WEG-Recht

BGH: Arglistiges Verschweigen von Asbestbelastung

Mit Urteil vom 24.07.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 145/14 hatte der BGH über einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin und ihr Ehemann von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Eigentumswohnung kauften.



Der Fall

Dies war im Dezember 1999. Die Haftung für Sachmängel wurde im Vertrag ausgeschlossen. Die Wohnung gehört zu einer Ende der 60ziger Jahre errichteten Wohnanlage, die von einer aus einzelnen Mitgliedern der Beklagten bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Kenntnis der Asbesthaltigkeit der Gebäude erworben wurde. Nachdem 2010 Schäden an der Betonkonstruktion aufgetreten waren, wurden die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2012 im Beschlusswege ermächtigt, alle Ansprüche wegen Verschweigens von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Verkäuferin und deren Gesellschaftern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Die Klägerin reichte ihre Klage am 31.12.2011 ein. Die Beklagten erhoben die Einrede der Verjährung. In den beiden Vorinstanzen war die Klage erfolglos geblieben, der BGH entschied anders und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.


Die Entscheidung

Zunächst stellt der BGH fest, dass die Klägerin erst im Jahre 2010 Kenntnis von der Asbestbelastung und von den Schäden an der Betonkonstruktion erhalten hatte, so dass es vorliegend auf die unabhängige Kenntnis 10jährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ankam, die am 01.01.2002 und am 31.12.2011 ablief. Da die Klage auf „kleinen" Schadensersatz gerichtet war (die Klägerin wollte die Wohnung behalten), stellte sich juristisch die Frage, ob die Klage die Verjährungsfrist hemmen konnte. Dies hing davon ab, ob die Klage von dem materiell zur Rechtsausübung Berechtigten erhoben wurde. Der BGH bejaht dies. Zwar sei richtig, dass Rechte auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum jedenfalls bei dem nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Erwerb einer neu errichteten Eigentumswohnung vom Bauträger als gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 S. 3 WEG qualifiziert werden und infolge dessen die Befugnis des einzelnen Erwerbers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte aus dem Bauträgervertrag ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Solche Rechte begründeten nämlich eine so genannte geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft. Vorliegend sei jedoch kein Bauträgervertrag geschlossen worden, sondern ein Kaufvertrag über eine gebrauchte Eigentumswohnung. Herstellungsverpflichtungen hatte der Verkäufer im vorliegenden Fall nicht übernommen. Der BGH verweist auf das Urteil aus einem Parallelfall (V ZR 167/14), in dem er ebenfalls grundlegend feststellte, dass allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 S. 3 Halbsatz 1 WEG fielen, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart worden sei. Diese Maßstäbe gälten unabhängig davon, ob der Fall nach altem oder nach dem seit der Schuldrechtsreform 2002 geltenden neuen Kaufrecht zu beurteilen sei.

Fazit für den Verwalter

Beim Kauf einer neuen Eigentumswohnung vom Bauträger gelten die Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Hier ist ein Erwerber zur Versammlung einzuladen, wenn er einen wirksamen Kaufvertrag hat, zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und ihm die Wohnung übergeben wurde. Darum ging es im vorliegenden Fall nicht, sondern um einen so genannten Zweiterwerb. Hier ist der Erwerber frühestens dann zur Versammlung einzuladen, wenn er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Anderes kann gelten, wenn er beispielsweise durch den Kaufvertrag nachweisen kann, dass ihn der Verkäufer schon vorher zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung bevollmächtigt hat.

Regelmäßig fordern Verkäufer oder (mit Vollmacht des Verkäufers) Kaufinteressenten Protokolle früherer Eigentümerversammlungen an. Der Verwalter darf meines Erachtens derartige Unterlagen aushändigen. Ob und inwieweit sich darin Anhaltspunkte für Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums finden lassen, muss den Verwalter nicht weiter kümmern. Es ist alleinige Sache des Verkäufers, den Käufer gegebenenfalls über aufklärungsbedürftige Mängel zu unterrichten oder auch ungefragt aufzuklären (je nach dem Schweregrad des Mangels).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte
PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de