WEG-Recht

Bei zweifelhafter Rechtslage darf sich die WEG verklagen lassen

Vielfach erheben Wohnungseigentümer, die meinen, gegen die WEG einen Zahlungsanspruch zu haben, nicht direkt Zahlungsklage. Sie fordern in der Eigentümerversammlung eine Abstimmung über die freiwillige Leistungserfüllung. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein spannendes Urteil gefällt.
Mit Urteil vom 02.10.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 5/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz sowie einen Beurteilungsspielraum besitzen, um mehrheitlich darüber abzustimmen, ob eine an sie herangetragene Forderung freiwillig (zur Prozessvermeidung) beglichen werden soll oder ob es die WEG stattdessen auf einen Prozess vor Gericht ankommen lassen möchte. Grundsätzlich entspricht die Ablehnung der freiwilligen Leistungserfüllung ordnungsmäßiger Verwaltung. Anderes gilt nur dann, wenn der Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet ist.

Der Fall

In einer WEG mit Terrassenhäusern bilden die Terrassen der Wohnungen zugleich die Flachdächer der darunter liegenden Häuser. In der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass Gebäudeteile, die nach ihrer Beschaffenheit zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkone, Terrassen, Veranden) von ihm auf seine Kosten selbst instandzuhalten und instandzusetzen sind. In der Wohnung unter der Terrasse der Klägerin kam es zu Feuchteschäden. Die Klägerin verlangte von der WEG Ersatz der Kosten der Erneuerung des Terrassenbelages. Der Verwalter vertrat die Auffassung, dass die Klägerin dies selbst zahlen müsse. Daraufhin verauslagte die Klägerin die Kosten von rund EUR 8.000,00 und beantragte in der Versammlung die Erstattung. Dies wurde von der Versammlung mehrheitlich abgelehnt. Die Klägerin sowie 5 weitere Miteigentümer fochten diesen Negativbeschluss an. Das Amtsgericht gab der Klage statt, das Landgericht Karlsruhe und der BGH wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die Anfechtungsklage zulässig und von dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis begleitet. Entgegen einer weit verbreiteten Rechtsauffassung ist der BGH der Meinung, dass die Klägerin nicht auf die direkte Erhebung einer Zahlungsklage verwiesen werden konnte. Vielmehr entspreche es dem Selbstorganisationsrecht der Gemeinschaft, in einer Versammlung über die freiwillige Leistungserfüllung zu beschließen. Auch der (vermeintliche) Anspruchsinhaber dürfe eine Befassung der Eigentümerversammlung verlangen, damit möglichst kein Zahlungsprozess geführt werden müsse.

In der Sache selbst führt der BGH allerdings aus, dass es der Mehrheit zumeist gestattet sei, eine freiwillige Erfüllung des Anspruchs abzulehnen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet sei, so dass bei Ablehnung ein unnötiger Rechtsstreit mit entsprechendem Kostenrisiko für die WEG in Kauf genommen würde. Dementsprechend sei aber das Prüfungsrecht des Gerichts im Anfechtungsprozess, falls also der Anspruchsteller den negativen (ablehnenden) Beschluss anfechte, auf diesen verengten Prüfungsmaßstab beschränkt. Ob und inwieweit der fragliche Zahlungsanspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wirklich bestehe, sei einem etwaigen anschließenden Zahlungsprozess vorbehalten.

Angesichts der hier vereinbarten Regelung in der Gemeinschaftsordnung war es nach Ansicht des BGH „goldrichtig", gegenüber dem Anspruch der Klägerin eine freiwillige Leistungserfüllung abzulehnen. Die Anfechtungsklägerin steht jetzt vor der Frage, ob sie –trotz des ersten Prozessverlusts – doch noch einen Zahlungsprozess gegen die WEG nachschiebt. Die Wohnungseigentümer (Beklagten des Anfechtungsprozesses) jedenfalls durften die Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage ohne Weiteres dem Gericht überlassen und eine Zahlungsklage in Kauf nehmen.

Fazit für den Verwalter

Stellen Wohnungseigentümer oder Dritte Forderungen gegen die WEG, sollte der Verwalter dies spätestens in der Einladung / Tagesordnung berücksichtigen, um die Gemeinschaft mit der Forderung zu befassen. Nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet ist, entspricht der Mehrheitsbeschluss über eine positive Erfüllung ordnungsmäßiger Verwaltung. Diese Umstände werden nur sehr selten vorliegen, zumal neben der Rechtslage immer auch die Beweislage zu würdigen ist.

Für die Beurteilung, ob der Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet ist, kommt es auf den Tag der Beschlussfassung in der Versammlung an. Nachträgliche Erkenntnisse oder von Anwälten eingeholte Rechtsäußerungen sind nicht maßgeblich.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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