Mit Urteil vom 14.11.2014 (V ZR 118/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass der Erwerber einer Eigentumswohnung, der mit dem teilenden Eigentümer (Verkäufer) eine vom Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vereinbart hat, gleichwohl nicht Störer im rechtlichen Sinne ist und daher gegenüber anderen Eigentümern nicht die Beseitigung des planwidrigen Zustandes und Wiederherstellung eines plangerechten Zustandes schuldet. Allerdings könne jeder Wohnungseigentümer von seinen Miteigentümern verlangen, dass das gemeinschaftliche Eigentum plangerecht hergestellt werde, und zwar durch die Gemeinschaft und auf Kosten aller Eigentümer. Dieser Anspruch wird nach Aussage des BGH allerdings durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt und kann deshalb im Einzelfall entfallen, wenn seine Erfüllung nach den Umständen des Einzelfalls unzumutbar ist.
Der Fall:
In einem Neubauprojekt in der Nähe von Stuttgart wurde in der zweigeschossigen Dachgeschosswohnung des Beklagten ein nach den Plänen im Gemeinschaftseigentum befindlicher Bereich des Treppenhauses und der Aufzugsanlage in das Sondereigentum einbezogen. Im verbliebenen Treppenhaus wurde stattdessen eine Treppe gedoppelt". Der Zugang zum Dachgeschossraum wurde über eine Spindeltreppe statt über die planmäßig vorgesehene Monarchentreppe hergestellt, außerdem wurden im Dachraum nicht vorgesehene Fenster sowie Heizkörper mit Anschlussleitungen eingebaut. Der Kläger verlangt daher Rückbau und Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden baulichen Zustandes. Der Beklagte tritt der Klage entgegen.
Die Entscheidung:
Der BGH bestätigt das Urteil des Landgerichts Stuttgart, das die Klage insgesamt abgewiesen hatte. Der Beklagte sei in keinem Falle Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG. Dies gelte unabhängig davon, ob die planwidrige Errichtung der Wohnanlage durch den Bauträger auf entsprechende Gestaltungswünsche oder sonstige Einflussnahme des Beklagten auf den Bauträger erfolgt sei oder nicht. Denn in beiden Fällen sei der Erwerber nicht Störer im rechtlichen Sinne. Vielmehr dürfe ein Erwerber in aller Regel davon ausgehen, dass der Bauträger die Bauausführung im Rahmen seiner Eigentümerstellung (so lange er noch Alleineigentümer ist, also vor Entstehung der werdenden WEG) vornimmt oder sofern der Bau erst nach Entstehen einer werdenden WEG erfolgt im Zuge einer Anpassung der Teilungserklärung und in Übereinstimmung mit den in den anderen Bauträgerverträgen eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen durchführen dürfe.
Da der Beklagte somit weder Handlungs- noch Zustandsstörer sei, könne sich ein Anspruch des Klägers auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums allenfalls gegen alle Eigentümer oder dann wohl nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG gegen den rechtsfähigen Verband richten. Genaues hierzu sagt der BGH nicht, zumal ein solcher Anspruch nicht streitgegenständlich gewesen sein dürfte. Nach den Entscheidungsgründen nahm der Kläger ausschließlich den beklagten Erwerber in Anspruch, nicht aber alle Miteigentümer oder den rechtsfähigen Verband.
Wissenswert ist, dass der BGH die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums nach den Vorgaben des Teilungsplans unter die Instandsetzung nach § 21 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 Nr. 2 WEG subsumiert (Rn 20 des Urteils), was dazu führt, dass hierüber mit einfacher Stimmenmehrheit abgestimmt werden kann.
Falls ein Anspruch auf die erstmalige planmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums gegeben ist, hat dieser durch und auf Kosten der Gemeinschaft zu erfolgen. Die einzelnen Wohnungseigentümer sind zur Duldung des Umbaus verpflichtet.
Eine wichtige Aussage trifft der BGH dahingehend, dass der Durchsetzung eines Anspruchs auf erstmalige Herstellung der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstehen kann. Dieser Grundsatz kann einen an sich gegebenen Anspruch entfallen lassen, wenn die Anspruchserfüllung den übrigen Eigentümern unzumutbar ist. So könne es etwa liegen, wenn die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erfordert oder Kosten verursacht, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Eigentümer unverhältnismäßig sind.
Fazit für den Verwalter:
Zu den Maßnahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, über die die Eigentümerversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen darf, zählen nicht nur Instandhaltung und Instandsetzung, Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben, Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht, sondern ebenso die erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (Teilungserklärung, Teilungsvertrag, Abgeschlossenheitsbescheinigung mit Aufteilungsplänen).
Fordert ein Eigentümer beim Verwalter die erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums ein, sollte der Verwalter wissen, dass diesbezüglich nicht ein einzelner Erwerber verpflichtet ist, der möglicherweise nachweislich den Bauträger dazu veranlasste, abweichend von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu bauen, sondern allenfalls die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Hier sollte eine entsprechende Forderung als Tagesordnungspunkt in die Einladung aufgenommen werden.
Eine erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums muss nicht unbedingt im Rückbau einer planwidrig errichteten Anlage oder Einrichtung liegen, sie kann auch in der nachträglichen erstmaligen Schaffung eines zunächst vergessenen Gebäudeteils liegen.
Der Anspruch auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums ist Ausfluss des Anspruchs auf ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG). Dieser unterliegt in einer bestehenden Gemeinschaft grundsätzlich nicht der Verjährung.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburg
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