WEG-Recht

Fehlerhafter Vermögensbericht – Anfechtungsgrund für Beschlüsse über Nachschüsse und die Anpassung der Vorschüsse?

Bis zur WEG-Reform zum 1. Dezember 2020 war die Darstellung des Anfangs- und Endbestandes aller Bankkonten wesentlicher Bestandteil der Jahresrechnung, da nur so deren rechnerische Schlüssigkeit überprüft werden konnte. Mängel oder Fehler in der Darstellung führten zur Anfechtbarkeit der diesbezüglichen Beschlüsse.

Seit der Reform hat der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 WEG einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Wohnungseigentümern ein möglichst genaues Bild über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft geben soll. Der Vermögensbericht muss u.a. die Kontostände aller Bankkonten und den Stand der Erhaltungsrücklage ausweisen. Diese Angaben sind damit als vormals existenzieller Bestandteil der Jahresrechnung von dort in den Vermögensbericht verschoben worden.

Das AG Wiesbaden hat sich in seinem Urteil vom 1. Juli 2022 (AZ 92 C 3463/21) mit der Frage auseinandergesetzt, ob falsche Angaben zu den Kontenständen im Vermögensbericht ebenfalls zur Anfechtung der Beschlüsse über Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse führen.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte der Verwalter erst in der befassten Eigentümerversammlung den Vermögensbericht zur Einsichtnahme vorgelegt. Die daraufhin gefassten Beschlüsse über die Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse focht ein Miteigentümer an. Er rügte u. a. die verspätete Vorlage des Vermögensberichtes und die unrichtige Angabe der Kontostände des Girokontos und der Erhaltungsrücklage.

Entscheidung

Die Anfechtungsklage blieb ohne Erfolg. Das Gericht stellte zwar fest, dass es nicht ausreichend sei, den Vermögensbericht in der Versammlung zur Einsicht vorzulegen, da das Gesetz im § 28 Abs. 4 S. 2 WEG bestimmt, dass der Vermögensbericht jedem Eigentümer zur Verfügung zu stellen sei. Die Vorlage in der Versammlung zur Einsichtnahme stelle keine Zur-Verfügung-Stellung im gesetzlichen Sinne dar. Für die Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse sei dies jedoch unbeachtlich.

Auch fehlerhafte Angaben im Vermögensbericht zum Bestand der Konten führen nicht zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse. Allenfalls könne ein Anspruch auf Berichtigung des Vermögensberichtes geltend gemacht werden.

Dass nur sich auswirkende Fehler im Rechenwerk der Jahresabrechnung zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen über Nachschüsse bzw. Anpassung der Vorschüsse führen sollen, ist vom Gesetzgeber gewollt. Eine fehlerhafte Darstellung von Kontoständen im Vermögensbericht ist unbeachtlich, da er nicht Gegenstand der Beschlussfassung ist.

Es wird trotzdem empfohlen, den Vermögensbericht mit großer Sorgfalt zu erstellen und den Eigentümern rechtzeitig vor der Versammlung zuzustellen. Am zweckmäßigsten ist die Übersendung zusammen mit der Jahresabrechnung und der Einladung zur Versammlung.

Fehler im Vermögensbericht können mittelbar zur Anfechtung anderweitiger Beschlüsse führen, wenn z. B. aus den Angaben falsche Vorstellungen der Wohnungseigentümer über die Finanzierbarkeit einer beschlossenen Baumaßnahme entstanden sind oder ein falscher Ausweis der Erhaltungsrücklage zu unzulänglichen Beiträgen der Eigentümer führt.

Sollte deshalb eine weitere Versammlung mit Zweitbeschlüssen notwendig werden, fallen die Kosten hierfür dem Verwalter zur Last. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann zudem vom Verwalter die Korrektur des Vermögensberichtes verlangen.

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt

Strunz Alter
Rechtsanwälte PartG mbB
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