Arbeitsrecht

Darf die Gewerkschaft auf dem Grundstück des Arbeitgebers Streikaktionen durchführen?

Was wiegt mehr: Das Streikrecht oder das Recht auf Eigentum? Im vorliegenden Fall stehen zwei grundgesetzliche Grundrechte zur Disposition. Die Arbeitnehmer wollen auf dem gepachteten Parkplatz des Arbeitgebers streiken. Der Arbeitgeber klagte auf Unterlassung und erhielt in erster Instanz Recht. Der Streit wird nun wohl vor dem Bundesarbeitsgericht ausgefochten.

Der Fall

Schon seit langem versucht die Gewerkschaft Ver.di mit den Unternehmen der Amazon Corporation in Tarifverhandlungen zu treten. Amazon sträubt sich dagegen hartnäckig. Nun beabsichtigte Ver.di Streikposten auf dem nicht umzäunten und zum Betriebsgelände gehörenden gepachteten Parkplatz des Unternehmens Amazon Pforzheim GmbH aufzustellen um langfristig zu erreichen, dass die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg zur Anwendung kommen. Wegen der örtlichen Verhältnisse und des Organisationsgrads der Belegschaft könne nur auf dem Betriebsgelände eine Kommunikation mit arbeitswilligen Arbeitnehmern effektiv geführt werden. Würden die Streikposten erst außerhalb des Werkgeländes stehen, würden die meisten Beschäftigten mit Auto einfach vorbeifahren. Auch die Polizei hatte zu verstehen gegeben, dass Streikaktivitäten auf dem öffentlichen Straßengelände, etwa dem Gehweg vor dem Parkplatz, wegen der beengten Situation nicht genehmigt werden könnten. Vor dem Parkplatz steht allerdings ein Schild, dass es sich um ein Privatgrundstück handelt und das Betreten durch Unbefugte verboten ist. Amazon klagte auf Unterlassen der mit Trommeln ausgestatteten Streikposten und berief sich auf die Grundrechte Eigentum (Art. 14 Grundgesetz) und Berufsfreiheit (Art. 12 GG): Der Grundbesitz vermittle dem Hausrechtsinhaber die Befugnis darüber zu entscheiden, ob, wem und zu welchen Zwecken er Zutritt zu seinem Grundbesitz gestatte.

Die Entscheidung

Vor dem Arbeitsgericht Berlin hat Amazon den Prozess gewonnen. Dieses urteilte, es sei ausgeschlossen, dass die Arbeitgeberin als Pächterin des Parkplatzgeländes gezwungen werde, an der eigenen streikbedingten Schädigung durch die Bereitstellung von Betriebsmitteln mitzuwirken.

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung nun aufgehoben und die Unterlassungsklage von Amazon abgewiesen. Es ist einer Gewerkschaft nicht grundsätzlich untersagt, Arbeitskampfmaßnahmen auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers durchzuführen. Die Rechtsposition der Pächterin werde zwar durch § 862 BGB, nicht aber durch das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 GG geschützt. Auch auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG könne sich Amazon nicht berufen. Amazon müsse eine Einschränkung ihres Besitzrechtes im Hinblick auf die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit hinnehmen. Ver.di könne angesichts der örtlichen Verhältnisse mit der Belegschaft nur auf dem Parkplatz kommunizieren. Die betriebliche Tätigkeit von Amazon würde hierdurch nicht beeinträchtigt. Auch müsse Amazon keine weiteren Betriebsmittel zur Unterstützung des Arbeitskampfes zur Verfügung stellen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.03.2017 – 24 Sa 979/16)

Fazit für den Verwalter

Der Fall ist von Bedeutung, weil es um fundamentale Grundrechte geht. Auf der einen Seite steht das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Allerdings ist Amazon nur Pächterin, nicht Eigentümerin. Dies ist am Ende jedoch nicht unbedingt entscheidend. Vielmehr sind gewerkschaftliche Streikmaßnahmen grundgesetzlich geschützt, Art. 9 Abs. 3 GG. Dies kann für Unternehmen ziemlich unangenehm werden, ist jedoch wichtiger Teil der demokratischen Grundordnung. Das Hausrecht von Unternehmen muss daher gewisse Einschränkungen hinnehmen. Klar ist aber auch: in dem Betriebsgebäude selbst wären Streikmaßnahmen unzulässig gewesen. Der Parkplatz stellte hiervon eine Ausnahme dar.