Mitunter sind ausscheidende Verwalter bereit, die Amtsführung faktisch (kommissarisch) fortzusetzen bis zur Bestellung des Amtsnachfolgers. Eine Anfechtungsklage kann ihm während dieser Interimszeit aber nicht mehr wirksam zugestellt werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH).
Mit Urteil vom 20.04.2018 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 202/16 griff der Bundesgerichtshof (BGH) in Schleswig-Holstein durch. Das Amtsgericht Elmshorn in erster und das Landgericht Itzehoe in zweiter Instanz hatten eine Anfechtungsklage wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen. Der Verwalter, an den das Amtsgericht die Zustellung der Klageschrift als Zustellungsvertreter der übrigen Wohnungseigentümer (Beklagten) verfügt hatte, sei zwar am Tage der Versammlung noch im Amt gewesen, im Zeitpunkt der Zustellung aber nicht mehr. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Zustellung sei auch nicht nachträglich geheilt worden. Der BGH beurteilt den Fall anders.
Der Fall
Am 26.11.2014 fand eine Eigentümerversammlung statt. Mit Klage vom 23.12.2014 wandten sich die Kläger gegen verschiedene Beschlüsse. In der Klageschrift wurde die K- GmbH als zustellungsbevollmächtigter Verwalter angegeben. Deren Amtszeit endete am 31.12.2014. Hierauf hatte die K-GmbH im Versammlungsprotokoll ausdrücklich hingewiesen und zudem mitgeteilt, dass sie eine mögliche Verlängerung ablehne, aufgrund der zeitlich kurzen Spanne aber bereit sei, die Verwaltung bis zur Bestellung eines neuen Verwalters kommissarisch weiterzuführen. Ein Beschluss wurde hierzu nicht gefasst. In der Klageschrift wurde nicht auf das zeitnahe Ende der Verwalterbestellung hingewiesen. Nach Anforderung und Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses wurde die Klage der K-GmbH am 30.01.2015 zugestellt. Die K-GmbH mandatierte eine Rechtsanwältin mit der Vertretung der Beklagten. Die Verteidigungsanzeige ging am 12.02.2015 beim Amtsgericht ein. Festgestellt ist zudem, dass die K-GmbH den beklagten Wohnungseigentümern Kopien oder Faxkopien der Klageschrift zukommen ließ. Wann das war, ist allerdings ebenso unklar wie die weiteren Fragen, ob der Verwaltervertrag über das Jahr 2014 hinaus Bestand hatte sowie wann und in welcher Form (z.B. Kopie, Fax, Scan, Foto) der Rechtsanwältin die Klage zuging.
Die Entscheidung
Im Gegensatz zum Berufungsgericht ist der BGH der Ansicht, dass der in der unwirksamen Zustellung an den Ex-Verwalter liegende Mangel nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang der Klageschrift oder eines der Klageschrift inhaltsgleichen Schriftstückes (z.B. Fotokopie, Faxkopie, Scan) bei den beklagten Wohnungseigentümern geheilt werden kann. Da das Berufungsgericht zu diesen Fragen keine Feststellungen traf, wurde der Fall nach Itzehoe zurückverwiesen. Der BGH führt aus: Setze der Ex-Verwalter die Verwaltung über das Ende seiner Bestellungszeit hinaus fort, sei er kein Zustellungsvertreter nach § 45 Abs. 1 WEG mehr. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift komme auch dann nicht in Betracht, wenn der Ex-Verwalter noch als Verwalter tätig sei, sei es rein faktisch oder wie hier mit ausdrücklicher Ankündigung und möglicher Billigung der Eigentümer.
Theoretisch hätte das Amtsgericht den Ex-Verwalter dessen Einverständnis vorausgesetzt nach § 45 Abs. 3 WEG zum Ersatzzustellungsvertreter für die Beklagten bestellen können. So sei vorliegend aber nicht verfahren worden, zumal es an einem entsprechenden Hinweis auf die auslaufende Bestellungszeit in der Klageschrift gefehlt habe. Auch hätten die Parteien keinen Ersatzzustellungsvertreter bestellt, an den die Klage entsprechend § 45 Abs. 2 WEG hätte zugestellt werden können.
Die unwirksame Zustellung konnte jedoch so der BGH nach § 189 Alt. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) geheilt werden, und zwar durch Übersendung einer Fotokopie, Faxkopie oder eines Scan. Ein Zugang des Originals der Klageschrift sei nicht erforderlich. Nur eine bloße Unterrichtung durch ein Rundschreiben oder mündlich auf einer Eigentümerversammlung reiche für eine Heilung nicht aus.
Fazit für den Verwalter
Mit dem Ende der Bestellung verliert der Verwalter seine Amtsbefugnisse. Er ist nicht mehr amtlicher Zustellungsvertreter der beklagten Wohnungseigentümer. In Betracht kommt laut BGH, dass sich eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht aus dem Verwaltervertrag ergibt, falls dieser über das Amtszeitende hinaus Bestand haben sollte (Rn 32 des Urteils). Dies wird in der Praxis selten der Fall sein, da Bestellung und Verwaltervertrag trotz der Trennung von Amt und Anstellung (so genannte Trennungstheorie) inhaltlich miteinander verknüpft sind und die Beschlussauslegung in der Regel dazu führen wird, dass beide Bausteine der Verwaltertätigkeit das gleiche rechtliche Schicksal teilen.
Ein Auftreten als faktischer Verwalter nach Amtszeitende belässt dem ehemaligen Amtsinhaber keine gesetzliche Zustellungsvertretungsmacht. Ihn kann gleichwohl die nachwirkende Verpflichtung treffen, eine nach Amtszeitende zugegangene Anfechtungsklage den Beklagten unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Aus der nachwirkenden Neutralitätspflicht ergibt sich, dass der Ex-Verwalter dies nicht gezielt verzögern darf, um zugunsten der Beklagten dafür zu sorgen, dass der noch während seiner Amtszeit gefasste Beschluss bestands- bzw. rechtskräftig wird, da die Klägerseite die Klagefrist verpasst. Alternativ dürfte es aber auch zulässig sein, eine (unwirksam) zugestellte Klage unverzüglich an das Amtsgericht zurückzusenden unter Hinweis darauf, dass man nicht mehr der bestellte Verwalter sei.
Für den amtierenden Verwalter ist wissenswert, dass der BGH großzügig ist bezüglich der Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung der beklagten Wohnungseigentümer über den Eingang der Anfechtungsklage. Es müssen keineswegs Kopien der Klageschrift gefertigt und allen Beklagten per Post übersandt werden. Vielmehr besitzt der Verwalter einen Ermessensspielraum, den er pflichtgemäß auszuüben hat. So kann es pflichtgemäß sein, zu einem kostengünstigeren Informationsmittel zu greifen, etwa Rundschreiben, Telefax, E-Mail (Scan) oder auch nur mündlich in einer Eigentümerversammlung (Rn 24).
Zweifelhaft und nach hier vertretener Ansicht nicht empfehlenswert ist die Überlegung des BGH, der amtierende Verwalter sei berechtigt und möglicherweise sogar verpflichtet, im Anfechtungsprozess die rechtliche Vereidigung der Beklagtenseite ohne Rechtsanwalt selbst zu übernehmen (Rn 29). Dies lässt sich mit der Neutralitätspflicht des Verwalters nicht in Einklang bringen. Ein näheres Statement des BGH zu dieser umstrittenen Frage steht aus.
Nach § 45 Abs. 2 S. 1 WEG sind Wohnungseigentümer verpflichtet, für den Fall, dass der Verwalter als Zustellungsvertreter ausgeschlossen ist (wegen eines konkreten Interessenkonflikts, siehe § 45 Abs. 1 WEG), durch Beschluss einen Ersatzzustellungsvertreter sowie dessen Vertreter zu bestellen, auch wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist. Der Verwalter ist verpflichtet, eine solche Beschlussfassung herbeizuführen. Dies bedeutet, dass er von Amts wegen einen Tagesordnungspunkt in die Einladung aufnimmt. Lehnt die Mehrheit den Beschlussantrag ab (Negativbeschluss), sollte der Verwalter in stoischer Gelassenheit alle Jahre wieder denselben TOP auf die Tagesordnung nehmen. Denn trotz der Unwilligkeit der Eigentümermehrheit erlischt die gesetzliche Verpflichtung, die seit dem 01.07.2007 - Inkrafttreten der letzten großen WEG-Reform - gilt, nicht, und außerdem könnten Eigentümerwechsel oder sonstige Umstände zu einem Meinungswandel führen.
Dr. Jan-Hendrik SchmidtW·I·R Breiholdt Nierhaus SchmidtRechtsanwälte PartmbB Hamburgwww.wir-breiholdt.de