WEG-Recht

BGH: Ersatzanspruch nur bei Aufopferung intakten Sondereigentums

Muss ein Sondereigentümer sein Sondereigentum aufopfern, um gemeinschaftliches Eigentum reparieren zu können, hat er grundsätzlich einen Erstattungsanspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG. Mit einem Fall aus Köln, der eine hohe Praxisrelevanz besitzt, hat sich der BGH in einem aktuellen Urteil geäußert.

Mit Urteil vom 09. Dezember 2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 124/16 äußerte sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu Eigentumsverhältnissen an Rohrleitungen in einer Mehrhausanlage, Entschädigungsansprüchen eines Sondereigentümers nach einem Wasserrohrbruch und zur Auslegung der Gemeinschaftsordnung bezüglich der Begriffe Instandhaltung und Instandsetzung. Das Urteil ist lesenswert, ausführlich begründet und für professionelle Wohnungseigentumsverwalter Pflichtlektüre.

Der Fall

Es geht um eine Mehrhausanlage in Köln. Im Hof der Wohnanlage steht ein zweigeschossiges Einfamilienhaus, an dem Sondereigentum begründet ist. Es gehört dem Kläger. In einer Zwischendecke des Hauses verläuft ein warmwasserführendes Rohr der gemeinschaftlichen Heizungsanlage, die sich im Heizungsraum eines anderen Gebäudes der Wohnanlage befindet. Eine Absperrvorrichtung befindet sich im räumlichen Bereich des Einfamilienhauses nicht. Das warmwasserführende Rohr brach. Die Zwischendecke war durchfeuchtet und hing durch. Die Beklagte – der rechtsfähige Verband – beauftragte ein Unternehmen mit der Reparatur des Rohrs. Die Beschädigung an der Zwischendecke wurde nicht beseitigt. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag für Malerarbeiten ein und führte die Reparatur in Eigenarbeit aus. Er verlangt Kostenerstattung von 1.122,40 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten. Das Landgericht Köln hatte der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen.

In § 4 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass die Kosten der Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes einschließlich aller Ver- und Entsorgungsleitungen der jeweilige Sondereigentümer trägt, in dessen Bereich sich die fraglichen Bauteile befinden. An anderer Stelle der Gemeinschaftsordnung wird neben dem Begriff der Instandhaltung auch der Begriff der Instandsetzung verwendet, im Rahmen der hier fraglichen Bestimmung aber nicht. Dort ist ausschließlich von den Kosten der Instandhaltung die Rede.

Die Entscheidung

Der BGH folgt der grundsätzlichen Rechtsansicht des Landgerichts und stellt fest, dass ein Erstattungsanspruch in Betracht kommen könnte. Allerdings seien dazu noch tatsächliche Feststellungen zum Sachverhalt erforderlich, die das Berufungsgericht nachholen müsse. Daher wurde die Akte an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Die fehlende Sachverhaltsfeststellung betrifft die Frage, ob die Zwischendecke, die der Kläger in Eigenleistung wieder verschlossen und neu tapeziert hat, durch den Rohrbruch beschädigt wurde oder durch die Vornahme der Reparatur an der gebrochenen Wasserleitung. Auf diese Frage kommt es für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich an. Der BGH weist darauf hin, dass der Entschädigungsanspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG, der hier als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommen kann, die Aufopferung intakten (unbeschädigten) Sondereigentums voraussetze. Werde hingegen durch das schädigende Ereignis am gemeinschaftlichen Eigentum gleichzeitig das Sondereigentum mit beschädigt, komme der Ersatzanspruch nicht zum Zuge. Amtsgericht und Landgericht hatten hierzu nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen.

Sollte sich – das gibt der BGH dem Landgericht mit auf den Weg – erweisen, dass die Zwischendecke unbeschädigt war, könne der Kläger Ersatz der bei der Reparatur durch eine Fachwerkstatt anfallenden Kosten auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages verlangen. Er sei berechtigt, den Ersatzbetrag fiktiv in Höhe des Nettobetrages der Reparaturkosten abzurechnen, wenn er den Schaden in Eigenarbeit beseitigt habe. Gleiches gelte, wenn ein Familienangehöriger die Reparatur vorgenommen haben sollte. Der BGH führt aus, dass der Kläger nicht nur den Marktwert der Arbeitsleistung beanspruchen könne (Rn 28 des Urteils unter Ablehnung einer im Schrifttum vertretenen Gegenauffassung).

Die Zwischendecke stand nach den Feststellungen im Sondereigentum des Klägers. Nach den getroffenen Feststellungen hatte es sich nicht nämlich nicht um eine tragende Geschossdecke gehandelt, sondern um eine nicht tragende Konstruktion. Diese sei sondereigentumsfähig (Rn 12).

Ein Anspruch nach § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG sei nicht durch die Vereinbarung in § 4 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung ausgeschlossen.

Zwar sei § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG grundsätzlich abdingbar. Auch sei davon auszugehen, dass ein Sondereigentümer, der sich nach der Gemeinschaftsordnung auf eigene Kosten um die Instandhaltung oder Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums im Bereich seiner Wohnung kümmern müsse, nicht nur die Verantwortlichkeit für gemeinschaftliches Eigentum treffen, sondern auch (erst recht) die damit verbundenen Folgemaßnahmen, wie z. B. die Erneuerung einer Deckenverkleidung oder einer Verfliesung, falls diese zerstört werden müsse, um an gemeinschaftliches Eigentum heranzukommen.

Allerdings – so der BGH (Rn 14 ff.) – gelte die abweichende Regelung in § 14 Nr. 1 Gemeinschaftsordnung nur für die Instandhaltung, d. h. nur die übliche Pflege und Wartung, wie z. B. eine Rohrreinigung und die Vorsorge gegen das Einfrieren von Leitungen bei Kälte. Dagegen sei die Instandsetzung und folglich die hier erfolgte Reparatur nicht vom Anwendungsbereich der Vereinbarung umfasst. Unterscheidet die Gemeinschaftsordnung begrifflich zwischen Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen, die zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, und weise sie nur die Instandhaltung einem Sondereigentümer zu, so sei die Instandsetzung im Zweifel Sache der Gemeinschaft. Daher müsse die Regelung des § 4 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung im vorliegenden Fall eng ausgelegt werden. Die Kosten der Reparatur (Instandsetzung) der Wasserleitung und somit auch die Reparaturkosten bezüglich der Zwischendecke als Folgekosten seien mithin nicht von der Gemeinschaft auf den Sondereigentümer (Kläger) abgewälzt.

Fazit für den Verwalter

Es war richtig, dass der rechtsfähige Verband (die Beklagte) nach dem Leitungswasserschaden den Reparaturauftrag für die erforderliche Instandsetzung erteilte. Denn die warmwasserführende Heizleitung gehört zum gemeinschaftlichen Eigentum und unterlag auch nach den Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung nicht der Zuständigkeit und Kostentragungspflicht des Sondereigentümers. Ein professioneller Verwalter muss in der Lage sein, einschlägige Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung verständig auszulegen. Hierfür gilt, dass eine Abweichung vom Gesetz stets eine klare und eindeutige Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung erfordert. Fehlt es an einer klaren und eindeutigen Regelung, verbleibt es im Zweifel – wie auch im vorliegenden Fall – bei der gesetzlichen Ausgangsregelung. Aus dieser ergibt sich, dass Teile des gemeinschaftlichen Eigentums von der Gemeinschaft (organisiert durch den Verwalter) und auf gemeinschaftliche Kosten aller Eigentümer instandgehalten und instandgesetzt wird.

Beansprucht ein Sondereigentümer von der Gemeinschaft Kostenerstattung für beschädigtes Sondereigentum, hat der Verwalter aufzuklären, ob tatsächlich intaktes (bis dahin unbeschädigtes) Sondereigentum aufgeopfert wurde, um gemeinschaftliches Eigentum zu reparieren, oder ob das schädigende Ereignis am gemeinschaftlichen Eigentum zugleich das unbeschädigte Sondereigentum beschädigte oder zerstörte. Muss also beispielsweise bereits durch einen Leitungswasserschaden durchfeuchtetes Material geöffnet werden, ist dies kein Fall von § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG, da der Sondereigentümer kein intaktes Sondereigentum aufopfert, sondern beschädigtes Sondereigentum. In einem solchen Fall kann er allenfalls über § 280 Abs. 1 BGB Ersatzansprüche haben, dann aber als Schadensersatzanspruch unter der Voraussetzung eines Verschuldens der übrigen Wohnungseigentümer. Daran wird es im Normalfall fehlen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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