WEG-Recht

BGH verfeinert seine Rechtsprechung zur Transparenz einer Jahresabrechnung

Jeder Wohnungseigentumsverwalter kennt „BGH V ZR 44/09“. Es ist das Aktenzeichen einer wichtigen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (Urteil vom 04.12.2009) zum Wesen und zur Darstellung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung. Die Verwalterbranche musste sich in erheblichem Umfang an die neuen Rechtsvorgaben anpassen. Mit einem Urteil vom 25.09.2020 hat der BGH nunmehr einige weitere und wichtige ergänzende Aussagen getroffen, die etwas mehr Lockerung und Gestaltungsspielraum für Verwalter und Softwarehersteller mit sich bringen.

Mit Urteil vom 25.09.2020 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 80/19 äußert sich der BGH mit erfreulicher Praxisbezogenheit zur Gestaltung der Jahresabrechnung. Erfreulich ist vor allem, dass die im dortigen Fallstreit gegenständliche Jahresabrechnung auszugsweise in den Entscheidungsgründen abgedruckt wird. Es lohnt sich also, das Urteil auf der Webseite des Bundesgerichtshofes aufzurufen und – speziell die Seiten 4 und 5 des pdf-Umdrucks – genau zu studieren. Hier der link zum Urteil.

Der Fall

Die Parteien bilden eine große Wohnungseigentümergemeinschaft im Amtsgerichtsbezirk Kaiserslautern. Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist die mehrheitlich beschlossene Jahresabrechnung 2016. Da für die Gemeinschaft zwei getrennte Konten geführt werden (Girokonto und Spar-/Tagesgeldkonto) und der Verwalter im Abrechnungszeitraum unterjährig mehrfach Kontenüberträge vorgenommen hatte, entschied er sich im Rahmen der Jahresabrechnung dazu, die internen Umbuchungen zwischen den Konten in Rahmen der Gesamtabrechnung zwar darzustellen, um die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeitsprüfung zu erhalten, gleichzeitig aber diese vermögensneutralen internen Umbuchungen ausdrücklich als „nicht abrechnungsrelevant“ darzustellen. Wegen der Einzelheiten der Darstellungsweise ist an dieser Stelle auf Seite 4 des Urteils zu verweisen.

Der Anfechtungskläger greift die Beschlussfassung mit der Begründung an, dass die Jahresabrechnung einem durchschnittlichen Wohnungseigentümer keinen schlüssigen Kontenabgleich ermögliche, da ein rechnerischer Zwischenschritt erforderlich sei, um die nicht verteilungsrelevanten Beträge aus der Kostenverteilung herauszunehmen. Dies genüge nicht dem rechtlichen Erfordernis einer „einfachen“ rechnerischen Schlüssigkeitsprüfung.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landgericht Landau der Berufung des Klägers in der zweiten Instanz stattgegeben und keine Revision zugelassen. Die Beklagten drangen mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH durch und obsiegten in der Revisionsinstanz. Der BGH bestätigt im Ergebnis die Klagabweisung durch das Amtsgericht.

Die Entscheidung

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entsprach die beschlossene Genehmigung der Jahresabrechnung in der vorgelegten Form den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Insbesondere sei die Abrechnung hinreichend transparent und für einen durchschnittlichen Wohnungseigentümer nachvollziehbar. Der BGH führt aus, dass dem Verwalter bei der Gestaltung der Jahresabrechnung ein gewisser Ermessensspielraum eröffnet sei. Gäbe es – wie hier – mehrere Gemeinschaftskonten, bewege es sich innerhalb der Grenzen dieses Ermessens, wenn die Gesamtabrechnung ausführlicher ausgestaltet werde, indem die Einnahmen und Ausgaben bezogen auf die unterhaltenen Konten wiedergegeben würden. Bei einer solchen Darstellungsweise müssten auch Kontenüberträge mitgeteilt, aber als „nicht abrechnungsrelevant“ gekennzeichnet werden. Zwar handele es sich bei Überträgen um vermögensneutrale interne Umbuchungen, die aber trotzdem berücksichtigt werden müssten, weil anderenfalls die aus der Abrechnung ersichtlichen Endstände der Gemeinschaftskonten nicht plausibel seien. Der BGH zitiert und akzeptiert insoweit ausdrücklich die Musterabrechnung 1.0 von Casser/Schultheis, abgedruckt in der ZMR 2011, ab Seite 85 (exakt Seite 92). Er erwähnt hierbei, dass im Sinne der Transparenz nicht zwingend der Begriff „nicht abrechnungsrelevant“ verwendet werden müsse. Auch andere Kennzeichnungen kämen infrage, z. B. durch Herausnahme der nicht verteilungsrelevanten Beträge in einer Spalte der letztlich auf die Eigentümer verteilten Kosten.

Im vorliegenden Fall habe der Verwalter unterjährig überschüssige Liquidität vom Girokonto auf das Tagesgeldkonto (Sparkonto) überführt. Zu einem anderen Zeitpunkt im Jahr 2016 habe er Liquidität vom Tagesgeldkonto entnommen und dem Girokonto zugeführt. Diese Buchungen seien zutreffend bei den jeweiligen Konten aufgeführt und an anderer Stelle richtigerweise als nicht abrechnungsrelevant gekennzeichnet worden.

Der BGH stellt fest, dass die in der Praxis, insbesondere bei Wohnungseigentümern, gängige „einfache“ Schlüssigkeitsprüfung (Anfangsbestand der Gemeinschaftskonten abzgl. Ausgaben zzgl. Einnahmen = Kontoendbestand) nur im Grundsatz plausibel erscheine. Gleichwohl hat sie Tücken. Handele es sich – wie hier – um eine Abrechnungs- und Darstellungsweise, seien zusätzliche Rechenschritte erforderlich bzw. zu beachten. Diese seien aber einem durchschnittlichen Wohnungseigentümer möglich und zumutbar.

Die Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage, die ein wesentlicher Bestandteil der Jahresabrechnung sei, beziehe sich auf die Entwicklung der buchhalterischen Konten im Abrechnungsjahr (Soll- und Ist-Bestand). Die buchhalterische Ist-Zuführung entspreche regelmäßig nicht den in der Gesamtabrechnung aufgeführten, auf die Instandhaltungsrücklage bezogenen Zahlungseingängen in dem Abrechnungsjahr; ebenso wenig entspreche der buchhalterische Gesamtbestand der Instandhaltungsrücklage dem Stand eines für die Wohnungseigentümergemeinschaft geführten Tagesgeldkontos.

Fazit für den Verwalter

Es gibt nicht nur „die eine richtige“ Jahresabrechnung. Von Fall zu Fall können unterschiedliche Abrechnungssysteme ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

Interne Kontenüberträge sind keine Geldflüsse im Sinne des Zufluss- und Abflussprinzips. Durch sie werden keine Geldmittel dem Verwaltungsvermögen zugeführt oder entnommen. Daher kann es insoweit nicht um eine Verteilung der Eigentümer gehen, sondern lediglich um eine transparente Darstellung, dass keine Verteilungsrelevanz besteht.

Aus dem Urteil ergibt sich zugleich, dass die Einzeljahresabrechnungen nicht aus der Gesamtabrechnung abgeleitet werden können und müssen. Ferner lässt sich der im Urteil abgebildeten Abrechnung entnehmen, dass auch tatsächliche Geldflüsse nicht zwingend Abrechnungsrelevanz besitzen. So wurden eingegangene Nachzahlungen aus Jahresabrechnungen der Vorjahre sowie im Abrechnungsjahr ausgekehrte Guthaben aus früheren Jahresabrechnungen ebenfalls als nicht abrechnungsrelevant klassifiziert.

Des Weiteren lässt sich der abgebildeten Jahresabrechnung entnehmen, dass mittels der Soll-Hausgeldzahlung laut Wirtschaftsplan einschließlich der Soll-Zuführung zur Instandhaltungsrücklage die Abrechnungsspitze errechnet wurde. Auf der Grundlage von Ist-Zahlungen ist dies nicht möglich, jedenfalls dann nicht, wenn nicht alle Hausgeldforderungen vollständig von allen Eigentümern beglichen wurden. In einer großen Wohnanlage gibt es oft Hausgeldschulden, so dass die Ist-Zahlungen im Abrechnungszeitraum niedriger sind als die Soll-Vorauszahlungen laut Wirtschaftsplan. Mit den Ist-Zahlungen lässt sich die Abrechnungsspitze nicht errechnen.

Für das am 01.12.2020 in Kraft tretende neue Wohnungseigentumsgesetz (vom 16.10.2020) muss durch die Rechtsprechung definiert werden, was genau Beschlussgegenstand ist und wie Beschlussanträge rechtssicher formuliert werden. Meiner Ansicht nach – diese ist freilich umstritten und möglicherweise falsch – reicht es, wenn wie in der Vergangenheit die Genehmigung der Jahresabrechnung angekündigt und beschlossen wird. Der objektive Leser wird meiner Einschätzung nach gemäß der höchstrichterlich anerkannten Auslegungsgrundsätze erkennen, worum es den Wohnungseigentümern bei der Abstimmung geht. Es kursieren aber bereits jetzt Beschlussmuster, die sich stärker am neuen Gesetzeswortlaut ausrichten. Will der Verwalter den sichersten Weg gehen, wird er seine Standard-Beschlussmuster möglicherweise umstellen und der neuen Gesetzeslage stärker anpassen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de