Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ist hingegen seit jeher der Ansicht, dass der Verwalter berechtigt ist, jedenfalls vorläufig Gemeinschaftsmittel aufzuwenden, um den Rechtsanwalt zu bezahlen. Das mühselige Einsammeln der anteiligen Kostenbeiträge bei den Beklagten dürfe er sich daher sparen. Erst in der nächsten Jahresabrechnung müsse der Verwalter die unterschiedliche Prozessbeteiligung (Klägerseite und Beklagtenseite) berücksichtigen und deshalb den bzw. die Anfechtungskläger von der Kostenverteilung ausnehmen.
Der Fall
Die Eigentümerversammlung stimmte mit Mehrheitsbeschluss der Genehmigung des Wirtschaftsplans 2013 zu. In dem Wirtschaftsplan war eine Kostenposition in Höhe von 7.000,00 vorgesehen mit der Bezeichnung RA-Kosten/Rechtsstreit". Die Position war im Gesamtwirtschaftsplan angesetzt und in den Einzelwirtschaftsplänen aller Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile umgelegt. Einige Eigentümer waren hiermit nicht einverstanden und haben den Wirtschaftsplan daher insoweit gerichtlich angefochten. Sie hielten es generell also entsprechend der oben geschilderten Mindermeinung für unzulässig, zur Finanzierung der Rechtsverteidigung im Beschlussanfechtungsverfahren auf Gemeinschaftsmittel zuzugreifen, da sie die Kläger ja ebenfalls in die Gemeinschaftskasse eingezahlt hätten und es nicht angehen könne, dass sie vorläufig den gegnerischen Rechtsanwalt mit finanzieren müssten.
Das Amtsgericht hat daher den Beschluss über den Wirtschaftsplan antragsgemäß für ungültig erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Da das Berufungsgericht die Revision zuließ, hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden. Dieser schließt sich im Ergebnis der Ansicht des Berufungsgerichtes an, wies die Anfechtungsklage also ab.
Der BGH entnimmt die erforderliche Beschlusskompetenz etwas überraschend, im Ergebnis aber vertretbar nicht aus § 28 Abs. 5 WEG (Beschlusskompetenz zur Genehmigung des Wirtschaftsplans), sondern aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG, und zwar in der Fallvariante der sog. gekorenen Wahrnehmungsbefugnis des Verbandes für Pflichten der Wohnungseigentümer.
Denn auch wenn so der BGH die Kosten einer Anfechtungsklage keine Kosten der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums seien, der das Verbandsvermögen diene, sei es gleichwohl zulässig, dass die Wohnungseigentümer die Bereitstellung für Mitteln für die Bezahlung eines Rechtsanwaltes, der die Beklagten in einem Anfechtungsprozess vertritt, zu einer Gemeinschaftsangelegenheit zu machen. Ein solcher Mittelansatz im Wirtschaftsplan diene der Erfüllung einer Verpflichtung der zu verklagenden Wohnungseigentümer, die vom Verband gemeinschaftlich erfüllt werden könne. Der Verwalter müsse in die Lage versetzt werden, den Rechtsanwalt, den er Kraft seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG) für die beklagten Wohnungseigentümer beauftragen darf, auch bezahlen zu können. Der Rechtsanwalt sei nämlich nach Erteilung des Mandates gem. § 9 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) dazu berechtigt, einen Vorschuss auf seine Gebühren und Auslagen zu verlangen. Diesen soll der Verwalter zahlen können und es wäre regelmäßig nicht praktikabel und damit unzumutbar, wenn der Verwalter mit der Weiterleitung der Klageschrift an die verklagten Wohnungseigentümer Vorschussbeiträge anfordern und eintreiben müsse. Vielmehr entspreche es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn bereits im Wirtschaftsplan für derartige Fälle Gelder bereitgestellt werden.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer gesonderten Kostenposition im Wirtschaftsplan sei aber, dass es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass es im vorstehenden Wirtschaftsjahr, auf das sich der Wirtschaftsplan bezieht, zu Beschlussanfechtungsklagen kommen werde. Hierbei steht der Eigentümergemeinschaft ein gewisser Prognose- und Beurteilungsspielraum offen. Vorprozesse oder bereits schwebende Prozesse können als ein solcher tatsächlicher Anhaltspunkt zugrunde gelegt werden.
Fehlen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass es zu Anfechtungsklagen kommen wird, ist ein Ansatz von Prozesskosten hierfür im Wirtschaftsplan nicht gerechtfertigt. Der BGH hält es stattdessen aber für zulässig, dass in solchen Fällen wenn es also trotzdem zu einer nicht absehbaren Anfechtungsklage kommen sollte gleichwohl auf Gemeinschaftsmittel zugegriffen wird.
Außerdem merkt der BGH an, dass dann, wenn bereits ein konkreter Eigentümer eine konkrete Anfechtungsklage gegen die übrigen Miteigentümer angekündigt oder sogar bereits eingereicht hat, im Wirtschaftsplan eine entsprechende Kostenposition für die Bezahlung des Beklagtenvertreters aufgenommen werden darf und zwar von vornherein unter kostenmäßiger Ausklammerung des Klägers. Hier würde also im Einzelwirtschaftsplan des Klägers keine Kostenbelastung erfolgen.
Fazit für den Verwalter
Das Urteil ist für den Verwalter beruhigend und sichert die bundesweit ganz überwiegend verbreitete Verwaltungspraxis rechtlich ab. Der Verwalter ist berechtigt, den Rechtsanwalt, der die Beklagten vertritt, vorläufig aus Gemeinschaftsmitteln zu bezahlen. In der nächsten Jahresabrechnung muss allerdings das Prozessrechtsverhältnis berücksichtigt werden, indem der Anfechtungskläger in seiner Einzeljahresabrechnung nicht anteilig mit der Rechtsanwaltsausgabe belastet werden darf. Ist dann eines Tages der Anfechtungsprozess rechtskräftig abgeschlossen, hat die endgültige Verteilung der Prozesskosten nach der rechtskräftigen gerichtlichen Kostenentscheidung zu erfolgen. Hat also beispielsweise der Kläger den Prozess verloren und die gesamten Prozesskosten zu tragen, sind ihm die fraglichen Prozesskosten in der Einzeljahresabrechnung komplett aufzuerlegen. Die Rechtskraft der gerichtlichen Kostengrundentscheidung erlaubt dies. Sollte in vorausgegangenen Jahresabrechnungen zunächst eine andere Kostenverteilung erfolgt sein, also während des noch anhängigen Verfahrens, so stand die Beschlussfassung insoweit stets unter dem Vorbehalt einer späteren Korrektur nach Maßgabe der gerichtlichen Kostenentscheidung.
Der Verwalter muss nach dem Vorgesagten also darauf achten, dass er nicht etwa bis zum Jahr des rechtskräftigen Abschlusses des Prozesses warten darf, sondern bereits in der nächsten Jahresabrechnung die unterschiedlichen Parteirollen berücksichtigt.
Als tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass es im nächsten Wirtschaftsjahr zu einer Beschlussanfechtungsklage kommen wird, dürfte meines Erachtens auch eine entsprechende schriftliche oder mündliche Ankündigung eines Eigentümers ausreichen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Eigentümerversammlung die Prozesskostenposition in den Wirtschaftsplan für das kommende Jahr eingestellt, da es bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung Anfechtungsklagen gab. Eine derartige Bewertung und Prognose hielt der rechtlichen Überprüfung durch den BGH stand.
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburg
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