Arbeitsrecht

Gleichbereichtigung gilt auch in Kleinbetrieb

Wussten Sie, dass bei einer Kündigung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch ijn Klein betrieben anzuwenden ist? Das hat aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Zwar gilt in solchen kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dennoch erinnert das BAG mit der Entscheidung, dass auch im Kleinbetrieb das AGG gilt.

Der Fall

Eine 63-jährige Arzthelferin war neben vier weiteren, jüngeren Kolleginnen in einer Gemeinschaftspraxis tätig und dort überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis wegen bevorstehenden Veränderungen in der Praxis. In dem Kündigungsschreiben hieß es unter anderem:

„Liebe ..., seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. ... Inzwischen bist du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis. Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis..."
Den jüngeren Kolleginnen wurde nicht gekündigt. Daraufhin erhob die Beschäftigte Kündigungsschutzklage und verlangte Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.

Die Entscheidung

Nachdem sowohl die erste, als auch die zweite Instanz die Klage abgewiesen hatten, siegte die Klägerin mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Den Verweis auf die Pensionssberechtigung im Kündigungsschreiben wertete das BAG als ausreichendes Indiz dafür, dass die Arbeitgeberin der langjährigen Mitarbeiterin gerade wegen ihres Alters gekündigt hatte. Der Gegenbeweis, dass eine solche Altersdiskriminierung in Wirklichkeit nicht vorlag, gelang der Arbeitgeberin nicht.

Der Tipp

Das Besondere des Falls liegt darin, dass es sich hier um einen Kleinbetrieb handelt. In einem solchen gibt es keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Ordentliche Kündigungen unterliegen nur einer sehr abgeschwächten gerichtlichen Kontrolle zum Schutz vor besonders rücksichtslosen Kündigungen. Das BAG erinnert nun daran, dass jedoch auch im Kleinbetrieb bei einer Kündigung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anzuwenden ist. Die Entscheidung ist insofern begrüßenswert, als das Thema Altersdiskriminierung noch zu häufig übersehen wird. Nicht selten wird Alter vorschnell mit Leistungsschwäche gleichgesetzt und ältere Mitarbeitende als Problem gesehen, obwohl beispielsweise viele Staatsoberhäupter oder Manager sich mit 70 gerade auf ihrem Karrierehöhepunkt befinden - hier wird vor allem der Erfahrungsreichtum als Potential gesehen. Die ältere Mitarbeiterin hätte hingegen wesentlich geringere Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Kritik an der Entscheidung ist aber insofern berechtigt, als eine Mitarbeiterin, die bereits Rente beziehen kann, sogar bei einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG als weniger schutzbedürftig gelten könnte. Doch Vorsicht: das AGG schützt nicht nur die Älteren! Auch die jüngeren Beschäftigten dürfen nicht wegen ihres Alters diskriminiert werden - auch das wird noch zu häufig übersehen.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14