WEG-Recht

Erstverwalterabnahmeklauseln in Bauträgerverträgen sind unwirksam

Nachdem der für das Bauträgerrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 1.2.2023 (VII ZR 887/21) bereits entschieden hatte, dass die Geltendmachung von Mängelrechten gegen Bauträger (Neubau) und Verkäufer (gebrauchte Eigentumswohnungen) nicht der gesetzlichen Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG unterfällt, hatte er nunmehr Gelegenheit, eine vom Bauträger in dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zum Erwerbsvertrag benutzte Abnahmeklausel zu beurteilen. Auch insoweit hält er an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

Mit Urteil vom 9. November 2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen VII ZR 241/22 entschied der BGH, dass eine von einem Bauträger in den von ihm vorformulierten Bauträgerverträgen verwendete Klausel, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch eine von ihm zum Erstverwalter bestimmte und wirtschaftlich mit ihm verbundene (Tochter-) Gesellschaft ermöglicht, unwirksam ist. Darüber hinaus gab der Fall dem BGH die Gelegenheit, sich mit Fragen des Rechtsmissbrauchs und widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) zu befassen, wenn eine GdWE Mängelansprüche verfolgt, obwohl sich die Vertragsbeziehungen infolge der unwirksamen Abnahme noch im Erfüllungs- statt im Gewährleistungsstadium befinden, auf der anderen Seite aber die vom Bauträger erhobene Verjährungseinrede zurückweist, da mangels wirksamer Abnahme die Frist noch gar nicht zu laufen begonnen habe.  

Der Fall

Eine in Schleswig-Holstein belegene GdWE macht in Prozessstandschaft für die Erwerber Mängelansprüche wegen streitiger Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gegen den Bauträger geltend. Die Wohnanlage wurde in den Jahren 2005 und 2006 errichtet. Alle Sondereigentumseinheiten wurden bis 2005 verkauft. Laut Erwerbsvertrag sollte die Übergabe/ Abnahme bei Fertigstellung erfolgen. In dem vom Bauträger vorformulierten Erwerbsverträgen beauftragte und bevollmächtigte der Käufer unwiderruflich den Verwalter mit der Übergabe/Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums. Als Erstverwalter setzte der Bauträger eine Tochtergesellschaft ein. In einem exemplarisch vorgelegten undatierten Kaufvertrag späterer Erwerber (Nachzügler) wird von einer voraussichtlichen Fertigstellung im Jahr 2006 gesprochen. Außerdem heißt es dort, dass "die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentum durch den Verwalter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen im Mai 2005 erfolgte.“

Im Jahr 2007 rügte die GdWE Planungs- und Ausführungsmängel im Bereich der Dach- und Balkonentwässerung. Diese Mängel wurden auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Beklagten (Bauträger), dem Generalbauunternehmer (GU) und dem planenden Architekturbüro beseitigt. Im Jahr 2012 rügte die GdWE weitere Mängel, bezüglich derer es zum Abschluss eines Vergleichs zwischen der Beklagten und der GdWE kam, der im Jahr 2013 abgewickelt wurde.

Am 20.4.2014 wurde in einer Eigentümerversammlung die Unwirksamkeit der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums „festgestellt“. In der Folge wandten sich einzelne Erwerber und auch der Verwalter mit neuen Mängelrügen und der Forderung nach einer (wirksamen) Abnahme an die Beklagte. Diese bestritt mit Schreiben vom 3.9.2015 die angeblichen Mängel und berief sich auf Verjährung. In der Eigentümerversammlung vom 27.11.2018 wurde beschlossen, dass die Ausübung der Nacherfüllungs- und Mängelansprüche der Erwerber gegen die Beklagte am gemeinschaftlichen Eigentum mit Ausnahme des großen Schadensersatzes und des Rücktritts auf die GdWE übertragen wird. Nach weiteren vergeblichen Aufforderungen zur Mängelbeseitigung reichte die GdWE am 2.6.2020 Klage auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung und Schadensersatz wegen verschiedener Positionen ein. Das Landgericht Kiel und das Oberlandesgericht Schleswig wiesen die Klage ab. Das OLG ließ die Revision zu. Diese hatte Erfolg und führte zur Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, da verschiedene notwendige tatsächliche Feststellungen noch nicht getroffen worden waren und der BGH daher nicht selbst in der Sache entscheiden konnte.

Die Entscheidung

Als unproblematisch bejaht auch der BGH die Prozessführungsbefugnis der GdWE für die aus ihrer Sicht fremden Ansprüche der Erwerber aus den Bauträgerverträgen. Der Eigentümerbeschluss vom 27.11.2018 über das „Ansichziehen der Rechtsverfolgung“ führe zu einer gewillkürten (rechtsgeschäftlichen) Prozessführungsbefugnis.

An einer wirksamen Abnahme fehlt es. Die vom Bauträger formularmäßig verwendete Abnahmeklausel in den Erwerberverträgen mit Einschaltung des vom Bauträger bestellten und mit ihm wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalters ist unwirksam. Gleiches gilt für die auf Grundlage dieser Vertragsklausel durchgeführte Abnahme selbst. Da der Bauträger diese unwirksame Klausel verwendet habe, sei es ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich gegenüber der GdWE darauf zu berufen, dass sich die Erwerberverträge noch im Erfüllungsstadium befänden und Mängelansprüche daher nicht statthaft seien. Vielmehr müsse das Gericht im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung der Klage unterstellen, dass eine wirksame Abnahme vorliege.

Rechtsfehlerhaft sei jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, im Rahmen der Verjährungseinrede sei sodann zugunsten des Bauträgers eine wirksam erfolgte Abnahme zu unterstellen, so dass jedenfalls vor Einreichung der Klage eine Verjährung möglicher Mängelansprüche infolge des 10jährigen Verjährungshöchstfrist eingetreten sei. Der BGH weist darauf hin, dass nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) zu werten sei. Der BGH hält es stattdessen durchaus für denkbar, dass die GdWE die Verjährungseinrede des Bauträgers mit Recht zurückgewiesen habe. Hierzu seien indessen die notwendigen tatsächlichen Feststellungen noch nicht getroffen und vom OLG nachzuholen.

Fazit für den Verwalter

In der Regel bestellen aufteilende Eigentümer für die GdWE den ersten Verwalter. Im Fall der ersten Bestellung gilt eine dreijährige Höchstfrist (§ 26 Abs. 2 S. 1 WEG). Wegen der rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung liegt in der unwiderruflichen Bevollmächtigung des Erstverwalters zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums eine unangemessene Benachteiligung der Erwerber. Die Klausel ist daher unwirksam. Zulässig ist es, wenn der Verwalter für die GdWE fachkundige Experten beauftragt, die den Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums im Hinblick auf eine tatsächliche Abnahmereife untersuchen und dokumentieren.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Erwerber sind berechtigt, Willenserklärungen über die rechtsgeschäftliche Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums individuell abzugeben. Vorformulierte Verpflichtungen, diesbezüglich den ersten Verwalter einsetzen zu müssen sind unwirksam und unverbindlich. Erwerber sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Abnahme zu erklären, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Hierfür genügt es, wenn die Werkleistung des Bauträgers im Wesentlichen mangelfrei ist. Geringfügige Mängel verhindern das Entstehen der Abnahmereife mithin nicht. Zur Beseitigung von Restmängeln sind Fristen zu setzen.

Fazit für die Gemeinschaft

Die Beseitigung anfänglicher Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung. Hierüber entscheiden die Erwerber mit Stimmenmehrheit. Dies gilt nicht nur im Falle der Geltendmachung von Mängelansprüchen gegen den Bauträger bzw. aufteilenden Eigentümer (Verkäufer), sondern auch in Fällen der Bauträgerinsolvenz und des „steckengebliebenen Baus“, wenn die Wohnanlage auf gemeinschaftliche Kosten aller Erwerber erstmalig mangelfrei hergestellt werden muss.

Eine Beschlusskompetenz, das gemeinschaftliche Eigentum abzunehmen, besteht nicht. Darauf gerichtete Beschlüsse sind nichtig. Soweit am 20.4.2014 die Unwirksamkeit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums per Beschluss „festgestellt“ worden sein sollte, liegt darin ebenfalls keine konstitutive Rechtsverbindlichkeit, sondern die Äußerung einer Rechtsmeinung. Bei anderer Deutung wäre der Beschluss ebenfalls nichtig, weil hierfür keine Beschlusskompetenz gegeben ist. Über die Unwirksamkeit einer Abnahme entscheiden Gerichte, nicht die Erwerber mit konstitutiver Wirkung. Die konstitutive Begründung von Rechtsfolgen ungeachtet der wirklichen Sach- und Rechtslage ist nichtig.

Im Fall war es vor einigen Jahren zweimal erfolgreich gelungen, außergerichtlich Vereinbarungen über die einvernehmliche Mängelbeseitigung zu treffen. Dies hindert nicht per se eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung wegen weiterer Mängel. Das Berufungsgericht muss Feststellungen dazu treffen, ob und inwieweit das Verhalten der GdWE treuwidrig ist.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Auch nach neuer Gesetzeslage fehlt es an der Beschlusskompetenz für eine gemeinschaftliche Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums. Darauf gerichtete Beschlüsse sind nichtig. Die mangelfreie Errichtung von Wohnungseigentum (Sondereigentum und gemeinschaftliches Eigentum) gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung. Bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums beschließen hierüber die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit. Die Beschlusskompetenz folgt aus § 19 Abs. 1 WEG.

Mit Anlegung der Wohnungsgrundbuchblätter entsteht die GdWE und mit ihr die Organisationsstruktur der Gemeinschaft mit Ämtern (Verwalter, Verwaltungsbeirat). Ab diesem Zeitpunkt können die Ämter besetzt werden. In der Gründungsphase vor Übergabe des ersten Sondereigentums kann der Bauträger Ein-Personen-Beschlüsse fassen über die Bestellung des Verwalters.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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