WEG-Recht

Für Hausgeldklagen fehlt dem Verwalter eine gesetzliche Vertretungsmacht

Hätten Sie es gewusst? Nach dem Wohnungseigentumsgesetz hat der bestellte Verwalter keine gesetzliche Befugnis, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Hausgeldklage zu mandatieren. Es bedarf einer entsprechenden Ermächtigung durch Vereinbarung oder Beschluss. So will es der Gesetzgeber gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG.

Mit Urteil vom 03.03.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen 4 S 226/16 hat das Landgericht Aurich als das für den OLG-Bezirk Oldenburg zentral zuständige WEG-Berufungsgericht die gesetzliche Grundregel des § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG zugrunde gelegt und der Verwalterpraxis einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie im Einzelfall die Zulässigkeit einer eventuellen Hausgeldklage abgesichert werden kann.

Der Fall

In der Eigentümerversammlung vom 29.04.2015 wurde die Genehmigung der Jahresabrechnung 2014 beschlossen. Nach dem Beschluss waren die sich aus der Jahresabrechnung ergebenden Nachzahlungen 14 Tage nach der Versammlung zur Zahlung fällig. Weiter heißt es in dem Beschluss, die Hausverwaltung werde ermächtigt und beauftragt, im Falle der Nichtzahlung von Nachzahlungen auf Hausgelder unverzüglich einen Rechtsanwalt mit dem Einzug des Rückstandes zu beauftragen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Linzen äußerte das Gericht Bedenken an der Zulässigkeit der Klage. Der Klägervertreter erklärte, die Ermächtigung zur gerichtlichen Geltendmachung der Hausgelder ergebe sich auch aus dem Verwaltervertrag, der von den Eigentümern in dieser Form beschlossen worden sei. Seinem Versprechen, den Verwaltervertrag dem Amtsgericht nachzureichen, kam der Klägervertreter indessen nicht nach. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig ab. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ging in Berufung und obsiegte dort gegen den Hausgeldschuldner.

Die Entscheidung

Das Landgericht bewertet den Fall anders. Die Einreichung des Verwaltervertrages sei nicht erforderlich gewesen, da sich bereits aus dem Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2014 und die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit dem Einzug von Hausgeldrückständen die erforderliche Ermächtigung zum Hausgeldprozess ergebe. Bei unbefangener Auslegung des Beschlussinhalts nach Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen objektiver Leser präsentiere, sei erkennbar, dass der Rechtsanwalt nicht nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung, sondern auch mit einer gerichtlichen Geltendmachung mandatiert werden dürfe. Daher sei die Klage zulässig und auch der Sache nach begründet, weil der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2014 unstreitig bestandskräftig sei.

Fazit für den Verwalter

§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG lautet

Der Verwalter ist berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie (…)

7. sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist.

Nach ganz herrschender Rechtsmeinung ist eine Hausgeldklage eine sonstige Rechtshandlung im Sinne der vorzitierten Vorschrift. Ferner ist allseitig anerkannt, dass der Verwalter kraft Gesetzes (namentlich gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG) lediglich zur außergerichtlichen Anforderung von Hausgeldzahlungen berechtigt sei, nicht aber zu einer gerichtlichen Beitreibung. Letztere solle zum Schutze der Wohnungseigentümer vielmehr einer gesonderten Ermächtigung bedürfen, die durch Mehrheitsbeschluss oder Vereinbarung erteilt werden könne. Angesichts von Wortlaut und Systematik des § 27 WEG dürfte diese Rechtsmeinung richtig sein, auch wenn es merkwürdig erscheint, dass die für die Sicherung des Finanzwesens der Wohnungseigentümergemeinschaft so bedeutsame Hausgeldzahlungsklage vom Verwalter nicht von Amts wegen, also allein kraft seiner Bestellung, freigegeben werden darf. Nahezu irrsinnig wird diese aktuelle Gesetzeslage, wenn man sich vor Augen führt, dass im Falle einer Hausgeldrückzahlungsklage (beispielsweise wegen überzahlter Vorauszahlungen) eines Wohnungseigentümers gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft der Verwalter sehr wohl ohne Ermächtigung, d. h. von Amts wegen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsverteidigung der Beklagten beauftragen darf, da § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG ihm für solche Passivprozesse eine gesetzliche (organschaftliche) Vertretungsmacht verleiht („Prozessführungsbefugnis”).

Zu einer schlüssigen Hausgeldklage gehört also klägerischer Vortrag dazu, woraus sich die erforderliche Ermächtigung zur Klageerhebung ergibt. In der Praxis finden sich in den meisten Teilungserklärungen (Gemeinschaftsordnungen) Bestimmungen, wonach die gerichtliche Geltendmachung von Hausgeldansprüchen zu den Verwalterbefugnissen zählt. Bei solchen Bestimmungen handelt es sich um eine Vereinbarung (gemäß § 10 Abs. 2, 3 WEG) im Sinne von § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG. Auch eine entsprechende Bestimmung im Verwaltervertrag genügt. Der Verwaltervertrag ist indessen keine Vereinbarung im vorgenannten Sinne. Da er aber auf einen Beschluss der Eigentümerversammlung als Legitimationsakt zurückzuführen ist, ist diese Tatbestandsalternative von § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG verwirklicht. Außerdem genügt – dies zeigt der hier besprochene Fall – ein Beschluss, der die gerichtliche Geltendmachung legitimiert. Dieser Beschluss kann entweder abstrakt-genereller Natur sein, also jedwede Hausgeldklage legitimieren oder auch auf einen konkreten Einzelfall begrenzt sein. Beschlusskompetenz besteht nach vorherrschender Meinung für beide Varianten, so dass im vorliegenden Fall dahinstehen konnte, ob es sich um einen generellen Ermächtigungsbeschluss oder einen Einzelfallbeschluss handelte, der nur die Beitreibung der Nachzahlungen aus der Jahresabrechnung 2014 abdeckte.

Wohnungseigentumsverwaltern kann der Tipp gegeben werden, am Ende eines jeden Beschlusses über die Genehmigung eines Wirtschaftsplans, einer Jahresabrechnung oder die Erhebung einer Sonderumlage folgenden Zusatz zu setzen:

„(…) Der Verwalter wird ermächtigt, Zahlungsrückstände aus dem vorgenannten Beschluss außergerichtlich und notfalls gerichtlich und auch unter Einschaltung eines Rechtsanwalts einzuklagen und beizutreiben.”

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de