WEG-Recht

BGH zum Bauträgervertrag: WEG kann die Geltendmachung des Eigentumsverschaffungsanspruchs am Nachbargrundstück an sich ziehen

Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz besitzen, den Erwerb eines benachbarten Grundstücks zu beschließen. In einem Fall, der in einer Villenkolonie im Berliner Westend spielt, überträgt der Bundesgerichtshof (BGH) anerkannte Rechtsgrundsätze auf das Verhältnis der Erwerber zum aufteilenden Eigentümer. Dieser hatte unter Verstoß gegen einen ihm von der Baubehörde bauplanungsrechtlich erteilten Dispens das Gesamtgrundstück real geteilt, nur an einem der Flurstücke Wohnungseigentum begründet und dadurch die öffentlich-rechtliche Legalität des Gebäudes aufs Spiel gesetzt. Die Wohnungseigentümer beschlossen, ihn auf Verschaffung des Eigentums an dem abgetrennten Grundstück (Flurstück) zu verklagen.

Mit Urteil vom 20. September 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 258/18 hob der BGH das Urteil des Berufungsgerichts (Kammergericht) auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück in die zweite Instanz. Das Kammergericht hatte die Klage der WEG abgewiesen, weil diese insoweit nicht rechtsfähig sei, ihr weder das nach dem WEG aufgeteilte noch das Nachbargrundstück gehöre und die Prozessführung ohnehin nicht unter den Begriff der Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) falle. Der BGH beurteilte den Sachverhalt anders.

Der Fall

Klägerin ist die WEG Ulmenallee 49 in Berlin. Der Beklagte war Eigentümer des Gesamtgrundstücks, das aus zwei Flurstücken bestand, nämlich dem mit einem Wohngebäude bebauten Flurstück 696 (Ulmenallee) und dem nach wie vor unbebauten Flurstück 695 (Nußbaumallee). Für den Dachausbau, den der Beklagte im Zuge der umfassenden Sanierung und Modernisierung des Wohngebäudes vornahm, hatte die Baubehörde ihm gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB eine Befreiung von den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen hinsichtlich der Geschossflächenzahl (GFZ) erteilt. Dieser Dispens steht unter der auflösenden Bedingung, dass die beiden Flurstücke als 2610 qm großes Gesamtgrundstück beibehalten bleiben und eine spätere Grundstücksteilung ausgeschlossen ist. Am 16.10.2007 teilte der Beklagte das Grundstück in Wohnungseigentum auf (§ 8 WEG) und ließ zugleich – entgegen der bauplanungsrechtlichen Anordnung – das unbebaute Flurstück Nußbaumallee vom Gesamtgrundstück abschreiben (Realteilung). Dies wurde im Grundbuch vollzogen. Von Oktober 2007 bis Juli 2008 schloss der Beklagte insgesamt 9 Bauträgerverträge mit Erwerbern von Wohnungseigentum, in denen er sich zur umfassenden Sanierung und Modernisierung des Bestandsgebäudes verpflichtete. Das Eigentum an dem abgetrennten Grundstück (Flurstück) Nußbaumallee übertrug der Beklagte im Jahr 2011 an eine aus seinen beiden Töchtern bestehende GbR. Im Jahr 2014 erfuhr die Baubehörde von der Grundstücksteilung und gab den Wohnungseigentümern unter Androhung von Zwangsgeld auf, die Abschreibung (Realteilung) rückgängig zu machen und sich das Grundstück Nußbaumallee übereignen zu lassen. Zugleich wurde der GbR behördlich aufgegeben, das Grundstück Nußbaumallee an die Wohnungseigentümer zu übereignen. Gegen diese Verwaltungsakte legten die Adressaten Widerspruch ein. In der Eigentümerversammlung vom 16.6.2015 beschlossen die Wohnungseigentümer, den Beklagten auf Verschaffung des Eigentums an dem aus dem Flurstück Nußbaumallee bestehenden Grundstück in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht Berlin hatte der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hob das Urteil des Landgerichts auf, wies die Klage ab und ließ die Revision zum BGH zu. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Die Entscheidung

Der BGH führt aus, dass es zwar richtig sei, dass nicht der klagenden WEG, sondern deren Mitgliedern (9 Wohnungseigentümer) das gemeinschaftliche Grundstück gehöre und gemäß § 1 Abs. 5 WEG auch das nach dem Klagebegehren einzubeziehende Nachbargrundstück über § 890 BGB (Vereinigung oder Zuschreibung) in das gemeinschaftliche Eigentum fallen würde. Gleichwohl besäßen die Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz, die Geltendmachung der auf die Eigentumsverschaffung am Nachbargrundstück gerichteten Ansprüche der Ausübungsbefugnis der rechtsfähigen WEG als Klägerin zu unterstellen (Ansichziehen). Denn wegen der vertraglich eingegangenen Verpflichtung des Beklagten zur „Totalsanierung” seien die Erwerbsverträge als Bauträgerverträge zu qualifizieren. Die darin vom Beklagten übernommenen Herstellungspflichten in Bezug auf das Gebäude richteten sich nach dem Werkvertragsrecht, während im Übrigen, insbesondere die Eigentumsverschaffung am Grundstück, Kaufrecht zur Anwendung komme, also § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.

Der BGH führt weiter aus, dass die auf Eigentumsverschaffung gerichtete Klage sowohl aus dem werk- als auch dem kaufrechtlichen Element der Bauträgerverträge Erfolg haben könne. Es sei eine Auslegungsfrage, ob Wohnungseigentum am Gesamtgrundstück versprochen wurde. Falls ja, müsse der Beklagte dafür sorgen, dass den Wohnungseigentümern das Flurstück Nußbaumallee übereignet werde. Er habe dann eine Einwirkungspflicht auf seine Töchter. Wäre laut Vertrag hingegen nur das jetzige WEG-Grundstück geschuldet, könne sich ein Eigentumsverschaffungsanspruch aus der Werkherstellungspflicht ergeben, da das Erlöschen des Dispenses einen baurechtswidrigen Zustand herbeigeführt haben könne, der einen Mangel des Gebäudes verkörpere und vom Beklagten zu beheben wäre.

Auch wenn der Beklagte unstreitig nicht mehr Eigentümer des Flurstücks Nußbaumallee sei, ihm die Auflassung in eigener Person also unmöglich ist, heiße dies nicht, dass der Beklagte nicht erfolgreich auf die GbR einwirken könne, das Flurstück zu übereignen. Die nötigen Feststellungen zum Sachverhalt habe das Kammergericht bislang nicht getroffen.

Im Mittelpunkt der Urteilsbegründung steht der vom BGH bejahte weite Begriff der Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG. Zwar sei es richtig, dass eine Veränderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft – etwa durch Veräußerung eines Teils des gemeinschaftlichen Grundstücks oder eine Vergrößerung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Einbeziehung (Arrondierung) eines Nachbargrundstücks – keine Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG darstelle, für die Begründung einer schuldrechtlichen Pflicht der Wohnungseigentümer zur Mitwirkung an einer sachenrechtlichen Änderung keine Beschlusskompetenz bestehe und sie darüber hinaus auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 WEG sein könne. Darum gehe es hier aber nicht. Ausweislich der Versammlungsniederschrift hätten die Wohnungseigentümer nicht eine entsprechende Mitwirkungsverpflichtung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis zur gemeinschaftlichen Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen beschlossen, sondern einen Rechtsstreit im Außenverhältnis mit dem Veräußerer legitimiert, um öffentlich-rechtliche Pflichten zu erfüllen. Beschlussgegenstand war eine Prozessführung und folglich eine klassische Maßnahme der Verwaltung im Sinne der §§ 10 Abs. 6 S. 3, 21 Abs. 3, 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG. Habe die auf Eigentumsverschaffung gerichtete Klage Erfolg, sei es dem freien Entschluss aller Wohnungseigentümer überlassen, ob man sich das vom Beklagten bzw. der GbR angediente Eigentum gemeinschaftlich übertragen lasse.

Da der Eigentümerbeschluss vom 16.6.2015 unangefochten geblieben war, musste sich der BGH nicht mit der Frage befassen, ob es ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach, den Prozess gegen den Beklagten zu führen. Zweifel daran hätte es geben können, wenn bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung absehbar gewesen wäre, dass ein oder einzelne Wohnungseigentümer die Vergrößerung des WEG-Grundstücks nach § 890 BGB ablehnen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wäre eine solche Ablehnung indessen unwahrscheinlich. Das objektive Gesamtinteresse aller Eigentümer besteht offenkundig darin, die öffentlich-rechtliche Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens wiederherzustellen.

Fazit für den Verwalter

Der Fall beschreibt eine Variante, in denen Wohnungseigentümer die aus dem Bauträgervertrag resultierenden Ansprüche per Beschluss vergemeinschaften und die Rechtsverfolgung an sich ziehen können. Verwalter müssen sich klar machen, dass nicht die Ansprüche auf die WEG übergehen, sondern deren Geltendmachung. Die WEG verfolgt somit die für sie fremden Rechte der Eigentümer im eigenen Namen. Prozessual spricht man von einer Prozessstandschaft.

Der Begriff „Ansichziehen” muss im Beschlusstext nicht enthalten sein, solange sich bei unbefangener Auslegung erkennen lässt, dass es um eine Verfolgung von Rechten der Eigentümer durch die WEG auf deren Kosten geht. Den sichersten Weg der Formulierung wählt ein Versammlungsleiter, wenn er den Begriff im Beschlussantrag unterbringt.

Die Entscheidung klärt für die Praxis, dass Beschlusskompetenz besteht, einen Rechtsanwalt oder Notar zu beauftragen, einen Nachtrag zur Änderung der Teilungserklärung zu entwerfen, auch wenn die Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen und/ oder der Gemeinschaftsordnung nicht dem Mehrheitsprinzip unterliegt, sondern die Mitwirkung aller Eigentümer bzw. eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG voraussetzt. Der Gegenansicht, die eine Beschlusskompetenz verneint, erteilt der BGH eine Absage (Rn 14 -16 des Urteils). Allerdings könne ein Mehrheitsbeschluss, einen Entwurf in Auftrag zu geben, ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung absehbar ist, dass einzelne Wohnungseigentümer an der späteren Umsetzung nicht mitwirken werden und hierzu zweifelsfrei auch nicht ausnahmsweise verpflichtet sind. Ob ein Anfechtungskläger mit einer derartigen Behauptung – strikte und endgültige Weigerung der Mitwirkung – Erfolg haben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach objektiver Betrachtung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch kritische Eigentümer ihre bisherige Haltung überdenken und aufgeben, wenn ein ausgearbeiteter Entwurf erst einmal vorgelegt wird und gemeinschaftlich diskutiert werden kann.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W
·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg

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