WEG-Recht

Kläger ist immer der Gärtner – aber wer ist Beklagter?

Das Gartengrundstück einer Gartenresidenz in Berlin sorgt für Streit, weil Gartenpflege- und Winterdienstleistungen nicht bezahlt wurden. Der Gärtner erhob Klage, riet aber ins Schwanken bei der Frage, wer ihm seine Vergütung schuldet, da das Gartengrundstück einer Bruchteilsgemeinschaft gehört, die sich aus den Mitgliedern von vier Wohnungseigentümergemeinschaften zusammensetzt. Vom Landgericht Berlin ging es über das Kammergericht hinauf zum Bundesgerichtshof (BGH) und von dort wieder zurück zum Berufungsgericht.

Mit Beschluss vom 10.08.2022 zum gerichtlichen Aktenzeichen VII ZR 62/22 entschied der u. a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Dieser hatte sich beschwert, dass das Landgericht seine Zahlungsklage als unzulässig abgewiesen und das Kammergericht in zweiter Instanz seine Berufung als offenkundig aussichtslos zurückgewiesen hatte.

Der Fall

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Hausbetreuungsleistungen erbringt. Mit ihrer Klage macht sie eine Vergütung für angeblich erbrachte Gartenpflege- und Winterdienstleistungen in Bezug auf ein von den Bruchteilseigentümern einer Bruchteilsgemeinschaft in Berlin-Charlottenburg gemeinschaftlich genutztes Gartengrundstück geltend. Die Klägerin schloss im Jahr 2016 einen als Dienstleistungsvertrag bezeichneten Vertrag mit der “BTG [Bruchteilsgemeinschaft] am Gartengrundstück der Gartenresidenz C. (…) B.“, diese nach dem Vertragswortlaut vertreten durch die Streithelferin der Klägerin. Nach dem Vertragsinhalt wurde die Klägerin als Auftragnehmerin mit der Unterhaltspflege in Grünanlagen und mit der Schnee- und Glatteisbeseitigung gemäß Straßenreinigungsgesetz beauftragt. Die von der Klägerin nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen beziehen sich auf ein Gartengrundstück, welches in Bruchteilsgemeinschaft von den Mitgliedern von vier Wohnungseigentümergemeinschaften gehalten wird. Die Kläger richtete an die “BTG am Gartengrundstück d. Gartenresidenz C. (…)“ verschiedene, aus den Jahren 2017 und 2018 datierende Rechnungen über insgesamt 21.421,59 EUR für angeblich erbrachte Leistungen.

Nach vergeblicher Mahnung erhob sie Zahlungsklage gegen “die Wohnungseigentümergemeinschaft Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C.“. Nach einem landgerichtlichen Hinweis, dass nicht eindeutig sei, wer verklagt sei, ob also gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen eine Bruchteilsgemeinschaft, gegen sämtliche Miteigentümer des Gartengrundstücks oder gegen eine Außen-GbR, modifizierte die Klägerin das Klagerubrum dahingehend, dass die beklagte Partei nunmehr als “die Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C.“ bezeichnet werde, wobei die Klägerin dieser Bezeichnung im Rubrum des genannten Schriftsatzes den Passus “Bruchteilseigentümer gemäß beigefügter Anlage der Bruchteilseigentümer“ hinzugefügt hatte.

Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung der Klägerin wies das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweisbeschluss als offenkundig aussichtslos zurück. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache vom BGH an das Berufungsgericht.

Die Entscheidung

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen, die den ungenauen und somit auslegungsbedürftigen Vortrag der Klägerin am Ende dahin beurteilten, die Klägerin habe trotz der erteilten gerichtlichen Hinweise und Korrekturgelegenheiten darauf beharrt, eine Bruchteilsgemeinschaft verklagt zu haben, ist der BGH weniger streng. Er betont die Verpflichtung der Gerichte, bei unrichtiger oder mehrdeutiger Parteibezeichnung die objektiv erkennbare zentrale Angriffsrichtung der Klage in den Mittelpunkt der Auslegung zu rücken. Lege man diesen Auslegungsmaßstab zugrunde, brächten die schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerseite und insbesondere die als Anlage zum Schriftsatz eingereichte Liste aller Bruchteilseigentümer hinreichend erkennbar zum Ausdruck, dass die Klägerin nicht eine nicht parteifähige Bruchteilsgemeinschaft verklagen wollte, sondern die einzelnen Bruchteilseigentümer. Der BGH schickte die Akte daher zur Fortsetzung der Sache zurück an das Kammergericht.

Fazit für den Verwalter

Verwalter dürfen in grundstücksübergreifenden Fällen nicht den Überblick verlieren, zumal es vorliegend bis zu fünf Verwalter geben kann, namentlich einen Verwalter des Gartengrundstücks der Gartenresidenz (hier im Fall wohl die Streithelferin der Klägerin) und bis zu vier verschiedene Wohnungseigentumsverwalter. Die Bruchteilsgemeinschaft ist nicht rechtsfähig und verfügt daher über keine privaten Ämter, die mittels einer organschaftlichen Bestellung mit einem Amtsträger (Verwalter) besetzt werden könnten. Selbst wenn in der Gründungsurkunde – oft eine Miteigentümervereinbarung gemäß § 1010 BGB – eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes bestimmt worden sein sollte, zieht dies nicht die Rechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft nach sich. Suchen sich die Bruchteilseigentümer einen Verwalter, ist dieser kein Amtsträger, sondern schuldrechtlicher Vertragspartner der einzelnen Bruchteilseigentümer in ihrer Gesamtheit.

Die vier Wohnungseigentümergemeinschaften sind rechtsfähige Personenvereinigungen und bestellen ihren WEG-Verwalter. Bei diesem kann, muss es sich aber nicht um dieselbe Person handeln. Jede Wohnungseigentümergemeinschaft ist eigenständig. In der Gestaltungspraxis kommt es vor, dass der jeweils bestellte Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft – in Gemeinschaftsordnungen bzw. sonstige Urkunden ist beispielsweise von „Anker- oder Zentralgrundstücken“ die Rede – zugleich der allein zuständige Verwalter für alle grundstücksübergreifenden Angelegenheiten sein soll, z.B. die Vergabe eines einheitlichen Wegereinigungsdienstes für das über alle Grundstücksgrenzen hinweggehende gemeinschaftliche Gesamtwegenetz auf dem Gesamtareal. Die einzelnen Grundstückseigentümer sollen insoweit in ihrer Verwaltungshoheit entmachtet sein. Derartige Regelungen sind juristisch heikel. Wohnungseigentumsrechtlich führen sie zu der Frage, ob Kontrahierungszwangsvereinbarungen, wonach die Übernahme des Amtes als WEG-Verwalter den Amtsträger zum Abschluss eines Hausverwaltervertrages mit einer Vielzahl von Bruchteilseigentümern für ein benachbartes Grundstück zwingen kann, wirksam sind.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Die Wohnungseigentümer der vier Wohnungseigentümergemeinschaften der Gartenresidenz sind offenbar nicht nur als Wohnungseigentümer im Wohnungsgrundbuch eingetragen, sondern zudem mit einem Bruchteil am benachbarten Gartengrundstück. Dieses ist nicht nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt, sondern ideelles Miteigentum sämtlicher Bruchteilseigentümer. Bei Veräußerungen ist sicherzustellen, dass Sondereigentum und Bruchteil zusammenbleiben. Andernfalls kann sich die Situation ergeben, dass die Eigentümergruppen nicht mehr deckungsgleich sind, was der Zielrichtung des Gesamtvorhabens widerspricht.

In der Projektentwicklung größerer Areale kommt es nicht selten vor, dass mehrere aneinandergrenzende, baulich, optisch und nutzungsmäßig verflochtene, rechtlich aber dennoch real geteilte Grundstücke eines Quartiers zu einer großen Verwaltungseinheit zusammengeführt werden. Ein Grundstück bzw. dessen Verwalter soll „den Hut aufhaben“. Die Gründungsurkunden beinhalten Regelungen, die in allen sog. grundstücksübergreifenden Angelegenheiten einheitliche Spielregeln und Kompetenzträger bestimmen und dinglich absichern sollen. Vielfach sind einige dieser Einzelgrundstücke nach WEG aufgeteilt, andere nicht. Soweit Wohnungseigentum begründet wird, enthalten die Gemeinschaftsordnungen der jeweiligen Wohnungseigentümergemeinschaften derartige Regelungen. Die Grenzen der Wirksamkeit derartiger Regelungen spielen in der Gestaltungspraxis eine große Rolle und sind nicht immer leicht abzuschätzen.

Eine teilschuldnerische Außenhaftung der einzelnen Wohnungseigentümer in Höhe ihres im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Miteigentumsanteils drohte im Fall nicht, da die (eigene) Wohnungseigentümergemeinschaft keine Vertragspartnerin der Klägerin ist und es mithin nicht um Verbindlichkeiten des rechtsfähigen Verbandes geht. In die Haftung geraten kann ein Bruchteilseigentümer in der Höhe seines am dortigen Gartengrundstück gebuchten Miteigentumsanteils. Für Gläubiger macht es bei großen Bruchteilsgemeinschaften wenig Freude, mehreren 100 Eigentümern „nachzujagen“ und schlimmstenfalls eine Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen wegen anteiliger Kleinbeträge in die Wege leiten zu müssen.

Fazit für die Gemeinschaft

Da Wohnungseigentümergemeinschaften rechtsfähig sind, können sie grundsätzlich Gesellschaftsanteile erwerben oder eine Gesellschaft gründen. Denkbar wäre z.B., dass mehrere benachbarte Wohnungseigentümergemeinschaften sich zu dem Zweck zusammenschließen, grundstücksübergreifende Anlagen oder Einrichtungen, wie etwa Wege, Straßen, Grünanlagen etc., gemeinsam zu verwalten. Sind es beispielsweise zwei Wohnungseigentümergemeinschaften, wird eine rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Außen-GbR) gegründet, bestehend aus zwei Gesellschaftern. Im hier besprochenen Fall war dies scheinbar nicht geschehen, da die Zwangsgemeinschaft bereits einseitig vom Projektentwickler vorgegeben und dinglich abgesichert worden war. Dann handelt es sich bei dem Rechtskonstrukt um eine nicht rechtsfähige Gemeinschaft von Bruchteilseigentümern, nicht um eine rechtsfähige Außen-GbR. Ähnlich verhält es sich häufig bei Heizungsbetriebsgemeinschaften.

Der in Berlin streitgegenständliche Vertrag war als „Dienstvertrag“ bezeichnet. Das ist zweifelhaft, und in der rechtlichen Würdigung allerdings auch unverbindlich. Grundsätzlich handelt es sich nicht um einen Dienst-, sondern einen Werkvertrag.  Für die rechtliche Qualifizierung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Verpflichtet sich ein Unternehmer, ein Grundstück oder Grundstücksareal oder eine bestimmte Fläche von Schnee- und Eisglätte freizuhalten, ist Werkvertragsrecht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof an anderer Stelle entschieden. Was für den Winterdienst gilt, wird entsprechend für Hausreinigung, Gartenpflege, Straßenreinigung etc. zu gelten haben. Demnach liegt der übereinstimmende Vertragswille regelmäßig darin, ein bestimmtes Arbeitsergebnis als Erfolg herbeizuführen (Freiheit von Schnee und Eisglätte, Stolperfallen auf Gehwegen, Unkraut und Unrat, Laub, Vertrocknung und Schädlingsbefall, Totholz, herabfallenden Ästen, etc.) und nicht nur eine darauf gerichtete Dienstleistung zu erbringen.

 

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
www.wir-breiholdt.de