WEG-Recht

Kein Aufopferungsanspruch (Mietausfallersatz) bei Zutrittsverweigerung

Ist zur Instandsetzung von Gebäudeteilen, die zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, aber im räumlichen Bereich einer Wohnung liegen, das Betreten oder die Benutzung (einschließlich Beschädigung, Zerstörung) erforderlich, muss der Wohnungseigentümer Zutritt gewähren und die Arbeiten dulden. Im Gegenzug erhält er von der Gemeinschaft den ihm dadurch entstehenden Schaden ersetzt. So ist es in § 14 Nr. 4 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt. Fraglich ist, ob ein solcher Aufopferungsanspruch auch in Betracht kommt, wenn der Wohnungseigentümer den Zugang zur Wohnung verweigert oder verzögert.

Mit Urteil vom 03.05.2017 zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 18/16 äußerte sich das für den Landgerichtsbezirk Hamburg zentral zuständige Berufungsgericht zur rechtlichen Mängellage von Aufopferung, Schadensersatz wegen Sanierungsverzögerung und unterlassener Beschlussdurchführung. Zugrunde lag dem Urteil ein Sachverhalt, in dem eine Erdgeschosswohnung seit Jahren feucht und unbewohnbar war und leer stand. Der Kläger veräußerte im Prozessverlauf seine Erdgeschosswohnung und machte gegen die Gemeinschaft Zahlungsansprüche geltend.

Der Fall

Der Kläger begehrt vom rechtsfähigen Verband den Ersatz von Mietausfallschäden für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 im Zusammenhang mit der Durchführung von Instandsetzungsarbeiten (Gebäudeabdichtung) am gemeinschaftlichen Eigentum im Bereich seines ehemaligen Sondereigentums. In der Wohnung war es seit einigen Jahren zu massiven Durchfeuchtungen des Mauerwerks aufgrund fehlender Außenabdichtung und Horizontalsperre gekommen. Die Wohnung war aufgrund dessen nicht vermietbar und stand seit 2009 leer. In einer Eigentümerversammlung vom 24.06.2009, die vom Kläger geleitet wurde, nachdem der Verwalter das Amt in der Versammlung niedergelegt hatte, wurde die Sanierung der Wohnung beschlossen. Der Beschluss wurde bestandskräftig, war inhaltlich aber nicht sonderlich präzise gefasst. In einer E-Mail vom 02.10.2009 an alle Miteigentümer erklärte der Kläger, er nehme von der im Beschluss vom 24.06.2009 beschlossenen Sanierung durch die Firma M Abstand. Er verhinderte sodann die weitere Umsetzung des Beschlusses, indem er zunächst im Oktober 2009 die Zusammenarbeit mit dem Architekten A und im September 2010 sogar gegenüber den übrigen Eigentümern verweigerte und dem Architekten A ein Hausverbot aussprach. In einer weiteren Eigentümerversammlung vom 22.04.2010 war beschlossen worden, den Beschluss vom 24.06.2009 wieder aufzuheben. Auf die Anfechtung des Klägers hin wurde der Beschluss nach einem Anerkenntnis der Beklagten gerichtlich für ungültig erklärt. In der Eigentümerversammlung vom 27.03.2012 beantragte der Kläger, den von ihm gewünschten Architekten mit der Planung von Arbeiten zu beauftragen. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt und der Negativbeschluss bestandskräftig. In der dann folgenden Eigentümerversammlung vom 22.08.2012 wurde bestandskräftig beschlossen, den Architekten A zu beauftragen, die vorliegenden Abdichtungskonzepte zu analysieren und zu komplettieren und hierbei auch aktuelle Feuchtigkeitsmessungen vorzunehmen. Die Feuchtigkeitsmessungen erfolgen am 25.04., 31.07. und 30.08.2013. Am 11.10.2013 fand sodann eine Schlüsselübergabe zwecks Sanierung der Wohnung statt. Das Amtsgericht Hamburg-Altona wies die Klage unter jedem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt ab. Der Kläger legte Berufung ein.

Die Entscheidung

Das Landgericht Hamburg wies die Berufung als unbegründet zurück. Verklagt worden sei die rechtsfähige Gemeinschaft, so dass nach dem vorgetragenen Sachverhalt 2 Ansprüche in Betracht kamen, und zwar einerseits ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhaft verzögerter Umsetzung bestandskräftiger Beschlüsse (Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB) und andererseits ein verschuldensunabhängiger Aufopferungsanspruch gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG.

Der rechtsfähige Verband sei mit der Durchführung der Beschlüsse vom 24.06.2009 und 22.08.2012 nicht in Verzug gewesen. Der erste Beschluss sei nicht in die Tat umgesetzt worden, weil der Kläger die Durchführung eigenverantwortlich blockierte. Der später gefasste Beschluss vom 22.08.2012, der insoweit den Erstbeschluss aufhob bzw. modifizierte, sei ohne schuldhaftes Verzögern durchgeführt worden. Die beschlossenen Feuchtigkeitsmessungen in der klägerischen Wohnung hätten nicht früher durchgeführt werden können, da der Kläger selbst vorgetragen habe, dass Kälte- und Frostperioden ordnungsmäßige Messungen unmöglich machten. Der Kläger habe auch nicht dargetan, dass zwischen der Schlüsselübergabe am 11.10.2013 und dem 31.12.2013 (Ende des streitgegenständlichen Zeitraums) eine schuldhafte Verzögerung der Arbeiten stattgefunden habe.

Der verschuldensunabhängige Aufopferungsanspruch gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG habe zur Voraussetzung, dass der geltend gemachte Schaden durch das Betreten bzw. die Benutzung einschließlich Beschädigung / Zerstörung des gemeinschaftlichen Eigentums verursacht wurde. Unstreitig sei vom 01.01.2010 (Anfang des streitgegenständlichen Zeitraums) bis zum 10.10.2013 in der Wohnung des Klägers nicht gearbeitet worden. Es fehle daher bereits an einem Betreten, Benutzen usw. der klägerischen Wohnung zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten. Doch auch für die Zeit vom 11.10.2013 bis zum 31.12.2013 sei ein Anspruch zu verneinen, da es an der hierfür erforderlichen Kausalität fehle. Die Vorschrift erfordere einen zielgerichteten Eingriff in das insoweit intakte Sondereigentum voraus. Schäden, die dadurch entstanden seien, dass die Gemeinschaft nicht schnell genug mit Instandsetzungsarbeiten begonnen oder diese verzögert habe, werde von der Vorschrift nicht erfasst. Der geltend gemachte Schaden (Mietausfall) sei keine adäquat kausale Folge der Bauarbeiten in der Wohnung gewesen, da diese bereits aufgrund der andauernden Feuchtigkeitsschäden ohnehin nicht vermietbar gewesen wäre. Es wurde in diesem Sinne kein intaktes (bewohnbares) Sondereigentum aufgeopfert.

Fazit für den Verwalter

Instandsetzungsbeschlüsse müssen präzise gefasst sein. Die inhaltliche Unbestimmtheit eines Beschlusses ist Anfechtungsgrund. Auch wenn eine Anfechtung unterbleibt, können sich Schwierigkeiten ergeben, wenn etwa der Verwalter dem Beschlussinhalt nicht entnehmen kann, auf welche Weise eine erforderliche Instandsetzungsmaßnahme vorgenommen werden soll.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 27.03.2012 war kein geeigneter Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch, da es sich um einen Negativbeschluss handelte. Dieser kann und muss nicht durchgeführt werden. Hätte der Kläger die Ablehnung nicht hinnehmen wollen, wäre eine Anfechtungsklage, verbunden mit einer Beschlussergebnisberichtigungsklage (auf positive Beschlussfassung) ratsam gewesen. Dies hatte der Kläger nicht getan und im Anschluss die am 22.08.2012 von der Gemeinschaft bevorzugte Sanierungsweise akzeptiert.

Schadensersatzansprüche gegen die übrigen Wohnungseigentümer standen nicht im Raum. Diese kommen in Betracht, wenn einzelne Wohnungseigentümer bei einer Abstimmung über eine dringend (unaufschiebbar) erforderliche Instandsetzungsmaßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum nicht mit „Ja” stimmen (siehe dazu BGH 17.10.2014 – V ZR 9/14).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartmbB Hamburg
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