WEG-Recht

Bauträgerverwalter muss sachgerechte Eigentümerbeschlüsse auch herbeiführen, wenn sie gegen Bauträger gerichtet sind

In einem WEG-Verfahren, das vom Amtsgericht Leipzig über das Landgericht Dresden zum Bundesgerichtshof (BGH) gelangte, verlangt ein Wohnungseigentümer vom Ex-Verwalter unter anderem rund 30.000,00 EUR Schadensersatz für die Anmietung einer Ersatzwohnung, weil der Beklagte es pflichtwidrig unterließ, sachgerechte Beschlüsse herbeizuführen. Der Ex-Verwalter war zugleich Geschäftsführer des Bauträgers und in dieser Doppelfunktion im Zwiespalt. Der Kläger, der in den Tatsacheninstanzen gescheitert war, drang mit seinem Rechtsmittel zum und beim BGH durch.

Mit Urteil vom 19. Juli 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 75/18 haute der BGH einem sog. Bauträgerverwalter auf die Finger. Diesen träfen die gleichen Pflichten hinsichtlich der Vorbereitung und Herbeiführung einer sachgerechten Beschlussfassung wie einen von den Wohnungseigentümern selbst ausgesuchten und bestellten Verwalter. Daher habe auch der Bauträgerverwalter den Eigentümern die verschiedenen Handlungsoptionen aufzuzeigen und insbesondere auf Gewährleistungsansprüche „gegen sich selbst” und eine drohende Verjährung hinzuweisen.

Der Fall

Der Kläger ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Jahr 2011 kaufte er die Souterrainwohnung Nr. 1, die im Dezember 2011 an ihn übergeben wurde und deren eingetragener Eigentümer er ist. Auf der Grundlage eines vor dem Kauf gefassten Beschlusses beauftragte der Beklagte – zugleich Geschäftsführer des Bauträgers und von diesem eingesetzter Erstverwalter – namens der WEG den Sachverständigen P. mit der Begutachtung des gemeinschaftlichen Eigentums im Hinblick auf verbliebene Mängel der im Jahr 2006 in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude. Der Sachverständige P. stellte Abdichtungsmängel fest, zurückzuführen auf eine fehlende oder nicht voll funktionstüchtige Horizontalsperre der Außenwände des Souterrains. In der Eigentümerversammlung vom 20.1.2012 sagte der Bauträger, vertreten durch den Beklagten, die Behebung der Mängel aus dem Gutachten des Sachverständigen P. bis 30.8.2012 zu. Mit einem an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Verwalter gerichteten Schreiben vom 8.11.2012 erklärte der Bauträger, wiederum vertreten durch den Beklagten als Geschäftsführer, die Mängel behoben und als Ursache der Feuchtigkeitsschäden „falschen Putz” erkannt zu haben, der vom Bauträger nun erneuert worden sei. Weiterführende Beschlüsse wurden von der Versammlung nicht gefasst.

Im Jahr 2014 beauftragte der Kläger im eigenen Namen den Sachverständigen W., der in seinem Gutachten vom 26.8.2014 feststellte, dass die Ursache der Feuchtigkeit weiterhin vorhanden und die klägerische Wohnung unbewohnbar sei. Dieses Privatgutachten war Gegenstand der Eigentümerversammlung vom 8.12.2014. Im selben Monat wurde der Beklagte als Verwalter abberufen. Im August 2015 schloss die WEG mit dem Bauträger einen Vergleich, wonach Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum mit 100.000,00 EUR abgegolten wurden. Für die Jahre 2011 bis 2013 waren dem Beklagten als Verwalter jeweils bestandskräftig Entlastungen erteilt worden.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten als Ex-Verwalter Schadensersatz in Höhe von 29.427,78 Euro für Schäden an Gegenständen in der Wohnung, die Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung von März 2015 bis Oktober 2016 sowie Gutachter- und Rechtsanwaltskosten, ferner Feststellung der Ersatzpflicht künftiger feuchtigkeitsbedingter Schäden. Der Beklagte beruft sich unter anderem auf Verjährung, Mitverschulden und die Bestandskraft der Entlastungsbeschlüsse, die eine Rechtsverfolgung ihm gegenüber ausschlössen.

Die Entscheidung

Der BGH gibt dem Kläger Recht und verweist den Fall zurück an das Berufungsgericht. Auch wenn ein Verwaltervertrag zwischen Verwalter und WEG zustande komme, sei jeder Wohnungseigentümer in die Schutzwirkungen des Vertrages einbezogen. Daher könne der Kläger individuelle Schadensersatzansprüche allein geltend machen. Die Bestandskraft der Entlastungsbeschlüsse sei unerheblich, da keine Beschlusskompetenz bestehe, um individuelle Ersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer zunichte zu machen (Rn 35 der Urteilsbegründung).

Die Pflichtverletzung des Beklagten liege darin, dass er dem Inhalt des Schreibens des Bauträgers vom 8.11.2012 Glauben geschenkt und die gegenteiligen Feststellungen des Sachverständigen P, der tiefergehende Ursachen dokumentiert hatte, nicht nachgegangen sei. Angesichts dieser Anhaltspunkte bestand Grund zu der Annahme, dass in Wahrheit nicht „falscher Putz“ ursächlich für die Feuchtigkeitsschäden gewesen sei. Der Beklagte könne sich nicht etwa darauf berufen, dass die Wohnungseigentümer und er insoweit den gleichen Kenntnisstand gehabt hätten und es darum die alleinige Pflicht der Eigentümer selbst gewesen sei, notwendige Beschlüsse herbeizuführen und die Sache weiterzuverfolgen. Wie jeder andere Verwalter auch, müsse sich der mit dem Bauträger identische, von ihm eingesetzte, mit ihm verbundene oder von ihm abhängige Verwalter (sog. Bauträgerverwalter) an das Pflichtenprogramm halten, welches der BGH in ständiger Rechtsprechung herausgearbeitet habe. Danach treffen den Verwalter im Hinblick auf den Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums und dessen Instandsetzungsbedürftigkeit bzw. Mangelfreiheit rechtliche Überwachungs-, Kontroll- und Unterrichtungspflichten. Diese habe der Beklagte vernachlässigt. Angesichts der Sachlage hätte er die Eigentümer auf die Zweifelhaftigkeit der Aussage des Bauträgers hinweisen und zwecks Verjährungshemmung eine Beschlussfassung über die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen herbeiführen müssen. Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt, so dass eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass die streitgegenständlichen Schäden auf seine Pflichtverletzung kausal zurückzuführen seien.

Die vom Beklagten eingewandten Regelungen im Verwaltervertrag griffen nicht durch. Insbesondere die dort formularmäßig vorformulierte Verkürzung der Verjährungsfrist sei unwirksam, und zwar einerseits im Hinblick auf die wahrscheinliche Einschlägigkeit der AGB-Kontrolle, zum anderen aber auch im Hinblick auf die gesetzeswidrige Verkürzung der Verjährungsfrist auch für die Haftung wegen Vorsatzes (Rn 42).

Fazit für den Verwalter

Der BGH hat den Wohnungseigentümern vom aufteilenden Eigentümer vor die Nase gesetzten Erstverwalter „auf dem Kieker”. Soweit die Doppelfunktion als Verwalter und Bauträger zu einem Interessenkonflikt führt, ist der Verwalter nicht berechtigt, diesen zu Lasten der Wohnungseigentümer aufzulösen und einseitig die Interessen des Bauträgers zu verfolgen. Den mit dem Bauträger verbandelten Verwalter treffen daher die gleichen Pflichten wie jeden anderen Verwalter. Er muss somit auch auf mögliche Mängelansprüche „gegen sich selbst” und eine drohende Verjährung hinweisen und rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen vorschlagen sowie der Beschlussfassung der Eigentümer herbeiführen. Der Verwalter darf sich bzw. den Bauträger nicht verschonen oder aus der Schusslinie bringen.

Zu den Pflichten des Verwalters gehört es, Instandsetzungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum wie ein Bauherr zu überwachen und sorgfältig zu prüfen, ob Leistungen tatsächlich erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen daher gerechtfertigt sind. Ist für den Verwalter erkennbar, dass Instandsetzungsarbeiten teilweise unerledigt geblieben sind, muss er von Amts wegen die vollständige Durchführung veranlassen. Kann der Verwalter die Sachlage aus eigener Erkenntnis nicht sorgfältig prüfen, muss er die Eigentümer informieren und eine Beschlussfassung herbeiführen, ob durch die Gemeinschaft auf deren Kosten vertiefte Prüfungen erwünscht sind und/ oder vertragliche Ansprüche gegen den Handwerker bzw. Bauträger geltend gemacht werden sollen. Das gilt ganz besonders, wenn die Verjährung von Ansprüchen droht.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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