WEG-Recht

Karneval in Köln – BGH pfeift Kölner WEG-Gerichte zurück

Die fünfte Jahreszeit hat soeben begonnen, da veröffentlicht der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil in einem Fall, in dem Wohnungseigentümer als Wohnungseigentümergemeinschaft verkleidet waren – allerdings nicht freiwillig, sondern im Zwangskostüm durch ein offensichtliches Versehen des Amtsgerichts Köln.

Mit Urteil vom 21.7.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 72/16 hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Köln aus der Karnevalszeit 2016 auf und schickte die Akte zur Verhandlung und neuen Entscheidung zurück an den Rhein.

Der Fall

Die Kläger erhoben unter Einreichung einer Eigentümerliste Anfechtungsklage gegen mehrere Beschlüsse einer Eigentümerversammlung. Die Beklagten zu 1 bis 17 waren erstinstanzlich anwaltlich vertreten, der Beklagte zu 18 vertrat sich selbst. In der Klageschrift heißt es, dass die Parteien die „Wohnungseigentümergemeinschaft A.-Straße” bilden. Das Amtsgericht Köln hatte der Klage teilweise stattgegeben. Im Rubrum dieses Urteils wird als Beklagte allein die „WEG A.-Straße” aufgeführt. Gegen das Amtsgerichtsurteil haben die Rechtsanwälte der Beklagten zu 1 bis 17 Berufung eingelegt und als Berufungsklägerin die „Wohnungseigentümergemeinschaft A.-Straße” angegeben. Das Landgericht Köln hat die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen, weil sich bis zum Ablauf der Berufungsfrist nicht habe eindeutig erkennen lassen, dass entgegen der Angabe in der Berufungsschrift in Wahrheit die Beklagten zu 1 bis 7 Rechtsmittelführer sein sollten.

Die Entscheidung

Der BGH pfeift die Kölner WEG-Richter zurück. Das Amtsgericht habe durch ein offensichtliches Versehen die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Prozesspartei gemacht, obwohl erkennbar die Wohnungseigentümer untereinander stritten. Dieses Versehen sei von Amts wegen durch eine Urteilsberichtigung zu korrigieren gewesen, und zwar jederzeit und nicht nur innerhalb der Rechtsmittelfrist. Das Berufungsgericht hätte demnach das offenkundig falsche Rubrum berichtigen müssen. Dies gebiete das Rechtsstaatsprinzip. Die durch ein Urteil scheinbar beschwerte Partei, die also aufgrund einer falschen Parteibezeichnung zwar verurteilt wurde, in Wahrheit aber gar nicht Prozesspartei ist (hier die Wohnungseigentümergemeinschaft), sei stets befugt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, um den falschen Anschein des sie beschwerenden Urteils zu beseitigen.

Fazit für den Verwalter

Eine Anfechtungsklage wird zwischen den Wohnungseigentümern untereinander ausgetragen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft, also der rechts- und parteifähige Verband, ist nicht beteiligt. So sieht es das Wohnungseigentumsgesetz in § 46 Abs. 1 und § 43 Nr. 4 ausdrücklich vor. Dennoch geistert der Verband in diesem Gewand immer wieder durch die Gerichtsakten, häufig, weil Rechtsanwälte die Gesetzeslage übersehen, teils, weil Gerichte ins Stolpern geraten - im vorliegenden Fall bemerkenswerterweise sogar ein Großstadtgericht mit an sich spezialisierten WEG-Abteilungen.

Wird dem Verwalter eine Anfechtungsklage zugestellt, ist er gesetzlich befugt, für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Der Verwalter muss mithin die Beklagten nicht persönlich befragen oder einen Beschluss herbeiführen, sondern davon Amts wegen zur Tat schreiten, was im Hinblick auf die vom Gericht in aller Regel kurz bemessenen Reaktionsfristen (zweiwöchige Frist zur Verteidigungsanzeige und weitere zweiwöchige Frist zur Klageerwiderung) sinnvoll ist. Möchten einzelne Beklagte – im Fall hier der Beklagte zu 18 – nicht vom Rechtsanwalt vertreten werden, kann insoweit das Mandat beendet werden. Das Mandatsverhältnis zu den übrigen Beklagten bleibt davon unberührt. An im Zeitpunkt der Mandatsbeendigung bereits angefallenen Gebühren, beispielsweise der Verfahrensgebühr, dürfte indessen auch der aussteigende Beklagte beteiligt bleiben. Das kann im Einzelfall dazu führen, die Verfahrensgebühr in der Jahresabrechnung auf alle unterliegenden Eigentümer verteilen zu müssen, die Termingebühr (für die mündliche Verhandlung vor Gericht) hingegen unter Ausschluss des Aussteigers.

Sucht sich ein einzelner Beklagter einen eigenen Rechtsanwalt, wird dieser im Regelfall vom Prozessgegner keine Kostenerstattung erhalten, und zwar auch dann nicht, wenn die Anfechtungsklage abgewiesen wird. Der vom Verwalter für die Beklagten kraft seiner Amtsstellung ausgewählte Rechtsanwalt wird kostenrechtlich bevorzugt behandelt. So lautet die vorherrschende Auslegung von § 50 WEG.

 
Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de