Arbeitsrecht

Diebstahl wertloser Gegenstände ist kein Kündigungsgrund

Der Fall

A ist seit 1997 als Arbeitsvorbereiter tätig. Bei der Arbeitgeberin besteht eine Arbeitsanweisung bezüglich der Abgabe von nicht mehr verwendungsfähigem Material. Danach kann man Eigentum der Arbeitgeberin erwerben, indem man einen Materialpassagierschein erwirbt.

A wurde von einer Videokamera aufgezeichnet, wie er eine Schaumstoffmatte aus einem Container der Beklagten in sein Auto gebracht hatte. Zur Rede gestellt, räumte A dies ein und bedauerte sein Verhalten. Das sei spontan und überlegt und aus Faulheit passiert. Er hatte keinen Passagierschein dabei. Die Arbeitgeberin kündigte fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist.

A klagte dagegen. Die Schaumstoffmatte hat er aus einer Abfalltonne entnommen, die zur Entsorgung durch eine Fremdfirma bereitgestellt gewesen sei. Es habe sich um eine zur Vernichtung vorgesehene Dämmstoffmatte ohne messbaren wirtschaftlichen Wert gehandelt.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. Das Gesetz kennt keine „absoluten" Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen.

Die Mitnahme der Schaumstoffmatte berechtigt eine an sich zur außerordentlichen Kündigung. Denn durch eine strafbare Handlung verletzt ein Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen.

Allerdings hätte eine Abmahnung genügt, das Risiko künftiger Störungen durch gleichartige Pflichtverletzungen auszuräumen. Die Arbeitgeberin durfte nicht annehmen, dass sich A selbst nach einer Abmahnung nicht geändert hätte. Zudem wog die Pflichtverletzung nicht so schwer, dass A auf jeden Fall mit einer Vertragsbeendigung rechnen musste. Außerdem ist kein messbarer Schaden entstanden. Die Matte befand sich in einem Abfallcontainer und war zur Vernichtung freigegeben.

A hat auch nicht den Kernbereich seiner vertraglichen Pflichten verletzt. Er hat nicht ihm anvertraute Arbeitsmittel entwendet, sondern auf dem Arbeitsweg bereits zur Entsorgung vorgesehenes Dämmmaterial. Zudem hat er nicht heimlich gehandelt. Schließlich war das Arbeitsverhältnis für 17 Jahre ungestört, dass nicht durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört wird. Und der Riss könnte durch eine Abmahnung gekittet werden.

Der Tipp

Wie immer ist bei der fristlosen Kündigung abzuwägen: Wurde gegen eine Arbeitsanweisung verstoßen? Welchen Wert hat die Sache? Ist diese Sache dem Arbeitnehmer anvertraut gewesen? Hat er heimlich agiert? Hat er Vertrauenskapital durch jahrelange Beanstandungsfreiheit erworben?

(LAG Berlin-Brandenburg vom 04.06.2015 - 5 Sa 190/15)