Der Fall:

Im Jahr 1996 wurde einer Eigentümerin durch Mehrheitsbeschluss gestattet, einen vor ihren beiden Sondereigentumseinheiten liegenden Vorflur in den eigentlichen Wohnbereich baulich einzubinden. Der Beschluss wurde nicht angefochten. Die Miteigentümerin führte die Umbaumaßnahmen durch. 10 Jahre später verlangt eine Miteigentümerin, dass die WEG eine Nutzungsentschädigung für die Flurfläche geltend machen soll. In der Eigentümerversammlung wird dies durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt (Negativbeschluss). Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hat das Amtsgericht abgewiesen, da es nach seiner Ansicht nicht ermessensfehlerhaft sei, wenn die Gemeinschaft von der Geltendmachung zweifelhafter Entschädigungsansprüche absehe. Die Klägerin legte Berufung ein.

Die Entscheidung:

Das LG Itzehoe bestätigt das AG Reinbek. Unter Berücksichtigung der Sachlage sowie der Rechtslage sei es äußerst zweifelhaft, ob die WEG erfolgreich einen Zahlungsanspruch durchsetzen könne. Der Beschluss von 1996 sei nicht angefochten worden und daher eine rechtsgültige Grundlage für die durchgeführten Umbaumaßnahmen und die Einbeziehung des Flures, bei der es sich um einen Leihvertrag handeln dürfte. Da die Miteigentümerin somit redlich gehandelt habe, könne sie aller Voraussicht nach nicht erfolgreich auf  Zahlung in Anspruch genommen werden. Bereits damals hätte man in dem Beschluss eine Gegenleistung, beispielsweise in der Form einer Nutzungsentschädigung, festlegen können. Dies habe die Gemeinschaft aber nicht getan. Alle heutigen Eigentümer seien an diesen Beschluss kraft Gesetzes gebunden (§ 10 Abs. 4 WEG).

Fazit für den Verwalter:

Grundsätzlich entspricht es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, die Geltendmachung fraglicher Rechtsansprüche abzulehnen im Hinblick auf mögliche Risiken der Rechtsverfolgung. Vielmehr entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, möglichen Ansprüchen nachzugehen, notfalls auch gerichtlich. Ausnahmsweise verhält es sich aber anders, wenn die Anspruchsverfolgung offenkundig aussichtslos ist, sei es aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen. Von Aussichtslosigkeit kann ausgegangen werden, wenn ein fraglicher Rückbauanspruch beispielsweise bereits verjährt ist und der Anspruchsgegner die Verjährungseinrede erhoben hat. Hier einen Rückbauprozess zu führen, widerspräche ordnungsmäßiger Verwaltung, da vernünftige Wohnungseigentümer aussichtslose Prozesse nicht führen.

Dem Verwalter steht es nicht zu, über die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten eines fraglichen Anspruchs zu entscheiden. Er sollte sich neutral verhalten und eine gewünschte Prüfung der Rechtslage einem Rechtsanwalt überlassen. Dies gilt ganz besonders dann, wenn Anspruchsgegner nicht ein Dritter (Nichteigentümer) ist, sondern ein Mitglied der Gemeinschaft. Absolute Neutralität lautet hier die vornehmste Pflicht des Verwalters.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte
PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de