WEG-Recht

Keine Kostenfreistellung bei Einzelvermietung statt Gemeinschaftsnutzung

Stellt ein Teileigentümer ihm gehörende Räume für „Sauna / Solarium / Fitness“, die laut Gemeinschaftsordnung der Mitbenutzung durch Wohnungseigentümer und weitere Bewohner zur Verfügung stehen, nicht zur Verfügung, sondern vermietet er diese als Lager und Abstellflächen, darf er sich auf eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Kostenfreistellung von den Betriebskosten nicht berufen.

Mit Urteil vom 13.05.2016 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 152/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich zum verbandsrechtlichen Belastungsverbot geäußert, hierbei aber auch interessante Grundsätze aufgestellt für die Auslegung der Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) in Bezug auf Kostenverteilungsfragen.

Der Fall

Eine Wohnanlage besteht aus 12 Wohnungen und einer im Kellergeschoss befindlichen Teileigentumseinheit Nr. 13. In der TE/GO aus dem Jahre 1997 ist vereinbart, dass die Mitbenutzung der Einrichtungen im Kellergeschoss, wie Sauna / Solarium / Fitness, auch durch Eigentümer oder Bewohner benachbarter vom Bauträger erstellter Wohnobjekte gestattet ist. Ferner ist dort vereinbart, dass die Räume für Sauna / Solarium / Fitness an bestimmten Betriebskosten nicht zu beteiligen sind. Änderungen der Kostenverteilungsschlüssel dürfen laut TE/GO durch Beschluss mit 2/3 Mehrheit geändert werden.

Tatsächlich stand die Einheit Nr. 13, deren Eigentümerin die Beklagte ist, als Sauna mit Dusche sämtlichen Wohnungseigentümern zur Mitbenutzung zur Verfügung. Im Oktober 2006 kündigte der Verwalter auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussfassung den geschlossenen Nutzungsvertrag. Seit dem vermietet die Beklagte die Räume als Lager und Abstellflächen.

Nachdem mehrere Jahresabrechnungen für ungültig erklärt worden waren wegen einer vorgenommenen Kostenbelastung der Einheit Nr. 13 mit Betriebskosten, klagten die Kläger auf Zustimmung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung (Kostenbeteiligungspflicht der Einheit Nr. 13, solange die Räume für Sauna / Solarium / Fitness nicht zur Mitbenutzung zur Verfügung stehen), hilfsweise auf Feststellung, wie die Kostenbefreiungsregelung in der Gemeinschaftsordnung auszulegen ist.

Das Amtsgericht Mettmann verurteilte die Beklagte zur Zustimmung. Das Landgericht Düsseldorf wies die Berufung der Beklagten zurück, ließ aber die Revision zu.

Die Entscheidung

Nach Ansicht des BGH ist der Hauptantrag auf Zustimmung unbegründet, der Hilfsantrag hingegen zulässig und begründet. Der BGH stellt fest, dass die Beklagte als Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 13 verpflichtet ist, die streitigen Betriebskosten anteilig mitzutragen, so lange die Einheit den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht im Rahmen einer einvernehmlich zu treffenden Nutzungsvereinbarung als Sauna / Solarium / Fitness-Bereich zur Verfügung gestellt wird.

In der Urteilsbegründung führt der BGH aus, dass der Zustimmungsanspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung unbegründet sei, weil bereits deren Auslegung ergebe, dass die Kostenbefreiung nur gelte, wenn und so lange die Einheit Nr. 13 der Gemeinschaft aufgrund einer Nutzungsvereinbarung als Raum für „Sauna / Solarium / Fitness“ zur Verfügung stehe. Die Auslegung habe Vorrang vor einer möglichen Änderung der Teilungserklärung gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG. Führe bereits die korrekte Auslegung zum Ziel, sei deswegen kein Raum für eine begehrte Anpassung.

Die Auslegung der fraglichen Regelung der Gemeinschaftsordnung durch den BGH ergibt, dass die vereinbarte Kostenbefreiung der Einheit Nr. 13 als Kompensation dafür zu verstehen sei, dass den übrigen Miteigentümern, Bewohnern und Anliegern eine Mitbenutzung gestattet sei. Keine Rolle spiel es nach Ansicht des BGH, dass weder eine Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers der Einheit Nr. 13 bestehe, seine Räumlichkeiten der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen noch eine Pflicht der Wohnungseigentümer, die Räume dauerhaft für „Sauna / Solarium / Fitness“ in Anspruch nehmen zu müssen. Insbesondere stelle sich die Kündigung der Nutzungsvereinbarung durch die Wohnungseigentümer nicht als rechtsmissbräuchlich bzw. widersprüchlich dar.

Der Feststellungsantrag sei zulässig. Sei – wie hier – ein konkreter Streit über die richtige Auslegung einer Regelung der Gemeinschaftsordnung im konkreten Einzelfall streitig, sei ein Feststellungsinteresse der klagenden Eigentümer gegeben. Es handele sich nicht um die abstrakte Auslegung einer Kostentragungsregelung, sondern um die gerichtliche Beilegung eines Auslegungsstreits, nachdem bereits mehrere Jahresabrechnungen für ungültig erklärt worden waren, andere Genehmigungsbeschlüsse über Jahresabrechnungen hingegen nicht. Diese Rechtsunklarheit rechtfertige die Feststellungsklage.

Fazit für den Verwalter

Obwohl die TE/GO eine Kostenfreistellung für die Einheit Nr. 13 vorsieht, führte die „richtige“ Auslegung dieser Regelung durch einen unbefangenen Betrachter dazu, dass eine anteilige Kostenbelastung zu erfolgen hatte, so lange zwischen Teileigentümer Nr. 13 und der WEG keine einvernehmlich Nutzungsvereinbarung und Bereitstellung der Räume als Sauna / Solarium / Fitness-Bereich erfolgte. Für die Kostenbefreiung genügte es nicht, dass sich die früheren Einrichtungen für Sauna, Dusche etc. nach wie vor in der mittlerweile als Lager und Abstellraum vermieteten Einheit Nr. 13 befanden. Vom gewerblichen Wohnungseigentumsverwalter dürfte zu erwarten sein, dass er derartige Auslegungsschwierigkeiten erkennt und löst, gegebenenfalls nach Hinzuziehung anwaltlichen Rates auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der Eigentümerversammlung.

Der BGH nimmt keinen Anstoß daran, dass die Wohnungseigentümer den Abschluss einer Nutzungsvereinbarung ablehnen und stattdessen die Kostenbeteiligung der Einheit Nr. 13 einfordern.

Im vorliegenden Fall gab es offenbar keine dinglichen Absicherungen. Es ist möglich, Saunanutzungsrechte als Grunddienstbarkeiten im Wohnungs- oder Teileigentum einzutragen. Sondernutzungsrechte bzw. Gruppensondernutzungsrechte am fremden Sondereigentum können nicht rechtswirksam begründet werden. Derartige Nutzungsverträge sind beispielsweise als Miete oder Leihe zu qualifizieren. Zugunsten Dritter (Nachbarn) können ebenfalls keine Sondernutzungsrechte begründet werden.

Die in der TE/GO vereinbarte qualifizierte Öffnungsklausel für die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für Betriebskosten ist gesetzeswidrig und daher unwirksam. Betriebskostenverteilerschlüssel können stets mit einfacher Stimmenmehrheit geändert werden (§ 16 Abs. 3 und 5 WEG).

Ist eine Sondereigentumseinheit laut TE/GO von der Tragung bestimmter Kosten insgesamt befreit, eröffnet § 16 Abs. 3 WEG keine Beschlusskompetenz, um eine solche Vereinbarung zu ändern. Die erstmalige Begründung einer Kostentragungspflicht unter Aufhebung einer vereinbarten Kostenbefreiung stellt keine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels dar, sondern eine Erweiterung des Kreises der Kostenschuldner, die von § 16 Abs. 3 WEG nicht erfasst ist. Die Aufhebung einer Kostenbefreiung mit künftiger Kostenbeteiligung unterstellt der BGH dem verbandsrechtlichen Belastungsverbot (Rn 15 des Urteils).

Der BGH lässt einmal mehr offen, ob unterhalb eines verpassten qualifizierten Mehrheitsqourums in einer gesetzlichen oder vereinbarten Öffnungsklausel Beschlussnichtigkeit mangels Beschlusskompetenz herrscht oder nur Anfechtbarkeit / Rechtswidrigkeit (Rn 15 des Urteils).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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