Arbeitsrecht

Bis das der Tod uns scheidet! – Betriebsvereinbarung als Rettung?

Dürfen Arbeitnehmer entlassen werden, wenn sie die vertraglich vereinbarte Altersgrenze erreicht haben? Das Bundesarbeitsgericht verhandelte einen Fall, dessen „Knackpunkt” eine Betriebsvereinbarung war. Die Entscheidung nahm schlussendlich auch Bezug auf die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit.

Der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze und damit über das Ende eines Arbeitsvertrages.

Der 1948 geborene Arbeitnehmer war seit Mai 1969 bei der Arbeitgeberin auf der Grundlage eines mündlichen Arbeitsvertrags beschäftigt. Am 27.8.2013 trat bei der Arbeitgeberin erstmals eine „Betriebsvereinbarung über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen...”. Diese lautet u. a.: „Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Abschläge erreicht hat und diese auch durch einen ihm zustehenden Anspruch beziehen kann, unabhängig davon, ob ein entsprechender Rentenantrag bereits gestellt wurde.”

Die Arbeitgeberin teilte dem Arbeitnehmer Anfang September 2013 mit, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Betriebsvereinbarung mit Ablauf des 31.12.2013 enden werde. Der Arbeitnehmer klagte dagegen. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache der Betriebsvereinbarung vor.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandeln. Dazu gehört die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Grundgesetz der Arbeitnehmer zu schützen, so dass diese grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass ihr Arbeitsvertrag unbefristet bleibt. Zwar ist der Arbeitsvertrag offen für eine Betriebsvereinbarung, die den Arbeitnehmer auch schlechter stellen kann. Jedoch muss er vor einer unangemessenen Beschränkung seiner Grundrechte bewahrt werden.

Führen die Betriebsparteien für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erstmals eine Altersgrenze ein, ist Rücksicht auf sog. rentennahe Arbeitnehmer zu nehmen. Auch wenn diese eine ungekürzte Rente erhalten, müssen sie über eine angemessene Zeit verfügen, um sich auf eine veränderte rechtliche Lage einzustellen und ihre Lebensführung oder -planung gegebenenfalls an diese anzupassen. Das erfordert für rentennahe Jahrgänge grundsätzlich Übergangsregelungen. Diese ist hier zu kurz.

Der Tipp

Das Gute an der Entscheidung ist, dass endlich klar ist, dass eine Betriebsvereinbarung in den Arbeitsvertrag auch nachteilig eingreifen kann. Das hatten schon Landesarbeitsgerichte so entschieden. Auch die Regelung „Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen” reicht nicht, um den Arbeitnehmer vor Betriebsvereinbarungen zu schützen, die vor dem Tod einen Punkt setzen. Problematisch war hier nur, dass die Zeit zu kurz war. Die Vorinstanz (LAG Hamm, Urteil vom 14.01.2015 - 4 Sa 1176/14) hat entschieden, dass mindestens die jeweilige Kündigungsfrist zwischen Abschluss Betriebsvereinbarung und Beendigung liegen muss. Das wären hier mindestens sieben Monate gewesen. Allerdings äußerte erst kürzlich das LAG Berlin-Brandenburg, dass es mindestens ein Jahr sein müsste. Hierzu steht eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus: Was ist rentennah? Und welche Frist muss nun zwischen Abschluss der Betriebsvereinbarung und Ende des Arbeitsverhältnisses liegen?

BAG, Urteil vom 21.2.2017 – 1 AZR 292/15