WEG-Recht

BGH: Nießbraucher nicht vor WEG-Gericht verklagen!

Stören Nießbraucher oder sonstige Fremdnutzer (Nichteigentümer) den Gemeinschaftsfrieden oder blockieren sie Sanierungsmaßnahmen, sind sie nicht vor dem WEG-Gericht zu verklagen, sondern vor dem allgemeinen Zivilgericht.

Mit Urteil vom 10.07.2015 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 194/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Streitigkeiten mit Nießbrauchern oder sonstigen Fremdnutzern von Eigentumswohnungen nicht unter § 43 WEG fallen. Die WEG muss einen störenden Nießbraucher daher vor dem allgemeinen Zivilgericht verklagen und nicht vor dem WEG-Gericht. Eine Berufung darf nicht beim zentralen Beschwerde- und Berufungsgericht eingelegt werden.

Der Fall

Die Beklagten bewohnen als Nießbraucher eine Eigentumswohnung. Die Versammlung beschloss eine Balkonsanierung und die Einleitung gerichtlicher Schritte gegen „Eigentümer", die die Durchführung der Maßnahmen behindern oder den Zugang verweigern. Ferner wurde beschlossen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die WEG verklagte die Nießbraucher vor dem Amtsgericht Mettmann auf Verurteilung zur Duldung der näher bezeichneten Sanierungsarbeiten und zur Gestattung des Zutritts zur Wohnung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das im OLG-Bezirk Düsseldorf für alle WEG-Sachen zentral zuständige Landgericht Düsseldorf als unzulässig verworfen, da es sich um eine allgemeine Zivilsache handele. Die Sache gelangte zum BGH.

Die Entscheidung

Der BGH stellt fest, dass das Landgericht Düsseldorf seine Zuständigkeit jedenfalls im Ergebnis mit Recht verneint hat. Eine WEG-Streitigkeit liegt nicht vor. Hierfür sei stets erforderlich, dass die Streitigkeit in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis stehe. Hierfür reiche nicht aus, dass der Fremdnutzer „statt des Wohnungseigentümers" in Anspruch genommen werde. Eine erweiternde Auslegung des insoweit klaren Gesetzeswortlauts komme nicht in Betracht, so dass Klagen gegen Nießbraucher, Mieter oder gegen sonstige Fremdnutzer von Wohnungseigentum nicht unter § 43 Nr. 1 und 2 WEG fielen.

Auf die Frage, - wozu der BGH neige – Unterlassungsansprüche gegen den Fremdnutzer als WEG-Sache qualifiziert werden könnten, brauche im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt zu werden, da die WEG gerade nicht auf Unterlassung klagte, sondern auf Duldung des Zugangs zur Wohnung sowie der erforderlichen Balkonsanierungsarbeiten. Dies sei ein ganz anderer Streitgegenstand (§ 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG). Als Unterlassungsanspruch könne die Klage nicht ausgelegt werden, zumal hinzu komme, dass diese Klage unzulässig wäre mangels Vergemeinschaftungsbeschluss. Denn der Beschluss der Versammlung beschränke sich ausdrücklich auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Eigentümer, nicht aber gegen Fremdbesitzer.

Fazit für den Verwalter

Lassen Verwalter über die außergerichtliche und notfalls gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen bei Sanierungsmaßnahmen abstimmen, sollte immer daran gedacht werden, als Anspruchsgegner nicht nur Wohnungs- und / oder Teileigentümer ins Visier zu nehmen, sondern gegebenenfalls auch Mieter, Nießbraucher oder sonstige Fremdnutzer. Bei Sanierungsarbeiten oder sonstigen baulichen Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum gibt es eine verbreitete Ansicht, die der Meinung ist, dass Mieter und weitere Fremdnutzer in der derartigen Fällen zur Duldung des Betretens des Sondereigentums sowie der Durchführung der Arbeiten verpflichtet sind. Die Sache kann als WEG-Sache zum WEG-Gericht getragen werden. Beschränkt man den Wortlaut eines Beschlusses auf den Eigentümer, ist nach der vorliegenden BGH-Entscheidung nicht mit einer „rettenden" erweiternden Auslegung des Beschlusses durch die Gerichte zu rechnen.

Der BGH hat noch nicht abschließend entschieden, ob Mieter, Nießbraucher oder sonstige Fremdnutzer als Zustandsstörer anzusehen sind, wenn sie die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen oder des Rückbaus einer rechtswidrigen baulichen Veränderung blockieren. Der BGH neigt jedoch dieser Ansicht ausdrücklich zu und bestätigt insoweit eine frühere Entscheidung, in der ein Wohnungseigentümer den Mieter eines anderen Wohnungseigentümers erfolgreich auf Duldung des Rückbaus einer vom Vermieter rechtswidrig vorgenommenen Balkonverglasung in Anspruch genommen hatte. Der BGH brauchte dort zum Ausdruck, dass ein Mieter keine weitergehenden Rechte haben könne als ein vermietender Wohnungseigentümer.